Details

Autor Ludewig-Kedmi, Revital
Verlag Psychosozial-Verlag
Auflage/ Erscheinungsjahr 02.2001
Format 21 × 14,8 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 370 Seiten
Gewicht 551
Reihe Bibliothek der Psychoanalyse
ISBN 9783898061049

Zu diesem Buch

Jüdische Funktionshäftlinge waren diejenigen Opfer, die die Nazis zu ihren Mithelfern machten. Sie wurden so zu einer Zwischenschicht zwischen Opfern und Tätern. Oft symbolisieren die Kapos den Tod der Moral während der Nazizeit. Doch die Funktionshäftlinge standen vielmehr vor tragischen Moraldilemmata. Wie leben Funktionshäftlinge heute mit diesen traumatischen Erinnerungen? Konnten sie die Risse in ihrem Selbstbild reparieren, und was wissen ihre Kinder über ihre Vergangenheit?

Das Buch analysiert die Bewältigungsversuche von jüdischen Funktionshäftlingen und ihren Kinder am Beispiel von vier Familien, zeigt deren Methoden der Vergangenheitsbewältigung auf und bietet so eine wertvolle Hilfe in der Therapie von Patienten mit traumatisierenden moralischen Dilemmata.

Sollte man mit den Nazis kollaborieren, um die eigene Familie oder sich selbst zu retten? Mit diesen Fragen waren jüdische Kapos sowie Judenratsmitglieder während der Nazizeit konfrontiert. Durch ihre Kollaboration wurden diese zwei Gruppen der Funktionshäftlinge zu einer Zwischenschicht zwischen den Tätern und Opfern. So mussten die Judenräte z. B. die Deportationslisten für die Nazis erstellen und die Kapos waren der SS direkt unterstellt. Für viele Überlebende verkörpern sie die Verwirklichung des absoluten Bösen: "Sie waren schlimmer als die Deutschen", bemerkt ein Teil von ihnen.

Was ist Mythos und was Wirklichkeit am Bild der Kapos? Die israelische Psychologin Revital Ludewig-Kedmi analysiert hier die Biografien von vier Familien. Die Autorin schildert die damaligen Konflikte und heutigen Bewältigungsversuche der Funktionshäftlinge und zeigt, inwieweit die Kapos und Judenräte nicht nur privilegierte Häftlinge waren, sondern auch doppelt missbrauchte Opfer. Die Judenratsmitglieder schrieben die Deportationslisten nicht aus böser Absicht, sondern um sich und die eigene Familie - wenn auch nur vorläufig - vor den Deportationen schützen zu können. Solche durch den Zwangskontext des NS-Systems entstandenen moralischen Dilemmata können nicht logisch rational gelöst, sondern nur emotional verarbeitet werden. In den Bemühungen der Funktionshäftlinge, sich wieder als moralisch zu erleben, kommt es zu psychischen Reaktionen, die vom Selbstmordversuch bis zur totalen Verdrängung reichen. Dabei sieht sich ein Teil der ehemaligen Funktionshäftlinge als passive Opfer, während sich andere als aktive Helden rekonstruieren.

Dies ist ein interdisziplinäres Buch, das eine tief gehende psychologische, historische und philosophische Analyse dieses bisher weitgehend unerforschten Themas bietet. Es zeigt, dass jüdische Funktionshäftlinge während der Ghetto- und Lagerhaft auch in den schwierigsten Situationen danach strebten, ihren moralischen Werten treu zu bleiben. Doch dies war nicht möglich, und die tiefen Risse im moralischen Selbstbild führten zum Teil bis zum psychischen Zusammenbruch. Diese psychologische Analyse hat wichtige Implikationen für die Therapie mit traumatischen Moraldilemmata.

Über die Autorin

Dr. phil. Revital Ludewig-Kedmi, geboren in Israel, Diplompsychologin und Familientherapeutin. Langjährige Forschungsarbeit über Bewältigungsstrategien von Holocaust-Überlebenden in Israel, Deutschland und der Schweiz. Mitarbeiterin/ Mitgründerin von Tamach, der psychosozialen Beratungsstelle für Holocaust-Überlebende und ihre Angehörigen in der Schweiz. Ausbildungstätigkeit über "die therapeutische Arbeit mit Opfer- und Täterfamilien". Weiterbildungsseminare u. a. in den Gedenkstätten Bergen-Belsen und Buchenwald.

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