Details

Autor Safatle, Vladimir
Verlag tentare Verlag
Auflage/ Erscheinungsjahr 03.03.2025
Format 21 × 10.8 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 320 Seiten
ISBN 9783911804004

ZYNISMUS UND DAS SCHEITERN DER KRITIK des brasilianischjen Philosoph und Lacanianers Vladimir Safatle gilt als prominentes philosophisches Schlüsselwerk zum Verständnis der politischen Gegenwart, das nun erstmals auf Deutsch zu entdecken ist.

Zu diesem Beitrag

Warum gelingt es autoritären Bewegungen heute so leicht, liberale Demokratien zu unterwandern? Der Philosoph Vladimir Safatle, einer der bekanntesten Intellektuellen Brasiliens und Protagonist des Widerstands gegen die Regierung Bolsonaro, liefert eine bestechende Diagnose: Der ›neue Faschismus‹ ist nicht einfach ein Rückfall in archaische Gesellschaftsmuster; seine Wirksamkeit beruht vielmehr auf der Verallmeinerung einer neuen, zynischen Form der Rationalität, die sich in den liberalen Demokratien selbst herausgebildet hat. Zynismus ist damit nicht nur als rhetorische Figur zu verstehen oder als eine subjektive, moralisch verwerfliche Haltung; er bildet vielmehr die rationale Struktur einer Gesellschaft im Zerfall, die im uneigentlichen Sprechen, in der selbstironischen Verleugnung ihre Überlebensstrategie gefunden hat.

Nach Safatle hat dies tiefgreifende Konsequenzen für den Status der Kritik: Gegenüber einer ›zynischen Vernunft‹, die aus ihrer eigenen Kritik einen Witz macht, ist klassische Ideologiekritik machtlos geworden. Umso mehr kommt es darauf an, eine neue Art der Kritik zu entwickeln, eine Kritik, die, wie Safatle sagt, »gegenwärtig in erster Linie eine Kritik der

Aus dem Vorwort

"Eine Zeit lang glaubte man, dass die Erschöpfung von Denkweisen und Lebensformen uns zwangsläufig zu erneuerten gesellschaftlichen Realitäten führen würde. Als ob nach dem Fall die Erlösung käme. Doch was soll man sagen, wenn nach der Krise kein Ereignis folgt, wenn sich inmitten der Auflösung normativer Muster eine gewisse Stabilität abzuzeichnen scheint? Wäre nicht die schlimmste aller Welten eine im Zerfall begriffene Welt, die die Kraft verloren hätte, neue Wirklichkeiten hervorzubringen?

Dieses Buch zielt darauf ab, dieses Phänomen einer ›Stabilisierung im Zerfall‹ besser zu verstehen. Zu diesem Zweck versucht es, systematisch auf die Idee zurückzukommen, dass unsere fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaften es geschafft haben, sich auf der Grundlage einer zynischen Rationalität zu organisieren. ›Zynismus‹ meint hier nicht bloß eine Art und Weise der Verzerrung hinsichtlich moralischer Prinzipien, sondern beschreibt eine fundamentale Sackgasse in der vorherrschenden Weise, Rationalität als Normativität zu begreifen, das heißt Rationalität als Prozess der Herausbildung intersubjektiv geteilter normativer Werte und Beurteilungskriterien. Die Konsequenzen dieser Blockade sind in scheinbar voneinander unabhängigen Dimensionen des sozialen Lebens spürbar, wie Politik, Sexualität, Kunst und Sozialisationsprozesse.

Um sie zu analysieren, wurde versucht, eine Perspektive zu entwickeln, in der lacanianische Psychoanalyse, adornianische Kulturtheorie und hegelianische Philosophie einen erneuerten begrifflichen Rahmen bereitstellen könnten. Wenn jedoch ›Zynismus‹ der Name für den Zerfall von Werten und normativen Kriterien ist, die als wertvollster Ertrag unserer modernen Ansprüche an gesellschaftliche Rationalisierung erschienen, dann bringt er zwangsläufig das Scheitern einer bestimmten Form von Kritik mit sich. Wenn wir nämlich unter dem Regime der zynischen Rationalität leben, ist es nicht mehr möglich, Kritik als Aufzeigen von Defiziten in der Übereinstimmung zwischen konkreten sozialen Situationen und normativen Idealen zu denken. Dies war stets, wie Deleuze sagte, eine Kritik nach Art eines Amtsgerichts für Bagatelldelikte, die sich damit begnügt, Normen und Fälle zu vergleichen. Und vielleicht ist es an der Zeit, klar zu sagen: Die Kritik nach Art eines Gerichts für Bagatellsachen ist an ihr Ende gekommen. (...)"

Inhalt

  • Danksagung
  • Vorwort zur 2. brasilianischen Auflage (2025)
  • Einführung
  • Dialektik, Ironie, Zynismus
  • Was ist Zynismus?
  • Über ein Lachen, das nicht versöhnt
  • Für eine Kritik der libidinösen Ökonomie
  • Sex, Simulakrum und Politiken der Parodie
  • Die Erschöpfung der kritischen Form als ästhetischer Wert
  • Schluss
  • Literaturverzeichnis/ Nachweise

Stimmen zu diesem Buch

"Vladimir Safatle ist einer der wichtigsten Theoretiker unserer Zeit. Seine Schriften sind Interventionen zu Gegenwartsfragen, die neue Perspektiven auf unsere Gesellschaft und auf uns, die dadurch geformten Subjekte, eröffnen. Seine Zeitdiagnose ist resolut negativ, aber niemals pessimistisch. Immer erkennt er noch im dunkelsten Verblendungszusammenhang Möglichkeiten, wie wir aus diesem entkommen könnten. Seine Verbindung von Lacan und Adorno - mit einem guten Schuss von Hegelscher Dialektik - erhellt immer die verzwickte gesellschaftliche und individuelle Lage, in der wir uns finden; und das zugleich auf mehreren Ebenen. Es lohnt sich immer, Safatle zu lesen, und es lohnt sich besonders, sein neuestes Buch, Zynismus und das Scheitern der Kritik, zu lesen."

Prof. Fabian Freyenhagen, University of Essex


"In einer Reihe mit Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse und Lacans Arbeiten über die kollektive »logische Zeit« stehend, schafft es Safatle, einen unschätzbaren Raum des Denkens und der politischen Intervention zu eröffnen. Hier verbindet sich die psychoanalytische Einsicht in die grundlegende, aber stets verleug-nete Spaltung des Subjekts mit der Analyse jener besonderen Formen der Entfremdung - ein Begriff des Manschen Vokabulars, den Safatle erfrischend bejaht -, denen die Subjekte im politischen Sinne unterworfen sind. Beide, Leugnung der Spaltung und Ausbeutung der Entfremdung, lassen sich mit demselben Wort des »Zynismus« belegen. - Zynisch ist die gesellschaftlich-ökonomische Gesamtordnung, die uns alle vereinzelt zu Zynikern macht. Als sei das stumpfe »Es ist wie es ist« tatsächlich der Wahrheitsspruch unserer Zeit. Ohne Gespür für eine Alternative will der Zynismus auf die Verkennung seines Unglücks einpferchen, um sich so immer weiter genießen zu können. Dieses Buch aber bringt dies fehlende Gespür zum Sprechen, und mit denkerischer Libido wird die Kritik zu einer lustbesetzten Praxis."

Marcus Coelen, Psychoanalytiker,

Der Autor

VLADIMIR SAFATLE ist ordentlicher Professor der Philosophischen Fakultät der Universität São Paulo und Professor am Institut für Psychologie derselben Institution. Er war Gastprofessor an den Universitäten Ca’ Foscari (Venedig), Paris I, Paris VII, Paris VIII, Paris X, Toulouse (Frankreich), Louvain (Belgien) und Essex (England), visiting scholar an der University of California, Berkeley, sowie fellow am Stellenbosch Institute of Advanced Studies (Südafrika), bei The New Institute in Hamburg und am Institut d’études avancées (Paris). Er ist einer der Koordinatoren des Forschungslaboratoriums für Sozialtheorie, Philosophie und Psychoanalyse (Latesfip/Universidade de São Paulo) und verantwortlich für die Herausgabe der Werke Theodor Adornos in portugiesischer Sprache (Coleção Adorno, Unesp).

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