Details
Autor | Schimang, Dieter |
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Verlag | Büchner-Verlag |
Auflage/ Erscheinungsjahr | 30.06.2021 |
Format | 20.5 × 14.5 cm |
Einbandart/ Medium/ Ausstattung | Paperback |
Seiten/ Spieldauer | 268 Seiten |
ISBN | 9783963172717 |
Zu diesem Beitrag
Die westlich-bürgerlich geprägten Gesellschaften sind stolz auf ihren revolutionären Ursprung – den Sturz der traditionellen Autoritäten und Hierarchien, der einst selbst vor der Enthauptung von Königen nicht zurückschreckte: »All men are created equal!«, hieß es damals.
Einzig die Vernunft möge fürderhin als Autorität und Richterin für staatliches Handeln maßgeblich sein, was sich in transparenten demokratisch legitimierten Entscheidungsfindungsprozessen widerspiegeln möge. - 250 Jahre später – zum zweiten Mal im Laufe eines Jahrhunderts – ist in vielen Ländern des Westens eine Rückwärtsbewegung, eine Regression des mühsam Errungenen zu beobachten: rasanter Aufstieg von Irrationalität, Diskursunfähigkeit, Entzivilisierung und Gewalt, immer lauter erschallende Rufe nach autoritärer Führung und einfach anmutenden Problemlösungen.
Warum entscheiden Menschen sich gegen Aufklärung und Emanzipation? Was sind die Gründe für den Aufstieg von Populismus und Un-Mündigkeit? Dieter Schimangs spannende Deutung populistischer Tendenzen in den bürgerlichen Gesellschaften des Westens entwickelt Antworten auf diese Fragen. Als Kulturanthropologe blickt er dabei weit über den Horizont von Gegenwart und unmittelbarer Vergangenheit hinaus. Ausgehend von den Grundbedingungen menschlicher Existenz widmet er sich deren Einfluss auf die moderne »Gesellschaft der Individuen« (Elias). Er zeigt, warum diese quasi zwangsläufig (selbst)zerstörerische Tendenzen dort mit sich bringt, wo die Voraussetzungen individueller Emanzipation fehlen – und welcher Wirtschafts- und Bildungspolitik es bedarf, um sie zu schaffen.
Inhalt
Einleitung
- »Das Individuum, der Mensch an sich«
- Nicht nur eine Gefahr für die Demokratie: Der »Populismus«
- Was heißt hier »kulturanthropologisch«?
- Was ist das Problem?
- Lösungswege
Teil I: Ohne das Soziale keine Individualität
1. Tiere haben Instinkt – wir haben die Kultur
- »Instinktlos« – und der Ambiguität und Kontingenz ausgesetzt
- Unsere Antwort ist sozial: Die Kultur
- Das Individuum - sozialisiert in eine Kultur hinein
- Die höchste Quelle der Autorität: Transzendenz und Unsterblichkeit
- Unser »Instinktersatz Kultur«
- Ohne Kultur keine Individualität, ohne Individualität keine Kultur
- In Jahrhundertausende alter Tradition: Die Hegemonie und Macht des Sozialen
- Die alle Eindeutigkeit infrage stellen: Die Anderen
2 Emancipatio oder Emanzipation des Individuums?
- Zu den Rahmenbedingungen einer Individualisierung
- Individualisierung als Emancipatio oder als Emanzipation?
3 Eine anthropologische Revolution?
- Individualisierung historisch: Europa macht den Anfang
- Eine Individualisierung in bürgerlicher Weise
- »Besitzindividualismus« - 8 Populismus oder der Aufstieg der Unmündigkeit und bürgerliche »Eigentumsmarktgesellschaft«
- Individualisierung ohne Mündigkeit: Das Individuum wird privat
- Bürgerliche Individualisierung als Emancipatio: Unterwirf dich - dem Erwerb
- Mythos und Hamsterrad:»Leistung, Leistung …«
- 100 Prozent bürgerlich: Vom Unsinn eines Erwerbs-»Triebs«
- Hobbes siegt über Kant: Emancipatio oder Individualisierung ohne Mündigkeit
4 Jenseits der Privatisierung:
- Individualisierung als Katastrophe
- Die Spaltung im Aufstand: Ballhausschwur versus Bastille-Sturm
- Freiheit? – Wo man Autorität als Halt versteht und ihr Gebot als Kompass
- Eine Gleichheit der Individuen, die ihre Individualität ignoriert
- »Sapere non aude!« – Kein Mut zum Wagnis: »Was ich nicht weiß, …«
Teil II: Historische Antworten - und eine Hoffnung
5 Die bürgerliche Antwort: Nationalismus statt Universalität
- Eine neue Gemeinschaft, Autorität und Eindeutigkeit: Die Nation
- Flucht in die Selbstunterwerfung: Gemeinschaft, Dienst und Gehorsam
- Rassismus als Kompensation der Selbstunterwerfung
- Individuelle Palliative der Existenznot: Technik, Konsum und Drogen
- Individualismus: Die Ideologisierung der Individualität
- Nation, Kameradschaft, Technik: »Nötig hat es« primär der Mann
6 Zurück – in eine vorbürgerliche Welt
- Ein Parallel-Universum: Die vor-bürgerliche Welt in der bürgerlichen
- Neue Konzepte einer elitären Hierarchie
- Sarajevo, Verdun, Versailles: Der Bankrott des Nationalismus
- Anti-Bürgerlich: Aber vorwärts oder zurück in der Zeit?
- Zurück ins Vorbürgerliche: Hinein in die totale Selbstunterwerfung
- Der Kult der Unmündigkeit: »Aber diese wunderbare Kameradschaft.«
7 Vorwärts – zur »freien Entwicklung eines jeden«
- Erste Emanzipation und Eigenständigkeit
- Solidarität – zur synergetischen Synthese von Sozialität und Individualität
- In die Niederlage: Revolution minus Emanzipation
8 Den Kapitalismus vor sich selbst retten: Der »Sozialstaat«
- Ein Blick zurück: Tulpenmanie, Gründerkrach, Weltwirtschaftskrise
- Krisen zwingen zur Rettung des Kapitalismus vor sich selbst
- Mündigkeit – proklamiert, verordnet, unterstellt
Teil III: Die Lösung? Wa s das neoliberale Extrem uns lehrt
9 Das A-Soziale im Extrem: Der Neo-»Liberalismus«
- Zurück in die Offensive durch die Stigmatisierung des Sozialen
- Der Neo-»Liberalismus« – oder: Das Private wird totalitär
- »Too big to fail«: Die Privatmacht erpresst das Soziale
- Wenn »Vater Staat« das »größte Exklusionsprojekt« durchsetzt
10 Die Ambivalenz zum Antagonismus getrieben
- Die deutsche Einheit – enthüllt eine anthropologische Differenz
- Das »Größte Exklusionsprojekt seit 1990«: Die »Rückführung der Staatsquote«
- Die Exklusion wird öffentlich: »Integriert doch erst mal uns!«
- Wenn neoliberale Effizienz auf Rassismus und Sexismus trifft
- »Digitalisierung von unten«: Die Rolle der sozialen Medien
- Populismus oder der Aufstieg der Unmündigkeit
11 Das populistische Angebot: Die Re-Ethnisierung
- Wenn die Verhältnisse reif sind – und der Populismus erntet
- Regression in die Re-Ethnisierung: Die »Volksgemeinschaft«
- Hinein in die Wagenburg: Das Soziale wird zur Despotie
- Der Triumph des »Zurück«
- Unmündigkeit steigert die Rendite
12 Zu Autonomie und Mündigkeit befähigen – aber wie?
- Ein bürgerliches Missverständnis: Viel Individualisierung = viel Freiheit?
- Die Notwendigkeit: Individuelle Emanzipation aller – in die Mündigkeit
- »Schützt Humanismus denn vor gar nichts?«: Bildung ist nicht gleich Bildung
- Die Exklusion überwinden: Eine Bildung zum Gattungsbewusstsein
- Bildung zu Kontingenz-, Ambiguitäts- und Universalitätsfähigkeit
- Bildung zur Begegnungs- fähigkeit für alle
- Entscheidend: Der weibliche Anteil ·
- Verb ohne Passiv: Niemand kann »emanzipiert werden«
- Die neue Identität: Die Gattung als »Hüterin des Lebens«
Literatur
Der Autor
Dr. Dieter Schimang (geb. 1942 nahe Torgau / Elbe) hatte sein akademisch-politisches Erweckungserlebnis im Rahmen einer ethnografischen Feldforschung in Madagaskar. Dort erlebte er 1964, wie die brutale polizeiliche Durchsetzung des Bürgerlichen Rechts und Begriffs von Privateigentum die von ihm erforschte Gruppe und ihre Traditionen rigoros zerstörte. Ihm wurde klar, dass seine von der Volkswagenstiftung finanzierten Forschungseinsichten Konzernen wie Shell und Coca Cola den Weg bahnen würden. Seitdem ist ihm die alles überwältigende Kultur, aus der er selbst stammt, Problem und Thema zugleich geworden. Er war in der Vergangenheit unter anderem als Dozent am Goethe-Institut, an der VHS Frankfurt sowie der Marmara-Universität in Istanbul tätig. Schimang publiziert und trägt vor zu den Themen Rassismus und Diskriminierung und engagiert sich in antirassistischen und interkulturellen Projekten, teilweise gemeinsam mit seiner Frau Berrin Nakipoğlu-Schimang.
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