Details
Autor | Duerr, Hans Peter |
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Verlag | Suhrkamp |
Auflage/ Erscheinungsjahr | 2021 |
Format | 17,8 × 10,6 cm |
Einbandart/ Medium/ Ausstattung | Paperback |
Seiten/ Spieldauer | 516 / 626 / 742 / 582 / 1020 Seiten |
SFB Artikelnummer (SFB_ID) | SFB-003408_WE |
Das grundlegende Werk Duerrs bei der SFB mit allen 5 Bänden als Broschurausgabe und als Paketangebot zum gebundenen Ladenpreis. - Die Teilände können auch einzeln bestellt werden.
Zu dieser Ausgabe
Mit seinem fünfbändigen Zyklus Der Mythos vom Zivilisationsprozeß [Bd 1, Nacktheit und Scham (1988), Bd. 2, Intimität (1990), Bd. 3, Obszönität und Gewalt, (1993), Bd. 4, Der erotische Leib, (1997), Bd. 5, Tatsachen des Lebens, (2002)], löste Hans Peter Duerr in den Kultur- und Sozialwissenschaften eine zum Teil erbittert geführte Kontroverse aus, an der sich aufgrund des fächerübergreifenden Ansatzes Vertreter der verschiedensten Disziplinen, vor allem Historiker, Ethnologen, Philosophen und Sozialwissenschaftler, beteiligten.
Im Gesamtprojekt argumentiert Hans Peter Duerr gegen die bisher dominierende Zivilisationstheorie, indem er zu zeigen versucht, daß von einer allgemeinen Evolution der Gesittung hin zu stärkerer und gleichmäßigerer Triebkontrolle und „Affektmodellierung“ sowie von einer sukzessiven Umformung von Fremd- in Eigenzwänge während der letzten Jahrtausende nicht die Rede sein kann. Im u. a. hier angebotenen dritten Band, ›Obszönität und Gewalt‹, wendet sich Hans Peter Duerr gegen die Behauptung, noch die Frühe Neuzeit habe einen Persönlichkeitstypus hervorgebracht, der im Gegensatz zum heutigen zu einer „hemmungsloseren Sättigung von Lust an Frauen oder auch von Haß in der Zerstörung und Qual alles dessen, was Feind ist“ (Elias) bereit gewesen sei, während wir Heutigen selbst als Krieger oder Verbrecher von umfassenderen internalisierten Regeln und Verboten eingeengt und gebändigt seien. Im Vergleich zu einst seien wir so „zivilisiert und verfeinert“, daß die typischen vormodernen Grausamkeiten „nur noch im Traum oder in einzelnen Ausbrüchen, die wir als Krankheitserscheinungen verbuchen“, aufträten.
Demgegenüber bringt Duerr eine Fülle von Nachweisen und Befunden, die nahelegen, daß der weithin akzeptierten und herrschenden Zivilisationstheorie lediglich das Wunschbild eines befriedeten und triebkontrollierten Menschentypus zugrunde liegt, das durch die in den westlichen Gesellschaften des 20. Jahrhunderts herrschende reale und symbolische Gewalt sowohl in Friedens- wie in Kriegszeiten Lügen gestraft werde.
Aus dem Inhalt
Band 1: Nacktheit und Scham
Die heute im wesentlichen anerkannte Theorie der Zivilisation behauptet, daß der Mensch des Mittelalters, aber auch die Angehörigen der sogenannten primitiven Kulturen, im Vergleich zu uns Heutigen, ihre Triebe und Affekte wenig gebunden oder geregelt hätten, daß in diesen Gesellschaften der Triebverzicht niedrig, die Mäßigung der Gefühle unerheblich gewesen wäre. Nacktheit, Sexualität usw. seien bei diesen Menschen öffentlicher und ungleich weniger schambesetzt gewesen. Im Zuge der zunehmenden Arbeitsteilung der Menschen jedoch seien die sozialen Verflechtungen intensiver geworden. Die »Affekte« seien gemäßigt und in den Privatbereich verbannt worden. Hans Peter Duerr führt den Nachweis, daß diese Zivilisationstheorie einer schömnen Illusion (Freud) geschuldet ist. Er zeigt, daß der Mythos vom Zivilisationsprozeß identisch ist mit der Ideologie, die herangezogen wurde, um den Kolonialismus zu rechtfertigen, insoweit dieser behauptete, es gehe den europäischen Nationen darum, noch unentwickelte, unzivilisierte Menschen zu zivilisieren.
Ausgehend von der Kritik der herrschenden Zivilisationstheorie, entwickelt Hans Peter Duerr in seinem aufsehenerregenden ersten Teil des auf vier Bände angelegten Mythos vom Zivilisationsprozeß eine Kulturgeschichte der sexuellen Scham und Schicklichkeit, die nicht nur die abendländische Geschichte seit ihren nachvollziehbaren Anfängen, sondern auch jene Völker einbezieht, die an der Peripherie der sogenannten Hochkulturen gelebt haben. Er begründet die Vermutung, daß es zumindest innerhalb der letzten vierzigtausend Jahre weder Wilde noch Naturvölker, weder Primitive noch unzivilisierte Völker gegeben hat.
Band 2: Intimität
Auf vier Bände ist Der Mythos vom Zivilisationsprozeß von Hans Peter Duerr angelegt, und mit Intimität erscheint nun der zweite Band in den suhrkamp taschenbüchern. Ausgehend von einer Kulturgeschichte der gynäkologischen Untersuchung und der Geburtshilfe sowie der Anstandsregeln für sitzende und sich bewegende Frauen, entwickelt er eine Ethnographie und Geschichte der weiblichen Genitalscham, die einen Großteil vergangener und gegenwärtiger Gesellschaften berücksichtigt. Diese Beschreibung mündet in eine allgemeine Theorie der Körperscham, die erklären soll, warum die Angehörigen aller menschlichen Gesellschaften und namentlich die Frauen eine Genitalscham entwickelt haben. Die Gebäranstalten und das Spekulum; der Arzt und die Scham der Frauen im Barock; Gynäkologie im 20. Jahrhundert; Prostitution im Mittelalter – das sind einige der Themen in dem spannenden und allgemeinverständlich geschriebenen Buch des Wissenschaftlers Hans Peter Duerr. In einer Einleitung und in einem Anhang geht Duerr auf die bisherige wissenschaftliche Kritik am ersten Band Nacktheit und Scham ein.
Band 3: Obszönität und Gewalt
Auf vier Bände ist Der Mythos vom Zivilisationsprozeß angelegt. Im hier vorliegenden dritten Band wendet sich Hans Peter Duerr vor allem gegen die Behauptung, noch die frühe Neuzeit habe einen Persönlichkeitstypus hervorgebracht, der im Gegensatz zum heutigen zu einer »hemmungsloseren Sättigung von Lust an Frauen oder auch von Haß in der Zerstörung und Qual alles dessen, was Feind ist« (Norbert Elias) bereit gewesen sei, während wir Heutigen, selbst als Krieger oder Verbrecher normalerweise von umfassenderen internalisierten Regeln und Verboten eingeengt und gebändigt seien. Demgegenüber versucht Hans Peter Duerr den Nachweis zu erbringen, daß der weithin akzeptierten und herrschenden Zivilisationstheorie lediglich das Wunschbild eines befriedeten und triebkontrollierten Menschentypus zugrunde liegt, ein Bild, das durch die in den westlichen Gesellschaften des 20. Jahrhunderts herrschende reale und symbolische Gewalt sowohl in Friedens- und Kriegszeiten Lügen gestraft wird.
Band 4: Der erotische Leib
Ist es der europäischen Gesellschaft gelungen, die sexuelle Reizwirkung des weiblichen Körpers im Verlauf der vergangenen zweitausend Jahre immer stärker einzuschränken und zu modellieren? Wurde in den traditionellen Gesellschaften außerhalb Europas die »Domestikation« der Erotik des Frauenkörpers in geringerem Maße durchgeführt als bei uns?
Nach Nacktheit und Scham (st 2285), Intimität (st 2335) und Obszönität und Gewalt (st 2451) ist Der erotische Leib der vierte und vorletzte Band von Hans Peter Duerrs Auseinandersetzung mit der Zivilisationstheorie Norbert Elias’. Anhand einer Kulturgeschichte der weiblichen Brust und der diversen Techniken ihrer Verhüllung und Enthüllung versucht er nachzuweisen, daß die Vorstellung, die modernen Menschen hätten ihre »animalische Natur« auf bessere Weise gezähmt als die vormodernen, auf einem falschen Bild sowohl der heutigen »westlichen« als auch der traditionellen Gesellschaften beruht.
Band 5: Die Tatsachen des Lebens
Mit Die Tatsachen des Lebens liegt nach Nacktheit und Scham (1988), Intimität (1990), Obszönität und Gewalt (1993) sowie Der erotische Leib (1997) Hans Peter Duerrs Kritik am Mythos vom Zivilisationsprozeß vollständig im Taschenbuch vor. Im abschließenden Band setzt sich Duerr mit der Frage auseinander, ob die »facts of life«, also die Bereiche der Sexualität, der körperlichen Reifung, der Körperfunktionen und der abweichenden Verhaltensweisen, im Verlauf der historischen Entwicklung tatsächlich, wie von Norbert Elias und seiner Schule behauptet, in immer stärkerem Maße mit dem Bann des Verschweigens oder mit Euphemismen belegt und hinter die Kulissen des öffentlichen Lebens verdrängt wurden.
Über den Autor
Hans Peter Duerr, geboren 1943 in Mannheim, war bis 1999 Professor für Ethnologie und Kulturgeschichte in Bremen und lebt seither wieder in Heidelberg.
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5 Bde., komplett 122,99 €
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