Details

Autor Rank, Otto [d.i. Otto Rosenfeld, (1884-1939)]
Herausgeber Bowlby, John (Hg.)
Verlag Psychosozial-Verlag
Auflage/ Erscheinungsjahr Nachdruck der Neuausg. 07.2007
Format 21 × 14,8 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 250 Seiten
Gewicht 342
Reihe Bibliothek der Psychoanalyse
ISBN 9783898067034

Zu diesem Buch

Otto Ranks "Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse" gilt mit Recht als ein Klassiker der psychoanalytischen Literatur. Dieses Werk des wohl engsten Schülers Sigmund Freuds führte in die damals ganz an der Vaterbeziehung orientierte Psychoanalyse mit der vorsprachlichen Mutterbeziehung und der Geburtserfahrung eine neue Problemebene ein. Eine solche Sichtweise war seinerzeit weit außerhalb des common sense und bedeutete einen Umsturz aller gewohnten Standpunkte. Daher wurde dem Buch und seinem Autor aus den Reihen der etablierten Psychoanalytiker massiver Widerstand entgegengesetzt, und das Werk Ranks fiel in Vergessenheit.

Erst in den letzten Jahren wird es neu entdeckt. Man erkennt, daß Rank mit der Betonung der Mutterbeziehung wesentliche Entwicklungen in der Psychoanalyse und Psychotherapie insgesamt vorweggenommen hatte. Mit der Erfassung der lebensgeschichtlichen Bedeutung der Geburtserfahrung hatte er Einsichten formuliert, die erst heute verstanden werden. Die Beobachtungen Ranks werden durch den Nachweis vorsprachlicher Gedächtnissysteme in den letzten Jahren grundlegend bestätigt. Darum kann das Buch der Behandlungspraxis neue Impulse geben. Außerdem befruchtet es die Kulturpsychologie, da es die kollektive psychische Bedeutung der menschlichen Geburtserfahrung herausarbeitet.

Aus dem Inhalt

  • Die analytische Situation
  • Die infantile Angst
  • Die sexuelle Befriedigung
  • Die neurotische Reproduktion
  • Die symbolische Anpassung
  • Die heroische Kompensation
  • Die religiöse Sublimierung
  • Die künstlerische Idealisierung
  • Die philosophische Spekulation
  • Die psychoanalytische Erkenntnis
  • Die therapeutische Wirkung.

Aus einer umfassenden Besprechung des Buches von Ludwig Janus

Essayistische Überlegungen zur Nichtrezeption des Buches „Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse“ von Otto Rank

"Einführung in das Problemfeld: Nach meiner Einschätzung ist ‚Das Trauma der Geburt’ (1924) von Otto Rank im Rahmen der Psychoanalyse das wichtigste und bedeutendste Buch nach der ‚Traumdeutung’ (1900) von Freud. Wie konnte es sein, dass es gleichzeitig eines der verkanntesten und unbekanntesten Bücher in der Psychoanalyse ist? Dabei erregte es bei seinem Erscheinen weltweit bei der intellektuellen Elite der damaligen Zeit große Aufmerksamkeit und Interesse. Auf den ersten Blick ist eigentlich deutlich, dass es, nachdem Freud die männlich-väterliche Dimension unserer Lebensgeschichte erschlossen hatte, elementar wertvoll war, in dem Buch von Rank eine Erschließung der weiblich-mütterlichen Dimension unserer Lebensgeschichte zu bekommen. Die unvermeidliche Einsicht, dass auch diese Dimension von grundsätzlicher Bedeutung ist, führte dazu, dass nach dem Tode Freuds in facettenreicher Weise und gewissermaßen von oben her einzelne Elemente dieser Dimension thematisiert wurden, aber immer noch im patriarchalen Modus einer Lehre, so dass die grundsätzliche Bedeutung der Erschließung dieser Dimension im Rahmen der Psychoanalyse immer noch der Wahrnehmung harrt.

Gerade weil dieser Verleugnungsprozess so vielfältig und gut dokumentiert ist, kann dieses Geschehen dazu dienen, die Psychodynamik der Verarbeitung neuer und den Erkenntnishorizont des Common Sense überschreitender Einsichten zu reflektieren. Die anfängliche Einordnung neuer Einsichten erfolgt immer noch im patriarchalen Modus von richtig und falsch. Dabei wird ausgeblendet, dass neue Einsichten immer auch Ausdruck einer veränderten oder erweiterten Wahrnehmung sind, die damit auch, um verstanden zu werden, eine Herausforderung für den Rezipienten sind. Eine wirklich neue Einsicht kann nur verstanden werden, wenn eine Bereitschaft besteht, sich auf einen solchen Veränderungs- oder Erweiterungsprozess der eigenen Wahrnehmung und damit auch der eigenen Identität einzulassen. Dieser Zusammenhang lässt sich am Beispiel der Geschichte der Nichtrezeption des Buches von Rank gewissermaßen beispielhaft beschreiben. Damit öffnet sich auch die Einsicht, dass es bei neuen Einsichten im psychosozialen und kulturpsychologischen Bereich um eine psychobiologische Evolution handelt und dass die Menschheitsgeschichte nur verständlich wird, wenn man sie als einen solchen psycho-biologischen Evolutionsprozess wahrnimmt. Bisher wurden kulturpsychologische Einsichten letztlich immer noch im Nachklang zu Hegels Philosophie als Manifestationen des „Weltgeistes“ behandelt und man begnügte sich deshalb mit einer sorgfältigen Deskription und damit einer statischen Beschreibung der kulturellen Erscheinungen, die gewissermaßen zeitlos wie der Weltgeist waren, weshalb wir dessen Manifestationen eben nur andächtig rezipieren brauchen. Diese Ausblendung des Bezuges zu einer konkreten Zeit und ihren Bedingungen führte zu dem in sich irrealen Paradigma „different but equal“, also alle kulturellen Erscheinungen werden als in sich absolut ‚wahr’ und ‚aus sich heraus gültig’ genommen. Die damit verbundene Verleugnung des zeitlichen und evolutionären Charakters des historischen Geschehens wurde nicht reflektiert. Dabei hatte schon Jakob Burkhardt formuliert: “Wir möchten gern die Welle verstehen, die uns trägt, aber wir sind selbst diese Welle.“ Und man könnte hinzufügen, der geschichtliche Prozess besteht aus einer Aufeinanderfolge von Wellen, die in einem inneren Bezug stehen und auseinander hervorgehen.

Um nun wieder zum Ausgangspunkt der Nichtrezeption des Buchs von Rank zurückzukehren: eine solche die zeitgeschichtliche Mentalität und den allgemeinen Common Sense verändernde Welle war die Reflexion der lebensgeschichtlichen Wurzeln unserer Befindlichkeiten in der Psychoanalyse, aber eben noch im äußeren noch ganz patriarchalen Rahmen eines Kaiserreichs. Gewissermaßen naturhaft thematisierten sich darum in den Lebensgeschichten der Patienten die diesem Rahmen zugehörigen Über-Ich- und Identitätskonflikte, mit der durch diesen Rahmen bedingten Fremdheit den eigenen ganz persönlichen Gefühlen gegenüber. Diese und ihre Auswirkungen wurden deshalb im entfremdete Modus eines triebhaften Geschehens wahrgenommen und beschrieben, aber eben, und das war das Neue, als ein persönliches Problem, an dem ich mich abarbeiten konnte und zu dem ich mich
in Beziehung setzen konnte. Das war der mentalitätsgeschichtliche und mentalitätsverändernde Impuls, der das weltweite Interesse an der Psychoanalyse hervorrief. Diese Unterminierung der das Kaiserreich konstituierenden patriarchalen Hörigkeitsstrukturen fiel mit vielfältigen gleichsinnigen kulturellen Bewegungen zusammen, etwa in der Philosophie Nietzsches, der Literatur Schnitzers u.a., der Malerei des Expressionismus u.a., und schließlich mit dem Zusammenbruch dieses patriarchalen gesellschaftlichen Rahmens in dem destruktiven Transformationsprozess des Ersten Weltkrieges, durch den dieser überkommene Rahmen seine Glaubwürdigkeit verlor. Dieser gesellschaftliche Wandel zu demokratischer Selbstbestimmung, radikalisierte und personalisierte die Bedeutung der ganz eigenen Befindlichkeit und deren Wurzeln in der eigenen Lebensgeschichte. Damit wurde eine Auseinandersetzung mit den Wurzeln in der Lebenswirklichkeit der früheren Mutterbeziehung unausweichlich, wie sie dann von Otto Rank in seinem Buch thematisiert wurde.

Damit wird auch deutlich, dass neue Einsichten eben auch eine neue Wahrnehmung von sich selbst und der Welt bedeuten, wie wir das beispielhaft an der Entwicklung des heliozentrischen Weltbildes durch Kopernikus oder die Entdeckung Amerikas von Columbus sehen können, ohne dass man das weiter zu erläutern brauchte. Aber wie es bei diesen Entdeckungen Jahrzehnte und Jahrhunderte dauerte, bis es zu einer wirklichen Mentalitätsveränderung und Mentalitätserweiterung kam, so gilt dies auch für die psychoanalytische Entdeckung der Kindheitswurzeln unserer Befindlichkeiten in der Vaterbeziehung durch Freud und eben noch radikaler für die Entdeckung der Kindheitswurzeln unserer Befindlichkeiten in der frühen Mutterbeziehung.(...)"

Der Autor

Otto Rank studierte seit 1908 Germanistik und klassische Philologie in Wien, wurde 1912 mit der Arbeit Die Lohengrinsage zum Dr. phil. promoviert und befaßte sich mit vergleichender Kulturgeschichte und Mythologie. Er war einer der engsten Vertrauten Sigmund Freuds und Förderer der Psychoanalyse. Rank wurde Sekretär der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft und war 1912-24 Mitherausgeber der internationalen Zeitschrift "Imago".

1919 gründete er in Wien den Internationalen Psychoanalytischen Verlag, den er bis 1924 leitete. Sein Hauptwerk ´Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse` (1924) führte zur Entfremdung von Freud. 1926 ging Rank nach Paris und emigrierte 1936 schließlich in die USA, wo er sich in New York als Psychotherapeut niederließ. Er begründete die Casework-Schule, die die Therapie zeitlich begrenzte. Zu R.s Werken gehören u.a. Das Inzest-Motiv in Dichtung und Sage (1912, (2)1926), Die Bedeutung der Psychoanalyse für die Geisteswissenschaften (1913, mit Hanns Sachs), Psychoanalytische Beiträge zur Mythenforschung (1919, (2)1922), Entwicklungsziele der Psychoanalyse (1924, mit Sandor Ferenczi) und Technik der Psychoanalyse (3 Bde., 1926-31)

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