Details
Autor | Phillips, Adam |
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Herausgeber | Sigmund Freud Museum (Hg.) |
Verlag | Verlag Turia + Kant |
Auflage/ Erscheinungsjahr | 01.03.2024 |
Format | 20 × 12 cm |
Einbandart/ Medium/ Ausstattung | Paperback |
Seiten/ Spieldauer | 80 Seiten |
Gewicht | 126 |
ISBN | 9783985141036 |
Zu diesem Band der Reihe
Freud konfrontiert uns mit der Frage, was es hieße, in einer Gesellschaft zu leben, die ans Unbewusste glaubt. Was hieße es, ans Unbewusste zu glauben? Klar ist, dass ein solcher Glaube nicht mit dem Glauben an Gott, an die Liebe oder die Gerechtigkeit zu vergleichen ist. Wir müssten dann vielmehr daran glauben, dass wir uns größtenteils nicht darüber bewusst sind, wer wir sind, und dass wir es zumeist dabei belassen wollen, weil das, was wir sind, allzu schrecklich ist. Der Glaube ans Unbewusste liefe unweigerlich auf eine neue, eine andere Art des Glaubens hinaus.
Aus dem Vorwort
"Adam Phillips entführt uns in seiner Sigmund Freud Vorlesung »An nichts glauben oder: Warum Freud?« in ein dicht gewobenes und doch seltsam klares Gedankenkonstrukt, das sich um eine der bedeutendsten Fragen der menschlichen Existenz rankt: um die des Glaubens. Dabei dringt der britische Psychoanalytiker tief vor in die Theoriebildung Freuds, der vor gut hundert Jahren jene Voraussetzungen zu eruieren versuchte, die dem psychischen Antrieb zu glauben zugrunde liegen.
Schon in der frühesten Entwicklung des Kindes und fernab religiöser Überzeugungen erweist sich die Notwendigkeit, an jemanden oder etwas glauben zu können, als maßgeblich. Denken wir bloß an das sukzessive, durch positive Erfahrungen des Säuglings erworbene Vertrauen in die verlässliche Wiederkehr seiner Bezugsperson. Auch in weiterer Folge verspricht ein allgemeines Empfinden der Zugehörigkeit und dahingehend auch die Schirmherrschaft eines gemeinsamen Ideals verlässlichen Schutz. Daher gibt das Fürwahr- und Guthalten gesellschaftlich etablierter Werte nicht nur Orientierung, sondern stellt für die menschliche Sozialisierung eine unabdingbare Voraussetzung dar.
Wusste Freud auch um die stabilisierende Wirkung solch allgemein geltender Richtlinien und befürwortete deren Einhaltung im Zuge individueller und kollektiver Entwicklungsprozesse (wie beispielsweise den Triebverzicht, der, vom Über-Ich eingefordert, eine positive Lebensgestaltung in zivilisierter Gemeinschaft erst ermöglicht), so brachte er doch die »Glaubensbekenntnisse« seiner Zeit ins Wanken. Sein Diktum »Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus« sowie der Umstand, dass die Grenzziehung zwischen Gut und Böse aus psychoanalytischer Perspektive für obsolet erklärt wurde, konterkarierten den Glauben der Men-schen an ihr tradiertes Selbstbild.
In der analytischen Behandlungsmethode und ihrer Theoriebildung, insbesondere aber in seinen kulturkritischen Schriften gab Freud kaum jemals dem Erhalt von Glaubenssätzen als vielmehr der Zerstörung von Illusionen den Vorzug. So rückte die Fähigkeit zur Neugierde als ein von Beginn an wirkender Antriebsfaktor in den Fokus dieses »Wahrheitssadisten«, wie Freud von dem Literaten Stefan Zweig genannt wurde. Letzteren lässt Adam Phillips in seiner Vorlesung unerwähnt, im Gegensatz zu Robert Musil und Thomas Mann, in deren Romanen Der Mann ohne Eigenschaften und Doktor Faustus der britische Analytiker jenen kulturellen Nährboden beschrieben findet, dem die Psychoanalyse ihre Genese verdankt.
Die von Freuds Zeitgenossen geschilderte fortwährende Desillusionierung von Individuum und Gesellschaft, die zwei Weltkriege und die Shoah zeitigte, scheinen dabei mit den desaströsen Ereignissen unserer Gegenwart nahezu zur Deckung zu gelangen - eine Verbindung, die Phillips nicht explizit herstellt, in seinen Ausführungen aber mitschwingt: denn für den britischen Psychoanalytiker birgt Sigmund Freuds Entdeckung der »Komplexität und Vielgestaltigkeit des sogenannten menschlichen Geistes» nicht nur den Hinweis auf die Gefahren, die »in der unbewussten Produktivität, Zweideutigkeit und Widersprüchlichkeit« unserer Psyche liegen. (...)
Kennzeichnend für Phillips theoretische Auffassung ist, wie Gohar Homayounpour in ihrer Einleitung schreibt, der Hinweis auf die Gefahr der narzisstischen Selbstschau: diese geht stets mit einer Einschränkung der Wahr-nehmungs- und damit auch Handlungsfähigkeit einher. Um die Sicht auf das Gemeinsame zu stärken, wird es notwendig, sich von der Last des reinen Selbstinteresses zu befreien und die Außenwelt - neugierig auf die Anderen -miteinzubeziehen. Schließlich steckt, wie Adam Phillips bemerkt, »das Destruktive, die Vulnerabilität und die Verzweiflung, die wir in anderen Menschen sehen und erleben - [...] nicht einfach nur im Feind, sondern (in wechselndem Ausmaß) in uns selbst«".
Monika Pessler, Direktorin des Sigmund Freud Museums Wien
Der Autor
Adam Phillips war langjährig leitender Kinderpsychotherapeut am Charing Cross Hospital in London und ist jetzt als Psychoanalytiker in privater Praxis in London und als Schriftsteller tätig. Er ist Autor von über zwanzig Büchern über Psychoanalyse und Literatur, zuletzt »On Getting Better« und »The Cure for Psychoanalysis«. Er ist Gastprofessor am English Department der Universität York und Fellow der Royal Society of Literature.
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