Details

Autor Abel, Thomas
Verlag Springer
Auflage/ Erscheinungsjahr 28.07.2025
Format 24 × 16.8 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer VI, 194 Seiten
Reihe Psychotherapie: Fort- und Weiterbildung
ISBN 9783662705261

Zu diesem Beitrag

Patient:innen begeben sich in eine Psychotherapie, weil sie unter quälenden Symptomen oder Beziehungsproblemen leiden und daran etwas ändern möchten. Gleichzeitig sind Veränderungen vom ersten Schritt an beängstigend: zum einen stellen sie das zumeist mühsam gefundene psychische Gleichgewicht in Frage. Zum Anderen liegen viele Abgründe, die auf dem Entwicklungsweg von den Patient:innen bewältigt werden müssen, noch im Nebel. Deshalb setzen sie dem therapeutischen Veränderungsprozess von Anfang an diverse Widerstände entgegen.

Dieses Fachbuch zeigt auf, welche Konzepte einzelne Therapieverfahren vom Widerstand haben und was Widerstand in der psychotherapeutischen aber auch somatischen Behandlung bedeutet (Compliance). Die acht Formen des Widerstandes, die die Psychoanalyse unterscheidet , werden ausführlich anhand von Fallvignetten dargestellt. Verdeutlicht wird, warum in psychodynamischen Therapien die Regel gilt: “Widerstandsbearbeitung vor Inhaltsbearbeitung” und warum Therapien aller Richtungen an einem nicht verstandenen und nicht bearbeiteten Widerstand scheitern können.

Aus der Einleitung des Autors

"Menschen leiden unter psychischen oder körperlichen Problemen, suchen eine Behandlung auf, sehnen sich nach einer Veränderung, tun aber gleichzeitig von Anfang an sehr viel dafür, um jegliche Veränderung, teilweise sogar das Erkanntwerden auszubremsen oder zu verhindern. Manche beenden die Therapie, kaum dass erste Verbesserungen erzielt wurden oder das Problem verstanden wurde. Das gilt nicht nur für die Psychotherapie, sondern für die gesamte Medizin.

Anhand von Studien, Zahlen, einem Bild, berührenden Szenen aus einem Märchen und dem Traum einer Patientin möchte ich am Beginn des Buches ein erstes Verständnis vermitteln für das scheinbar verrückte Phänomen Widerstand, das viel mehr ist als eine Bequemlichkeit oder Widersetzlichkeit der Patientinnen, ehe ich definiere, was Widerstand ist und welche Formen es davon gibt.

Das 1818 entstandene und lange verschollene Gemälde „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich, einem begnadeten Maler von Sehnsuchtslandschaften, dem das Titelbild dieses Buches nachempfunden ist, versetzt uns als Therapeutinnen verblüffend unmittelbar in eine alltägliche therapeutische Situation. Wir haben einen Mann vor uns, der gerade den ersten Schritt auf einem längeren Weg macht, dessen Fuß dabei nach Halt sucht. Er will zu einem noch fernen Gipfel, von dem ihn aber nebelverhangene Abgründe, Täler und noch nicht erkennbare Gefahren trennen. Nur wenige Felsen mit oder ohne Bäume ragen aus den Dunstschleiern heraus. Es handelt sich um eine Rückenfigur, die uns einlädt, die Welt und den vor ihr liegenden Weg aus ihrer Perspektive zu betrachten. Ähnlich wie in diesem Bild werden wir in einer Psychotherapie versuchen, die innere und äußere Welt eines Patienten und den vor ihm liegenden Lebensweg aus seiner Sicht zu sehen.

Er wird uns klar sagen können, wohin er will. Aber der Weg zu seinen Therapiezielen hegt im Nebel: Er weiß nicht, wie er dorthin kommt, wenn er es wüsste, wäre er nicht zu uns gekommen, sondern allein gegangen. Er weiß auch nicht, welche Abgründe oder kaum überwindbare Klippen vor ihm liegen, ob er reißende Flüsse überqueren oder sich vor gefährlichen Tieren oder Menschen schützen muss. Deshalb ist er zwar sehr willig und motiviert, seine Wanderung durch die inneren Landschaften zu beginnen, hat aber andererseits auch berechtigte und nachvollziehbare Ängste davor, die sich in der roten Farbe der Jacke ausdrücken. Am Anfang, aber auch immer wieder auf dem Weg, nach jeder überstandenen Gefahr wird er sich fragen, ob er den nächsten inneren Abgrund bewältigen und überleben wird. Die Ängste im therapeutischen Prozess, die nach jeder bedeutsamen emotionalen Erkenntnis, nach jeder Veränderung aufs Neue aufflackem, führen dazu, dass es immer wieder Momente geben wird, wo der Patient nicht weitergehen, nicht weitermachen möchte, vielleicht sogar umkehren, weil er die Übel und Gefahren der Regionen wenigstens kennt, aus denen er kommt, und weil er ja früher mit ihnen mit viel Leid und Mühe zurechtgekommen ist. Als Therapeuten sind wir zwar ausgebildete Bergsteiger, kennen aber den Weg durch die konkreten Abgründe auch nicht, die vor unseren Patientinnen und Patienten liegen. Auch für uns wird sich der Nebel nur Stück für Stück lüften und die nächsten Meter freigeben. Vielleicht kann diese Perspektive helfen, aufkommende Widerstände in der Psychotherapie nicht nur als Unwillen oder Unmotiviertheit unseres Patienten anzusehen, sondern auch die dahinterstehenden Ängste nachzuempfinden und dadurch behilflich zu sein, sie Schritt für Schritt zu überwinden. (...)"

Inhalt

1 Einleitung

  1. 1.1 Verteidiger und Entdecker
  2. 1.2 Compliance in der somatischen Medizin
  3. 1.3 Prävalenz, Versorgungslage und Psychotherapieverfahren
  4. 1.4 „Wie gut, dass niemand weiß ...“: Angst vormErkanntwerden
  5. 1.5 „Das ist mir viel zu heiß!“ -Widerstand im Initialtraum
  6. 1.6 Widerstand: Definition, Entstehung und Entwicklung des Begriffes
  7. 1.7 Formen des Widerstandes

2. 2 Rahmenwiderstände

  • 2.1 Äußere Rahmenwiderstände
  • 2.1.1 Versäumen von Sitzungen und Ausfallhonorare
  • 2.1.2 Verspätungen als Widerstand
  • 2.1.3 Telefonkontakte und Nachrichten zwischen den Therapiestunden ...
  • 2.1.4 Suizidalität als Widerstand
  • 2.1.5 Selbstverletzendes Verhalten
  • 2.1.6 Skarifizierungen, Tattoos, Piercings
  • 2.1.7 Suchtmittelgebrauch und-abhängigkeit
  • 2.1.8 Psychopharmaka und Widerstand
  • 2.1.9 Essstörungen und Rahmenwiderstände
  • 2.1.10 Esoterik, Religiosität und Paralleltherapien
  • 2.1.11 Modediagnosen: ADHS, Hypersensibilität und Autismus
  • 2. 2.2 Innere Rahmenwiderstände
  • 2.2.1 Widerstand gegen die freie Assoziation
  • 2.2.2 Schweigen und Plaudern
  • 2.2.3 Quando me sinto so: Trennungswiderstände

3. 3 Widerstand durch Abwehrmechanismen

  • 3.1 Grundkonflikte, Abwehrmechanismen und Widerstand
  • 3.2 Widerstände durch primitive Abwehrmechanismen
  • 3.2.1 Verleugnung
  • 3.2.2 Dissoziationen
  • 3.2.3 Introjektion
  • 3.2.4 Projektion
  • 3.2.5 Projektive Identifizierung
  • 3.2.6 Identifikation mit dem Aggressor
  • 3.2.7 Spaltung, primitive Idealisierung und Entwertung
  • 3.3 Widerstände durch reife Abwehrmechanismen
  • 3.3.1 Verschiebung
  • 3.3.2 Altruistische Wunschabtretung
  • 3.3.3 Wendung gegen die eigene Person
  • 3.3.4 Ungeschehenmachen
  • 3.3.5 Rationalisierung und Intellektualisierung
  • 3.3.6 Isolierung vom Affekt und aus dem Zusammenhang
  • 3.3.7 Affektualisierung, Sexualisierung und Reaktionsbildung
  • 3.3.8 Identifizierung
  • 3.3.9 Idealisierung
  • 3.3.10 Konversion, Somatisierung und Psychosomatik
  • 3.3.11 Regression und Progression
  • 3.3.12 Verdrängung, Vergessen und Sublimierung

4 Übertragungswiderstände

  • 4.1 Widerstand gegen das Bewusstwerden der Übertragung
  • 4.2 Widerstand durch Festhalten an einer Übertragung
  • 4.3 Widerstand gegen die Auflösung der Übertragung

5 Schuld und Scham: Über-Ich- und Ich-Ideal-Widerstand

6 Das Altgewohnte: Es-Widerstand

7 Krankheitsgewinne

8 Strukturspezifische Widerstände

  • 8.1 Widerstände schizoider Persönlichkeitsstrukturen
  • 8.2 Widerstände depressiver Persönlichkeitsstrukturen
  • 8.3 Widerstände zwanghafter und phobischer Charakterstrukturen
  • 8.4 Widerstände histrionischer und narzisstischer Strukturen

9 Gegenübertragungswiderstände

  • 9.1 Widerstände der Therapeutin beim Mitfühlen und Rollenübemehmen
  • 9.2 Widerstände durch die Co-Übertragung der Therapeutin
  • 9.3 Ausbildung und Elternschaft als Widerstandsgründe

Literatur

Der Autor

Thomas Abel ist psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker, Traumatherapeut, Therapist in Transference-Focused Psychotherapy, Gruppenanalytiker, Supervisor und Lehranalytiker. Er hat eine eigene Praxis in Berlin und lehrt als Dozent an verschiedenen Aus- und Weiterbildungsinstituten.

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