Die Vereindeutigung der Welt

Zu diesem Band

In seinem Essay beschäftigt sich der Autor mit der auf den ersten Blick recht ungewöhnlichen Frage, was das Verschwinden von Apfelsorten, das Auftreten von Politikern in Talkshows, religiöser Fundamentalismus und der Kunst- und Musikmarkt miteinander gemeinsam haben könnten?

Denn während via Werbung und Medien die bunte Vielfalt als Lebensstil gepriesen wird, findet sich faktisch überall das Vielfältige reduziert und mitunter bis zur Unkenntlichkeit eingeebnet, Unerwartetes, Randständiges, Nischenbewohner werden als Unangepasstes, als Störendes zurückgedrängt, Monotonie und gähnende Langweile machen sich breit. Dies sehen wir in der Architektur, die landauf, landab die gleich visuelle Ödnis produziert, welche ihre Fortsetzung in genormten Einkaufsstätten á la Lidl, Rewe, Aldi findet, bei denen wiederum ein immer gleiches Standardsortiment offeriert wird; das gleich Phänomen findet sich inzwischen weltwei und übersall: Wohin man auch reisen mag, überall begegnen einem in den Städten der Welt die ewig gleichen Shops und Lables, alle laufen mit den gleichen Klamotten einschlägigher Lables herum und erhalten in Echtzeit dieselben Bilder und (Fake-)News aufs Händy ....So viel von oben gesetzte Gleichmacherei war nie, und wozu diese noch führen wird, läßt sich ahnen, denn die äußere Anpassung und Gleichschaltung scheint zu korrelieren mit ähnlichen Prozessen des Kulturellen, des Intellektuellen.

An die Stelle des Originären, des eigentümlichen Inhalts, rückt vermeintliche Authentizität, die indes eine künstlich aufgeschäumte ist: Nicht mehr das Substanzielle, das Ur-Sprüngliche zählt, sondern die Verpackung, der Schein. Der Kulturwissenschaftler, Islamforscher Thomas Bauer, der mit dem Fahrrad die halbe Welt bereist und erekundet hat, zeigt die Konsequenzen auf, sollte dieser diesen fatalen Weg des Verlustes von Vielfalt, von zwischentönen und Nuancen weiter beschritten werden.

Der Autor

Thomas Bauer, geb. 1961, lehrt als Arabist und Islamwissenschaftler an der Universität Münster. 2012 erhielt er den Leibnizpreis.