Details

Herausgeber Wild, Barbara (Hg.)
Verlag Schattauer
Auflage/ Erscheinungsjahr 2., überarb. u. erw. Aufl. 2016, 368 Seiten; 01.01.2018
Format 25,6 × 16,9 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Hardcover
Seiten/ Spieldauer 384 Seiten
Abbildungen mit 48 Abb. und 8 Tabellen
Gewicht 922
ISBN 9783608430615

»Der Humor hat nicht nur etwas Befreiendes wie der Witz und die Komik, sondern auch etwas Großartiges und Erhebendes, welche Züge an den beiden anderen Arten des Lustgewinns aus intellektueller Tätigkeit nicht gefunden werden.« Sigmund Freud

Zu diesem Buch

Was wäre ein Leben so ganz ohne Lachen, Witz, Humor? Keine Frage: reichlich öde wäre es und eigentlich schier unvorstellbar. Wenn Lachen also geradezu ein Lebenselexier ist, sollte sich da nicht unbedingt auch die Frage nach der Bedeutung von Lachen und Humor in und für eine Psychotherapie stellen: Welchen Platz kannf /sollte sie bei Therapien einnehmen, wie können Psychotherapeuten mit dem Lachen, dem Humor in der therapeutischen Situation umgehen, ohne unprofessionell oder gar distanzlos zu erscheinen?

Diese und andere Fragen im Buch namhafte Autorinnen und Autoren aus den unterschiedlichsten Blickrichtungen: aus der Sicht von Tiefenpsychologie, VT, Hypno- und Kunsttherapie und aus neurobiologischer Perspektive. Wie Humor und Lachen zu befördern sind, was ein witziger Geist als Charaktermerkmal bedeutet, wie Ironie funktioniert, ob psychische Erkrankungen den Humor beeinträchtigen oder ob es Unterschiede im Humor bei Kindern und alten Menschen gibt, sind weitere Themen des Buches.

Dem Psychotherapeuten möchter der Reader Anregungen für die praktische Arbeit geben: Wie lassen sich therapeutische Einsichten mit Humor vermitteln? Was bedeutet es, wenn Patienten Witze machen? Wann geht man mit Witzen den Problemen aus dem Weg und wann ist befreiendes Lachen angezeigt?

»Die menschliche Fähigkeit zum Sinn für Humor, zur Freude am Hören und Erzählen von Witzen, an der Entdeckung der komischen Aspekte einer Situation und daran, Lächeln und Lachen zu genießen, stellt eine Krönung des menschlichen Geistes mit der Bejahung der Lebensfreude und der zwischenmenschlichen Beziehungen dar. Natürlich kann diese Fähigkeit, wie alle menschlichen Fähigkeiten, durch Aggression unterwandert oder in ihren Dienst gestellt werden. Wie Freud verdeutlichte, sind Witze und Humor ein einzigartiger Weg des Bewusstseins, die üblichen Verdrängungsmechanismen gegenüber sexuellen und aggressiven Impulsen zu umgehen. Fehlleistungen sind unbeabsichtigte Durchbrüche des Verdrängten im wachen Zustand, Träume ein unbewusster Ausdruck von unterdrückten Wünschen und Befürchtungen, Verlangen und Schuld. Witze und Humor dagegen sind bewusste, kreative Wege, das Individuum plötzlich von psychologischen Hemmungen, Unterdrückung und Verdrängung tieferer sexueller, aggressiver und abhängiger Impulse zu befreien.

Freud hat die Mechanismen der Verdichtung, Verschiebung, Verkehrung in das Gegenteil und Symbolisation als primäre Abwehrmechanismen beschrieben, die in Witzen aktiv sind, außerdem den Durchbruch unbewusster Wünsche und die Ich-stärkende Funktion des Sinns für Humor gegenüber dem Über-Ich. Aber viele Fragen blieben offen: In welchem Zusammenhang steht die Fähigkeit der Freude an Witzen und Humor mit normalen und anormalen seelischen Funktionszuständen und verschiedenen Psychopathologien? Wenn man den Wert von Humor und Lachen, der Freude an Witzen und ihrer Kommunikation in positiven Begegnungen voraussetzt, wie steht es dann mit ihrem therapeutischen Einsatz? Und im Hinblick auf die moderne neurobiologische Forschung: Was sind die korrespondierenden Hirnsubstrate, die eine Aktivierung der spezifischen psychologischen Funktionen von Humor und Lachen erlauben?

Das vorliegende Buch beschäftigt sich wesentlich mit diesen Fragen, bietet wichtige Antworten und schafft neue Herausforderungen für unsere Wissenssuche in diesem Gebiet. Es bietet einen originellen, erfrischenden, Gedanken anregenden Zugang zu unserem Verständnis von Humor, Lachen und der Komik und ist darüber hinaus illustriert mit herrlichen Witzen!

Freuds Grundannahme, dass Witze unterdrückte ödipale Konflikte, sadistische und autoaggressive Tendenzen, narzisstische Selbstbestätigung und polymorphe infantile Sexualität ausdrücken, ist hier genauso dokumentiert wie die grundsätzlich soziale Dimension von Witzen, nämlich eine subtile Rebellion gegen konventionelle Sitten und soziale Scheinheiligkeit.

Es ist nicht erstaunlich, dass die in diesem Buch dargestellten fMRT-Studien zeigen, dass komplexe neurobiologische Systeme durch Witze und Humor aktiviert werden: limbisch-präfrontale corticale Verbindungen im Zusammenhang mit positiven und negativen Affekten, parietale und temporale corticale Netzwerke bei der Erfassung des sozialen Kontextes einer Interaktion, selbstreflexive Funktionen der insularen, parietalen, präfrontalen und orbitofrontalen Areale usw. Die sozialpsychologische Forschung bestätigt die im Wesentlichen interpersonale und soziokulturelle Matrix, in der die offensichtlich anpassungsfähige (und unterschwellig subversive) Natur von Witzen agiert.
Und Witze und Humor sind in der Tat hochintellektuelle Beschäftigungen. Sie können durch schwere kognitive Defekte und durch den dramatischen Verlust der Fähigkeit beschädigt werden, subtile Aspekte der normalen menschlichen Wirklichkeit zu begreifen, wie man es bei Schizophrenie und Autismus findet. Dass der Sinn für Humor und die Erheiterung durch Witze bei schweren Depressionen verloren gehen, mag mit dem „hypertrophen" Über-Ich der Betroffenen zusammenhängen, das den impliziten Triumph des rationalen Ichs über infantile Über-Ich-Vorschriften verhindert, wie man es bei einer normalen humorvollen Haltung findet.

Der Einsatz von Witzen und Humor im psychotherapeutischen Prozess wird in diesem Buch ebenfalls dargestellt, sowohl im Rahmen des verhaltenstherapeutischen wie auch des psychodynamischen Zugangs. Auch ohne Verzicht auf die technische Neutralität können Deutungen in der psychodynamischen Psychotherapie humorvoll formuliert werden, freier noch und mit direkt konfrontativen und unterstützenden Funktionen im Rahmen der Verhaltenstherapie. Die Provokative Therapie stellt dann im Spektrum der Verhaltenstherapie einen extremen (und humorvollen) Zugang dar.
Durch die vielen Witze, die das klinische Material illustrieren und bereichern, kann der Leser die grundlegende Bedeutung von Humor und Lachen, Witzen und des Komischen für die menschliche Erfahrung spüren: eine selbstreflexive Befreiung, eine Behauptung der Autonomie und des Rechts des Individuums, die Konventionen unserer sozialen und kulturellen Welt infrage zu stellen und den Gefahren und Befürchtungen der Kindheit und Erwachsenenrealität entgegenzutreten. Um diesen Punkt zu illustrieren, ein weiterer Witz: Der kleine Jonny wacht in der Nacht auf und muss Pipi machen. Um zur Toilette zu kommen, muss er durch das Schlafzimmer seiner Eltern laufen, wo seine Eltern gerade bei einem leidenschaftlichen Verkehr in 69-Stellung beschäftigt sind. Der kleine Jonny schaut kurz zu, geht weiter zum Badezimmer und meint kopfschüttelnd zu sich selbst: „Und mich schleppen sie zum Therapeuten, bloß weil ich am Daumen lutsche!"«

Aus dem Vorwort von Otto F. Kernberg)

Aus dem Inhalt

  1. Wilibald Ruch: Humor und Charakter
  2. Barbara Wild: Humor im Hirn oder: Wo ist denn das Humorzentrum?
  3. Barbara Wild: Humor, Gesundheit und psychische Erkrankungen - ein Beipackzettel
  4. Alexander Rapp und Dorothee Mutschler: Isn´t it ironic? Wie wir Ironie (miss)verstehen
  5. Reinhart Lempp: Psychotherapie mit Humor bei Kindern und Jugendlichen
  6. Beat Hänni: Humor mit betagten Menschen - ein Praxisbeispiel
  7. Verena Kast: Humor in der tiefenpsychologischen Psychotherapie
  8. Josef Shaked: Der Witz in der analytischen Gruppenarbeit
  9. Ulrich Sachsse: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Galgenhumor in der Behandlung von Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen
  10. G. und S. Buchkremer: Humor in der Verhaltenstherapie
  11. Doris Titze: Überzeichnung - Humor in der Kunsttherapie
  12. E. Noni Höfner: "Es ist nicht immer Humor, wenn man trotzdem lacht" - der provokative Ansatz in der Therapie
  13. Peter Hain: Entlassung auf Bewährung. Hypnosystemisches Arbeiten mit humorvollen inneren Bildern
  14. Paul E. McGhee: Humor als Copingstrategie. Das 7-Humor-Habits-Trainingspgrogramm (7HHP)
  15. Irina Falkenberg: Humortraining mit psychiatrischen Patienten
  16. Rolf D. Hirsch: Humor in der Behandlung von kranken alten Menschen
  17. Michael Titze: Wie therapeutisch sind Lachgruppen?
  18. Christel Ruckgaber: Das Glück des Stolperns. Professionelle Clowns und Humor in Kinderkliniken und Pflegeheimen
  19. Christoph Müller: Humor in der psychiatrischen Pflege
  20. Florian Laudest und Barbara Wild: Humor aus Sicht eines Patienten - ein Gespräch
  21. Eckart von Hirschhausen: Humor hilft heilen: Leicht ist schwer - Ein paar Grundideen

Über die Herausgeberin

Barbara Wild, Prof. Dr. med., Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Leiterin der Arbeitsgruppe „Kognitive Neuropsychiatrie“ an der Psychiatrischen Universitätsklinik Tübingen, 2003 bis 2015 niedergelassen in eigener Praxis, 2005 Organisatorin der „5th International Summer School on Humour and Laughter” in Tübingen, 2011 Leitung des Symposiums „Humor und Psyche” im Rahmen der 2. Tübinger Humortage, Mitglied der „International Society for Humor Studies“, seit 2014 Chefärztin der Fliedner Klinik Stuttgart.

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