Details

Autor Hartmann, Lukas
Verlag Diogenes
Auflage/ Erscheinungsjahr 28.09.2022
Format 18.4 × 11.6 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Hardcover
Seiten/ Spieldauer 288 Seiten
Gewicht 318
ISBN 9783257072051

Zu diesem Roman

Sabina kommt aus Russland nach Zürich, um sich in der psychiatrischen Klinik von Dr. C.G. Jung behandeln zu lassen. Und wird seine Geliebte. Fritz, der Sohn eines Schreiners, träumt von einer besseren Gesellschaft, bringt die Schweiz an den Rand einer Revolution und rettet Lenin in Russland das Leben. Beide sind sie mutig, widersprüchlich, zerrissen, betreten unaufhörlich Neuland. Ihre Schicksale kreuzen, spiegeln sich – und verlieren sich im Dunkel der europäischen Geschichte.

Textprobe

"Wo war sie denn? Sie wusste es nicht genau. Die Eltern hatten Sabina zu dieser langen Reise genötigt, vor allem die überbesorgte Mutter, der Vater schwieg und wich Sabinas Blicken aus. Er hatte ein schlechtes Gewissen, und das geschah ihm recht. Sie war ja kein Kind mehr, sie war eine junge Frau. Man durfte sie nicht so brutal behandeln, nie hätte er sie, als sie jünger war, im Beisein der Brüder mit Rutenhieben auf den nackten Hintern bestrafen dürfen. Sie musste sich danach vor ihnen verbergen, sich irgendwo in ihr drin verkriechen, und wenn man sie herauslocken wollte, wehrte sie sich mit aller Kraft, sie schrie, schlug um sich, egal, ob eine Berührung sanft war oder grob. Man brachte sie schon in Rostow zu Ärzten, schob sie in weiß gestrichene Räume hinein, sie hörte die Mutter weinen, den Vater schwer atmen. Man legte sie auf eine Couch, es waren mehrere Hände an ihr, sie stieß sie weg, man band sie fest, Gesichter über ihr, die sie nicht kannte und verscheuchen wollte, sie lachte alle aus, mit Absicht schrill und theatralisch, und das galt als Krankheitssymptom, ausgerechnet bei ihr, die Ärztin werden wollte, sie hatte doch schon, zum Entsetzen der Mutter, kranke Puppen aufgeschnitten und wieder zusammengenäht. Dann wurde der Familie von Verwandten geraten wegzufahren, weit weg, dorthin, wo das medizinische Niveau höher war als in Russland, in eine Schweizer Klinik, in der man sich auch um das Seelische kümmere, sagte die Mutter, die ja selbst Zahnärztin war. Sabina sprach fließend Deutsch, aber der Ort, zu dem sie nun in der Mietkutsche fuhren, hieß Burghölzli, das Wort verstand sie nicht, und weil ihr der Klang so drollig erschien, fügte sie sich und ließ sich in das abweisend wirkende Gebäude hineinbegleiten. »Ich werde nichts schlucken, nichts trinken«, sagte sie sehr laut, »und ich will keine Spritze.«

Stimmen zu diesem Roman

»Lukas Hartmann ist so etwas wie ein Archäologe unter den großen zeitgenössischen Schweizer Autoren. Für seine Romane vergräbt er sich in der Vergangenheit und fördert Spannendes zutage.«

Oliver Berger in: Schweiz am Sonntag

»Lukas Hartmann entfaltet eine große poetische Kraft, voller Sensibilität und beredter Stille.«

Neue Zürcher Zeitung - NZZ

»Lukas Hartmann ist einmal mehr eine eindrückliche Synthese gelungen zwischen dichterischer Fantasie und Einfühlung einerseits und der akribischen Auswertung reicher Quellen und Chronistentätigkeit andererseits.«

Alexander Sury im: Tages-Anzeiger

Der Autor

Lukas Hartmann, geboren 1944 in Bern, studierte Germanistik und Psychologie. Er war Lehrer, Journalist und Medienberater. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Bern und schreibt Bücher für Erwachsene und für Kinder. Er ist einer der bekanntesten zeitgenössischen Autoren der Schweiz.

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