Details

Autor Lurie, Boris
Herausgeber Kaumkötter, Jürgen Joseph (Hg.)
Verlag Wallstein Verlag
Auflage/ Erscheinungsjahr 30.03.2022
Format 23 × 16.5 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 189 Seiten
Abbildungen Mit 125 farb. Abb.
Gewicht 567
ISBN 9783835351561

Zu diesem Kunstband

Eine visuelle Werkschau mit Essays zum Künstlerischen Gesamtwerk Boris Luries und Bildern der Ausstellung im Zentrum für verfolgte Künste.

Zeit seines Lebens stand die Kunst von Boris Lurie unter dem Eindruck des Verlusts seiner jüngeren Schwester, seiner Jugendliebe, seiner Mutter und Großmutter. Gemeinsam mit 27.500 anderen Jüdinnen und Juden wurden sie am 8. Dezember 1941 von den Nationalsozialisten im Kiefernwald von Rumbula bei Riga ermordet. Lurie selbst überlebte mit seinem Vater die Shoa. Beide gingen 1946 nach New York, wo sich Lurie als Künstler etablierte. Als eine Reaktion auf den Abstrakten Expressionismus und die entstehende POP-Art rief er zusammen mit Gleichgesinnten 1959 die NO!art-Bewegung aus. In diesem Anti-POP attackiert Lurie die amerikanische Konsumgesellschaft und verarbeitet seine KZ-Erfahrungen.
Das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen hat eine umfassende Werkschau zusammengestellt, von den frühen Zeichnungen der War-Series, den Fetisch-Bildern der Love-Series, bis zu den schmerzhaften Porträts der ermordeten Mutter, Schwester und Geliebten. Im Katalog hat Jürgen Kaumkötter alle gezeigten Werke arrangiert und Essays von Experten und Expertinnen versammelt, die sich mit der Wechselwirkung von Roman und bildender Kunst Luries, den Einflüssen des Naziploitation-Kinos der 1970er Jahre auf sein Werk, dem literarischen Kontext von israelischen Stalag-Groschenheften bis zu dem Buch »Die 120 Tage von Sodom« des Marquis de Sade befassen und versuchen, eine Einordnung in die sogenannte Holocaust-Kunst vorzunehmen.

Der Künstler

Boris Lurie (* 18. Juli 1924 in Leningrad, Sowjetunion; † 7. Januar 2008 in New York City) war ein US-amerikanischer bildender Künstler und Autor.

Boris Lurie wurde 1924 in Leningrad (Russland) in einer säkularen jüdischen Familie geboren. Seine Mutter war eine radikal sozialistische Zionistin und Zahnärztin, sein Vater war Kaufmann. Lurie hatte zwei ältere Schwestern, Assja und Josephina.[1] Nach dem Tod von Lenin im Jahr 1925, ein Jahr nach seiner Geburt, wurde der Betrieb von seinem Vater beschlagnahmt. Daraufhin floh zuerst seine Mutter und anschließend der Rest der Familie in die damalige Sowjetunion, um sich in Riga, Lettland niederzulassen. Bereits in jungen Jahren bemerkte eine Cousine seiner Mutter, eine Werbegrafikerin, sein künstlerisches Talent. Im Jahr 1937 schuf Lurie sein erstes Kunstwerk.1940 wurde Lettland von der Sowjetunion okkupiert.

1941 bis 1945: Vier Jahre in Konzentrationslagern

Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Riga am 1. Juli 1941 begann die systematische Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung. Der Willkür und Gewalt der deutschen Besatzer und einheimischen Kollaborateure ausgeliefert, wurde Luries Familie zur Umsiedlung in das am 21. Juli 1941 in der Moskauer Vorstadt von Riga gebildete Rigaer Ghetto gezwungen. Als dieses ab Ende November 1941 „freigemacht“ wurde, um für Juden-Deportationen aus Deutschland Platz zu gewinnen, wurde Lurie Zeuge des Massaker von Rumbula, bei dem am 30. November und am 8. Dezember 1941 rund 28.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder in dem nahen Wald von Rumbula umgebracht wurden. Unter den Ermordeten waren Luries Mutter, seine Großmutter, seine jüngere Schwester Jeanna sowie seine Mitschülerin und Jugendliebe Ljuba Treskunowa. Lurie befand sich zu diesem Zeitpunkt zusammen mit seinem Vater Ilja unter den „Arbeitsfähigen“ der Arbeitskommandos, die im so genannten „Kleinen Ghetto“ (einem separierten Teil des „Großen Ghettos“) gefangen gehalten und vorläufig (noch) verschont wurden.

Vater und Sohn überlebten den Massenmord. Beide wurden von 1941 bis 1945 von einem Konzentrationslager ins nächste verschleppt: Riga-Kaiserwald, Salaspils (auch: Lager Kurtenhof), Lenta, eine Außenstelle des KZs Riga-Kaiserwald und Werkstatt der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS (SD), in der Luxuswaren für die höheren SS-Offiziere hergestellt wurden, Stutthof, schließlich ins KZ Buchenwald (Buchenwald-Außenlager Polte-Werke).

Im April 1945 wurden Boris Lurie und sein Vater durch die Ankunft amerikanischer Truppen in Magdeburg befreit. Da er die deutsche und die englische Sprache beherrschte, arbeitete Boris Lurie für den amerikanischen Geheimdienst Counter Intelligence Corps (CIC) als Dolmetscher bei Verhören NS-Verdächtiger, danach in einem amerikanischen Kriegsgefangenenlager in Babenhausen.

Emigration in die USA und Wirken als Künstler

Am 18. Juni 1946 emigrierte Lurie zusammen mit seinem Vater in die USA nach New York.[1] Er bezog mit seinem Freund Rocco Armentosin eine Wohnung an der Columbia Street in der Lower East Side und begann als Künstler zu arbeiten. Im Jahr 1947 begann er mit seiner Kunstserie „Dismembered Women“. Im Jahr 1950 hat seine erste Einzelausstellung in der Creative Gallery und der Barbizon Plaza Galleries in New York stattgefunden.

1951 kehrte Lurie erstmalig nach Kriegsende nach Europa zurück, wo er in Paris die Künstler und Schriftsteller Louis Aragon, Francis Salles, Wols und Pierre Soulages kennenlernte. Zwischen den Jahren 1954 und 1955 verbrachte er viel Zeit in Paris und teilte ein Atelier mit dem Künstler Ed Clark.

1959 war er einer der Mitbegründer der New Yorker NO!art-Bewegung, einer Künstlerformation, die in den späten 1950er Jahren als Gegenentwurf zum Abstrakten Expressionismus und zur aufkommenden Pop-Art entstand.

Luries unästhetische, provokativ-extreme Collagen, Skulpturen und literarische Arbeiten, in denen er (vordergründig) Widersprüchliches aufeinander prallen ließ, entstanden auf dem Hintergrund der am eigenen Leib erfahrenen Grausamkeiten. In einem Brief an den Kunsthistoriker Thomas Baer Hess, den Herausgeber der Zeitschrift Art news, schrieb Boris Lurie 1962: „Die Grundlagen meiner künstlerischen Erziehung erwarb ich in KZ’s wie Buchenwald.“[2] Unbeirrt beharrlich erinnerte der Shoa-Überlebende an die Kriegsopfer und die Judenvernichtung, stellte sie in einen aktuellen Alltagskontext aus Werbung, Pornografie und Politik, paarte Bilder der NS-Gräuel, der Vergasten mit pornografischen Elementen der Konsumgesellschaft, das Entsetzen mit der Lust.

Seine Arbeiten sind zugleich Protest gegen die ihm zu seicht, zu oberflächlich, zu „entrückt“ erscheinenden vorherrschenden Kunstrichtungen, gegen den etablierten Kunstbetrieb, gegen den sich ausschließlich am Gewinn orientierenden Kunstkommerz. Kunst konnte nach Luries Verständnis nicht Flucht vor der Realität sein, durfte sich nicht entziehen, sondern hatte sich um „die Themen des wirklichen Lebens“ zu kümmern, die Schrecken der Zivilisation zu zeigen – wie Krieg und Gewalt, Unterdrückung und Kolonialismus, Rassismus und Sexismus.

Im Jahr 1975 kehrte Lurie das erste Mal seit 1944 in seine Heimat Riga zurück. Die Reise nach Riga motivierte ihn dazu, seine Memoiren „In Riga“ zu schreiben, woran er die nächsten 30 Jahre arbeitete. (Quelle: Wikipedia)

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