Details

Herausgeber Pazzini, Karl-Josef; Coelen, Marcus; Kasper, Judith; Wegener, Mai (Hg.)
Verlag TEXTEM VERLAG
Auflage/ Erscheinungsjahr 08.11.2023
Format 21 × 14 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 176 Seiten
Abbildungen zahlr. Abb.
Gewicht 170
Reihe RISS, Band 99
SFB Artikelnummer (SFB_ID) SFB-010938_RISS_99

»[D]ie Onanie ist ja weder somatisch noch psychologisch etwas Letztes,
kein wirkliches Agens, sondern nur ein Name für gewisse Tätigkeiten
«.

Sigmund Freud: Beiträge zur Onanie-Diskussion –
›Zur Einleitung‹ und ›Schlußwort‹ [1912],
in: GW, Bd. 8, S. 332–345, hier S. 341

Zu dieser Ausgabe

Es gibt keine Masturbation
Ein Editorial

»Wir sind ja alle in dem Urteil einig, daß das Thema der Onanie schier unerschöpflich ist«, so beschloss Sigmund Freud die kontroversen Diskussionen der Mittwochsgesellschaft (1911/12), nicht ohne auf die Masturbation als eine Praxis anzuspielen, die durch keine äußeren Faktoren limitiert sei.(1) So schien es ihm. Endlos scheinen derweil auch die möglichen Bedeutungen, die die Selbstbefriedigung für die Menschen annehmen kann. Als todbringende Krankheit (mit symptomalen Ausdrücken wie Schwindsucht, Epilepsie oder Wahnsinn) und als Schandtat des Individuums bekämpfte sie eine sich vermeintlich in der Aufklärung befindliche Epoche.(2) Zu einem emanzipatorischen Akt der Selbsterkundung und Autonomisierung werteten sie dagegen insbesondere Vertreterinnen der zweiten Frauenbewegung auf.(3) Als Gefahr, sobald sie im Verbund mit Pornografie auftrete, er scheint sie den feministischen oder ums Kindeswohl besorgten Pornografiegegner*innen.(4) Zur schuldfrei praktizierten »eigenen Sexualform« erklärt sie die Sexualsoziologie, die um die Jahrtausendwende beobachtete, dass auch in emotional wie sexuell zu friedenstellenden Beziehungen zunehmend masturbiert werde.(5) Immer noch, wenn auch latent, mit alten Konflikten und Ängsten beladen, ist sie dagegen der klinischen Erfahrung mancher Psychoanalytiker*innen zufolge.(6) Als evolutionär wertvoll bewertet sie inzwischen die Primatenforschung.(7) Als vulgärer Egoismus taucht sie immer noch in Form der Beleidigung auf (»Wichser«). Zum Hemmnis für den eigenen Erfolg erklärt sie neuerdings eine digitale Männerbewegung, die sich die Masturbationsabstinenz auf die Fahnen schreibt.(8) Als Akt von Wellness und Selbstfürsorge wird sie in einem neuen Gesundheitsdiskurs beworben (9), gar als Einschlafhilfe von einer deutschen Krankenkasse empfohlen …(10)

Kurzum: Es scheint, als sei kaum eine als sexuell eingeschätzte Tätigkeit so vieldeutig wie die Masturbation. Masturbation existiert genauso wenig wie eine sexuelle Beziehung. Und weil Masturbation nicht existiert, ist der Drang groß, sie zu definieren, mit Wert, auch ökonomischem, zu verbinden, sie moralisch und ethisch einzuordnen. (...)

Die Beiträge dieser Ausgabe

  • Sigmund Freud, »Letzter Grund aller intellektuellen und Arbeitshemmungen …«
  • Lilli Gast, Um Antwort wird gebeten
  • Udo Hock, Anmerkung zur »vollen Befriedigung« (Freud)
  • Aaron Lahl, En attendant toujours …
  • Ulrike Kadi, Quittegelb – Kleine Funde zur Genese von Verboten
  • Christian Kläui, Kinder dieser Erde
  • Leon S. Brenner, »Morgen werde ich gekommen sein« – Die harte Realität der menschlichen Sexualfunktion
  • Viktor Mazin, Keine Entlastung und Befriedigung, aber jouissance
  • Camilla Croce, Jouissance des Stilllebens
  • Karl-Josef Pazzini, Trennung, Trauer, Lesenlernen
  • QRT, Extase der privaten Deprivation
  • Greg Tuck, Masturbation, Masturbationswaren und die Logik des Marktes
  • Insa Härtel, Mediale Selbst-Stimulation – Exhibierte Griffe in Schritte
  • Silvia Lippi, Die Schicksale der Masturbation
  • Einsatz, Karl-Josef Pazzini, 2023-05-06 Ukraine Gefühle Hornhaut

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