Details

Autor Weinrich, Harald
Verlag C.H.Beck
Auflage/ Erscheinungsjahr 15.02.2008
Format 19 × 12,4 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 272 Seiten
Gewicht 265
ISBN 9783406568251

Zu diesem Buch

Es ist paradox. Die Menschen leben immer länger, und die Zeit wird ihnen immer knapper. Welcher Geist oder Ungeist treibt sie zu solcher Knappheit? Auf diese Frage gibt das neue Buch von Harald Weinrich eine Vielzahl von unterschiedlichen Antworten: aus der Mythologie (Die Zeit frißt ihre Kinder) und der Geschichte (Caesarische Kürze), aus der Philosophie (Seneca: Das Menschenleben ist "lang genug") und der Theologie (Jesus: "Nur noch eine kleine Weile"), aus der Medizin (Hippokrates: "Kurz ist das Leben, lang die Kunst") und der Moralistik (Jean Paul: "Für das Begreifen ist keine Kürze zu kurz"), aus der Ökonomie (Benjamin Franklin: "Zeit ist Geld") und der Politik (Sultan Saladin: "Lass uns zur Sache kommen!"), aus der Literatur (Goethe/Faust "Werd ich zum Augenblicke sagen") und schließlich aus einem erfolgreichen Film (Lola rennt). Am strengsten verknappt ist die Zeit in Gestalt der Frist. Deren vielfach sperrige Erscheinungsformen im Alltag (Terminkalender) ebenso wie im Rechtswesen (Fristenlösung) und in der Verwaltung ("frist- und ordnungsgemäß") werden in einem zentralen Kapitel kritisch analysiert, in einem weiteren Kapitel an vierzehn literarischen Exempeln mit knappen und nicht immer tief ernsthaften Worten zur Betrachtung ausgebreitet. Wie knapp auch immer die Zeit des Lesers bemessen sein mag, für Harald Weinrichs brillante Kulturgeschichte des befristeten Lebens sollte er sich - zu seinem eigenen Vergnügen - genügend Zeit lassen.

Aus der Einführung des Autors

"Die Zeit ist knapp. Das Geld ist knapp. Arbeitsplätze sind knapp. Die fossilen Brennstoffe sind knapp. Bald wird auch das Wasser knapp werden. Wir möchten besitzen, was wir nicht haben, und werden es nicht bekommen: es ist knapp. Fast alles, was gut und schön ist, wird oder ist knapp. Was heißt eigentlich genau «knapp»? Ähnlich wie die beiden anderen K-Wörter «klein» und «kurz», ist das Adjektiv «knapp» in der deutschen Sprache seiner Bedeutung nach ein Karenzwort, also ein Wort, das einen Mangel bezeichnet. Dieser Mangel besteht bei den Adjektiven «klein» und «kurz» gegenüber ihren Gegensätzen «groß» und «lang». Es handelt sich hier um konträre Gegensätze, bei denen die Skala der betreffenden Maße voll ausgeschöpft wird, von einem Ende zum andern. Bei «knapp» hingegen ist ein eindeutiger konträrer Gegensatz nicht zu ermitteln. Man schwankt zwischen «üppig», «reichlich» und «übermäßig». In den meisten Fällen begnügt sich das Adjektiv «knapp» mit dem kontradiktorischen Gegensatz, der nur bis zu dem mittleren Maß «genug» reicht, so daß man nicht bis ans äußerste andere Ende der Skala gelangt, sondern nur bis dahin, wo die Knappheit aufhört, aber das Übermaß noch nicht anfängt. So sagt man etwa, wenn ein bestimmtes Gut nicht knapp ist: Ich habe Zeit genug. Arbeit habe ich genug. Wenn man von allem genügend hat, hat man eigentlich genug. (....)"

Inhalt

Erstes Kapitel
Zur Einführung: Die Zeit ist knapp

Zweites Kapitel
Kurz ist das Leben, lang ist die Kunst

  1. Ein geflügelter Aphorismus und die Bewegung der Zeit (Hippokrates, Aristoteles, Theophrast)
  2. Philosophisches zur Kürze des Lebens (Seneca)
  3. Hauswirtschaft und Zeitwirtschaft (Leon Battista Alberti)
  4. Zeiterziehung in London und Paris (Chesterfield, Rilke)

Drittes Kapitel
Hälften des Lebens

  1. Auf halbem Lebenswege (Dante, Petrarca, Hölderlin)
  2. Verjüngung in Rom – durch Rom (Goethe)
  3. Die ärztliche Kunst, das Leben zu verlängern (Hufeland)
  4. Ein langes Leben mit Faust (Goethe)
  5. Neue Kunst und ein anderes Leben (Vittorio Alfieri, Schiller)
  6. Magie und Moden der Lebenszeit (Balzac)
  7. Jeder Tag sei ein Sonett (Oscar Wilde)
  8. Frühvollendet oder gesegneten Alters (Chatterton, Keats, Benn, Platen, Th. Mann)
  9. Kündbare, unkündbare Zeit (Ingeborg Bachmann)

Viertes Kapitel
Knappe Zeit im Diesseits und Jenseits

  1. Nur noch eine kleine Weile (Jesus, Paulus)
  2. Kostbar ist die Zeit im Jenseits (Dante)
  3. Mehr Zeit für eine Neue Welt (Benjamin Franklin)
  4. Ein Purgatorium im Diesseits (Max Weber)
  5. Revolutionäre Geschichtszeiten, knapp berechnet (Heine, Marx)

Fünftes Kapitel
Kurze und kürzeste Zeiten

  1. Zwei Gottheiten der Zeit: Chronos und Kairos (Mythologie, Klassik)
  2. Sterne und Stunden (Schiller, Stefan Zweig)
  3. Zwischen Austerlitz und Waterloo (Emile Zola)

Sechstes Kapitel
Ökonomie der knappen Zeit

  1. Freundschaft auf drei Tage: Gastfreundschaft (Homer, Knigge)
  2. Klassik als Ökonomie der Zeit (von Plutarch bis André Gide)
  3. Schneller leben, kürzer reden (Jean Paul, Mme de Staël)

Siebtes Kapitel
Das Drama der knappen Zeit

  1. Lang ist das Epos, kurz das Drama (Aristoteles)
  2. Wie lang sind 24 Stunden? (Corneille)
  3. Die Zeit, die aus den Fugen ist (Shakespeare: Hamlet)
  4. Saladin lernt, sich Zeit zu nehmen (Lessing: Nathan der Weise)
  5. Die Zeit und das Werk (Proust)

Achtes Kapitel
Endlichkeit – Unendlichkeit

  1. Neugierde – Wißbegierde – Wissenschaft (von Aristoteles bis Leibniz)
  2. Ein Nichts an Zeit für die Ewigkeit (Pascal, Emily Dickinson)
  3. Zu wenig Zeit für zu viel Welt (Blumenberg)
  4. Knappheitserfahrungen, anthropologisch (Odo Marquard)

Neuntes Kapitel
Mit Fristen und Terminen leben

  1. Uhren, Kalender, Terminkalender (Uhrmacher, Kalendermacher)
  2. Fristen im Alltag (Tutti, con moto)
  3. Fristen im Recht, mit einem kurzen Blick auf die «Fristenlösung» (Zivilrecht, Strafrecht, Arbeitsrecht)
  4. «… aber vorläufig noch nicht» (Heidegger, Marquard)

Zehntes Kapitel
Kurze Geschichten von knappen Fristen

  1. Aus Todesfristen knapp gerettet (Tausendundeine Nacht, Shakespeare: Der Kaufmann von Venedig)
  2. Eine Ballade der Freundschaft mit Fristen und Listen (Schiller, Die Bürgschaft)
  3. Ein Teufelspakt mit knappen Fristen (Chamisso)
  4. Fristenfalle, Fristenfron (Flaubert, Maupassant)
  5. Ehrenfristen, preußisch (Theodor Fontane)
  6. Ehrenfristen, k. u. k. österreichisch (Arthur Schnitzler)
  7. Knappe Zeit für Menschlichkeit (García Márquez: Chronik eines angekündigten Todes) 8. Fünfzehn Minuten Aufschub für den Tod (Blaise Cendrars)
  8. Jedermanns letzte Gnadenfrist (Hugo von Hofmannsthal)
  9. Kurzes Nachspiel in der Unfallklinik (Tabucchi)
  10. Um die Wette um die Welt (Jules Verne: Reise um die Welt in 80 Tagen)
  11. Knappe Zeit, komisch (Camoletti: Boeing-Boeing)
  12. Zwanzig Minuten Frist und Lola rennt (Tom Tykwer: Lola rennt)

Elftes Kapitel
Epilog zum Sinn der Zeit

Anhang / Anmerkungen / Bibliographische Nachweise / Namenregister / Sachregister

Pressestimmen

"Wie Weinrich die Literaturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart durchstreift, wie er in knappen Sätzen Philosophie- und sogar Uhrengeschichte treibt, gestützt durch sprachwissenschaftliche Fundamente, kurz: wie er eine allgemeine Kulturgeschichte des befristeten Lebens verfasst - das ist fabelhaft gemacht."- Tom Heithoff, Der Tagesspiegel

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