Details

Autor von Sydow, Eckart
Verlag Sibyllen-Verlag, Dresden
Auflage/ Erscheinungsjahr 1921, EA
Format 21,5 × 14,5 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung OHlwd. mit geprägtem Rückentitel
Seiten/ Spieldauer 325 Seiten
SFB Artikelnummer (SFB_ID) SFB-004357_AQ

Charles Baudelaire gewidmet

Zu dieser Ausgabe

Die kulturwissenschaftlichen und ethnologischen Arbeiten des Autors standen auf der "Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums" der Nationalsozialisten, waren verboten und wurden 1933 bei den unsäglichen Inszenierungen der Nationalsozialisten und mit eifriger Unterstützung ihrer Studentenorganisationen verbrannt.

Inhalt

Einleitung: Die Dekadenz als geschichtliche Epoche und als Wesensfunktion

Erster Teil: Die Dekadenz im metaphysischen Bewusstsein

  • Das Wesentliche
    Der Welt-Schmerz
    Das dekadente Welterlebnis und der Abgrund
    Die Scheu vor dem Leben
    Das Gefühl der Sinnlosigkeit des Daseins
  • Gegensätzlichkeiten
    Die Sehnsucht nach Betäubung
    Der dekadente Kult des Heros und des Dandy
    Der dekadente Lebensdurst
    Der dekadente Hochmut
    Der Frohsinn des Dekadenten
  • Ausstrahlungen im Subjektiven
    Die Reue
    Die Lust am eigenen Schmerz
    Die Blasiertheit
    Die Langeweile
    Die Übersättigung
    Das Grauen
  • Ausstrahlungen im Objektiven
    Das dekadente Naturgefühl
    Die dekadente Metaphysik
    Das dekadente Zeiterlebnis
    Die dekadente Geschichts-Philosophie
  • Der individuelle Ursprung des Welt-Schmerzes

Zweiter Teil: Die Dekadenz im Sozial-Leben

  • Das soziale Fremdheitsgefühl
  • Neigung zur Mystifikation
  • Die dekadente Mitleidigkeit
  • Die dekadente Schadenfreude
  • Dekadenz im Staatsleben
  • Der Heimatlose
  • Dekadenz im Familienleben
  • Der dekadente Lebemann
  • Dekadenz der Geselligkeit
    Das Kaffeehaus
    Dekadente Freunschaftslosigkeit
    Dekadente Schüchternheit
  • Berufslosigkeit
  • Bohemien und Weltenbummler
  • Verarmung

Dritter Teil: Die Darstellung der Dekadenz in der Kunst

  • Allgemeine ästhetische Reflexionen
  • Dekadentes Kunstgewerbe
  • Dekadente Architektur
  • Dekadente Musik
  • Dekadente Malerei
  • Dekadente Plastik
  • Mimischer Ausdruck der Dekadenz
  • Dekadente Romankunst 
  • Das dekadente Drama
  • Dekadente Lyrik

Schlußkapitel

  • Das Verführerische der Dekadenz
  • Die Dekadenz als kulturelles Mittel

Zusätze

  • Hamlet
  • Th. Gautiers „Madmoiselle de Maupin“
  • Reuelosigkeit der eigentlichen Verbrechernaturen
  • Die Stellung Baudelaires zum Problem der Dekadenz
  • Hermann Bangs „Die Vaterlandlosen“
  • Huysmans´ Roman „A Rebours“
  • E. Tardieus „L´Ennui“

Aus der Einleitung

Dies Buch ist Abschied und Vorwegnahme, Verurteilung und Preislied in Einem. Mitten in den Trümmern des zusammengebrochenen Alten stehend, müssen wir mit aller Kraft des neuen Aufbaues unserer Welt eingedenk sein. Aber indem wir alles Alte forträumen wollen, erblicken wir da und dort Dinge, mit denen unser Wesen und Werden so eng verbunden war, daß wir sie nicht wegzuschleudern wagen in Kehricht und Müll. Wir heben sie langsam in Augenhöhe, und unser Blick trübt sich von innen. Und doch drängt Welt und eigene Lebendigkeit zu ihrer Vernichtung — bei Gefahr des gegenwärtigen Lebens, das immer stärker zum Primitiven hin will. Wir können nicht widerstehen, die innere Gewalt der geistigen Weltbewegung ist so allmächtig, daß unsere Augen längst anderen Dingen zugewandt sind, wenn auch unser Herz noch Altes überdenkt, Altes übertränt.

Die junge Generation, in deren frühe Reifezeit der widerlichste aller Kriege fiel, hat nicht ein so schweres Schicksal von innen und außen her; sie weiß, was not tut: primitive Größe, brüderliche Mystik, unmittelbare Metaphysik. Baumeisterliche Gesinnung, aus welcher der deutsche Idealismus seine schöpferische Kraft zog, ist nach drei Generationen in Deutschland wieder mächtig geworden, will wieder Säulen aus Granit den festen Bau der Geistigkeit tragen sehen. Satt haben wir es: das ewige Gerede vom Flusse des Daseins, der alles unsicher hin und her schwanken mache; wir wollen ihm wieder Dämme entgegenstellen, damit er dorthin ströme, wo er unseren Absichten dient. Wir wollen uns nicht mehr treiben lassen, sondern schöpferisch tätig sein: voll von wiedererwachtem Verantwortlichkeitsgefühl und voll Sehnsucht zu absolutem Glück. Nach der traurigen Ebbe der letzten Jahrzehnte hebt sich die Kraft, so im Göttlichen mächtig ist, zu neu heranströmender Flut.

Die Älteren aber sind unter der Schneide des Schwertes, wandeln auf dem schmalen Grenzpfad zwischen Heute-Morgen und Ehedem. Zu ihren engsten Erinnerungen gehört freilich nicht das, dessen negative Schattenseite die so, genannte Dekadenz ist: die bürgerliche Kultur der kleinen Gebärde und der profitablen Lebenskunst. Bürgerlichkeit: das heißt uns im innersten Kern: Mangel an metaphysischem Tiefen-Sinn, Verhaftet-Sein dem Irdischen des allerengsten Kreises, dessen Peripherie rotiert, unablässig rotiert um den einen saugenden Mittelpunkt: die Rentabilitätsberechnung. Nein, dies ist's wahrlich nicht, was wir beklagen, so wir traurig in den Zusammenbruch des Überkommenen blicken. Unsere Augen suchen im kleinherzigen Gewimmel jener Zeit gewisse Gestalten, deren Wuchs sich abhub von dem der anderen: Menschen mit durchgeistigten Zügen und etwas vornübergebeugter Haltung, die an schwere innere Lasten denken ließ. Sie waren keine Schutzhüter der bürgerlichen Gemeinschaften. Einsam standen sie mit Vorliebe am Rande der planetarischen Drehscheibe des bürgerlichen Geistes: Schildwachen, dem Chaotischen, Jenseitigen zugewendet, lebende Grenzpfahle zwischen Drinnen und Draußen — oft auch nur lebendige Fragezeichen. Diese Menschen allein sind es, die wir beklagend in den Sturz der bürgerlichen Gesellschaft gerissen, mitgerissen sehen; wird ihre Kultur wiederkommen? fragen wir leise und zweifelnd. Sie hingen eben doch ganz eng zusammen mit dem Geiste der Bourgeois — wenn man von ihm reden darf. Denn allein diese festgewordene Gesellschaftsschichtung ermöglichte ihnen das ruhige Hinabsehen in den Abgrund, den sie u sich und in sich füllten; jede lebensgefährdende Drohung von außerhalb hatte sie anderen Dingen, die inner, halb der menschlichen Gemeinschaftlichkeit lagen, zwang, voll zugewendet — ihr Bewußtsein vom Negativen unendlich geschwächt.

Zum Erhaltungszustand

Im Fachantiquariat der SFB ist diese Kulturkritik als ein wohlerhaltenes Exemplar der seltenen Erstausgabe verfügbar; im Inneren frisch und ohne Anstreichungen, Anmerkungen o. ä.; der Einband in einem für sein Alter besonders guten Erhaltung und mit entsprechend nur leichten Gebrauchsspuren.

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