Details

Autor Soler, Colette
Verlag Verlag Turia + Kant
Auflage/ Erscheinungsjahr 30.04.2025
Format 20 × 12 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 180 Seiten
Gewicht 247
ISBN 9783985141111

Zu diesem Beitrag

»Humanisierung?« - Diese Arbeit der französischen Psychoanalytikerin Colette Soler entstand in der Folge eines Seminars, das die Autorin am ›Klinischen Kolleg‹ des Lacanschen Feldes in Paris hielt. - In ihren Vorlesungen 2013-2014 ging es um die Wirkungen des Unbewussten auf den menschlichen Körper, die in Begriffen wie Wiederholung, Symptom, Begehren, Fragmentierung der Triebe und vielen anderen gefasst werden.

Es scheint der Autorin als evident, dass die kapitalistisch-westlich geprägte Lebenswelt diese Auswirkungen heute exzessiv verstärkt. Gewalt gegen sich und andere ist so universell geworden, dass sich die Frage nach der Humanisierung dieses denaturierten Tieres ´Mensch` mehr als dringlich stellt. Freud hatte sich keinerlei Illusionen über die dem Menschen innewohnenden destruktiven Kräfte gemacht und wußte genau, daß unter der dünnen Schicht des Zivilisatorischen der Mensch des Menschen Wolf ist und offenbar bleiben möchte oder muß. Nichts hat sich seitdem Titus Maccius Platus (254-184 v. Chr.) zugeschriebenen Zitat ´homo homini lupus` an den Verhältnissen unter den Menschen grundhaft geändert, nichts hat ihn bei allen sonstigen Entwicklungen und Fortschritten auch nur um ein Nu zivilisierter, humaner werden lassen. - Wie also läßt sich vor solch ernüchternden Befunden eine ›Humanisierung‹ psychoanalytisch denken, da die psychoanalytische Theorie doch den Ruf nach Normen jeglicher Art ausschließt?

Inhalt

I - 13. November 2013

  • Der Name des Menschen
  • Ohne »Den Anderen«
  • Das inhumane Unbewusste

II - 27. November 2013

  • Der Denaturierte
  • Reale Effekte des Symbolischen
  • Auswirkungen auf das Reale

III - 11. Dezember 2013

  • Zurechtgemachte Jouissance
    Wort(mat)erialität [moterialite]
    Das - verwaiste - Objekt a
    Destruktivität?

IV - 25. Jänner 2014

  • Tragödie oder Destruktivität?
  • Die primäre (a)Ursache [L’(a)cause premiere]
  • Neue Probleme
  • Das Agalma des Begehrens

V - 29. Jänner 2014

  • Arten des Begehrens
  • Was will der Psychoanalytiker?
  • Inwieweit gebietet die Logik?

VI -12. Februar 2014

  • Die große Straße der Metapher
  • Die väterliche Ordnung
  • Der Name des Dings

VII - 5. März 2014

  • Diagnosen gemäß der Metapher
  • Die Namen des Namens
  • Funktion der Ausnahme
  • Das Ausnahme-Sagen [Le dire exception]

VIII - 19. März 2014

  • Kein Stellvertreterdiskurs [discours de suppleance]
  • Vorher, nachher
  • Die Funktion (Φx)
    Die phallische Bedeutung
    Die Jouissance des Phallus

IX - 2. April 2014

  • Das Sprechen als Ursache
  • Die propositionale Funktion
  • Die Ex-sistenz

X - 7. Mai 2014

  • Zwei Hälften?
  • Von verschiedenen Nichtallen [pastouts] 
    Das Nichtalle [pastout] der Psychose 
    Das Nichtalle [pastout] der Frauen 
    Eine nichtalle [pastoute] Gesellschaft?

XI - 21. Mai 2014

  • Ein Vater
  • Der Vater-des-Namens 
    Funktion des Namens 
    Funktion der Nomination

XII - 4. Juni 2014

  • Name und Nomination
  • Ein neuer (großgeschriebener) Vater
  • Nicht ohne den (großgeschriebenen) Vater
  • Aber ohne (großgeschriebenen) Vater

Aus dem Vorwort der Autorin

"Ich habe Humanisierung mit einem Fragezeichen versehen. Denn zweifelsohne besteht für das kleine, zu früh geborene Menschenkind die Notwendigkeit einer kulturellen Veredelung. Es gilt nämlich nicht nur sein organisches Überleben, sondern auch seine Sozialisierung sicherzustellen. Der heutzutage nicht mehr ganz so aktuelle Fall sogenannter wild aufgewachsener Kinder erlaubte es in der Vergangenheit, diese Grenze zwischen Überleben und Sozialisierung zu erfassen. Aber warum sollte man diesen Prozess als Humanisierung bezeichnen?

Wie wir sehen werden, kann der Terminus gerechtfertigt sein, aber er ist auch suspekt, weil ihm all die Zweideutigkeiten anhaften, die mit dem Namen… des Menschen wegen all der einschlägigen Idealisierungen verbunden sind. Denken Sie an die berühmten Worte Maxim Gorkis: »Der Mensch! Das ist groß! Das kling stolz!« Hat sich der Mensch nicht selbst als den Gipfel der Schöpfung betrachtet? Als den Gipfel, von dem Freud ihn mit seiner vermeintlich kopernikanischen Wende zu stürzen glaubt. Lacan wiederum greift, um den vom Ort des Anderen aus gesehenen Menschen [l’homme] vom Tisch zu wischen, auf die phonetische Schreibweise L.O.M. zurück, um nur das Realste davon zu konnotieren. (...)

Ich habe als Ausgangspunkt den von Lacan bis mindestens 1969 mehrfach verwendeten Begriff der Humanisierung gewählt. Aber nicht, um anzudeuten, dass der von der Moderne überforderte Mensch in die Zivilisation des Inhumanen eingetreten wäre, weit entfernt davon, denn der Mensch, was auch immer man als solchen bezeichnet, ist seinem Wesen, dem Wesen der Sprache nach, immer von transzendenten und ihm Angst verursachenden Faktoren überfordert worden, gleichgültig, ob es die Götter Griechenlands oder des Monotheismus waren oder ob es diese extime Transzendenz ist, die das Unbewusste darstellt oder auch … das Reale. Von nichts, was nicht dem Menschen eigen wäre, nichts Inhumanes also, es sei denn, man verwendet die Begriffe human und inhuman als Werte.

Während der Journées sur la psychose et l’enfant (Tagung über die Psychose und das Kind) am 22. Oktober 1967 erwähnte Lacan, was er als »unsere Sorge um eine humane Bildung« bezeichnete. Er sprach auch von der »Humanisierung des Begehrens«. Würde das bedeuten, dass das Begehren des Menschen (Substantiv) an sich eher »unmenschlich« (Adjektiv) ist? Dann aber wäre das Unmenschliche dem Menschen eigen.

Der Begriff Humanisierung scheint in der Tat veraltet zu sein. Tatsächlich stammt er, wie Lacan erwähnt, aus einer Zeit, in der man annehmen konnte, dass der große, von Lévi-Strauss in Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft hervorragend dargestellte strukturalistische Moment »das Ende des Menschen« ankündigte, der früher als mit freiem Willen begabt galt und nun darauf reduziert wurde, nur noch als das Produkt von Strukturen betrachtet zu werden. Ich sage Mensch, aber es waren ganz speziell die Frauen, die laut Lacan innerhalb der Struktur, ob sie es wollten oder nicht, die Position von Tauschobjekten einnahmen. Wer würde es wagen, heute so etwas zu sagen? 1967 lehnte Lacan im von mir erwähnten Vortrag diesen strukturalistischen Moment ausdrücklich ab. Zu Psychoanalytikern 3 sprechend sagte er: »Es scheint in der Tat, dass wir Gefahr laufen, in unserem Funktionsbereich zu vergessen,  (Anm. d. U.: Hier und im Folgenden wird jeweils wie im Originaltext die männliche Form für alle Geschlechter verwendet; eine Wertung ist damit nicht impliziert.) dass ihm eine Ethik zugrunde liegt, und dass daher, was auch immer – auch ohne mein Eingeständnis - über das Ende des Menschen gesagt werden mag, unsere größte Pein in einer Bildung liegt, die man als human bezeichnen kann.«"

Die Autorin

Colette Soler praktiziert und unterrichtete Psychoanalyse in Paris. Als Hochschulabsolventin der Philosophie und Doktorin der Psychologie war es ihre Begegnung mit der Lehre und der Person Jacques Lacans, die sie dazu brachte, sich für die Psychoanalyse zu entscheiden. Sie war Mitglied der École freudienne de Paris und nach deren Auflösung Direktorin der École de la Cause freudienne und schließlich Mitinitiatorin der Bewegung Internationale des Forums und deren Schule für Psychoanalyse.

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