Details
Autor | Lamszus, Wilhelm (1881-1965) |
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Herausgeber | Lonny (Einbandgestaltung) (Hg.) |
Verlag | Ernst Oldenburg Vlg, Leipzig |
Auflage/ Erscheinungsjahr | 61.-70. Tausend, 1923 |
Format | 12,2 × 18,2 cm |
Einbandart/ Medium/ Ausstattung | OBrosch. |
Seiten/ Spieldauer | 156 Seiten |
SFB Artikelnummer (SFB_ID) | SFB-010297_AQ |
Zu dieser seltenen Ausgabe
Im Sommer 1912 publizierte der Hamburger Reformpädagoge und Pazifist Wilhelm Lamszus mit seinem Roman „Das Menschenschlachthaus“ eine wirklichkeitsnahe und eindringliche Vorausschau auf den industrialisierten Zukunftskrieg. Eindrucksvoll führt er darin die gewaltige Tötungsmaschinerie des Ersten Weltkrieges mit ihren enormen Zerstörungskapazitäten vor Augen und schildert den Grabenkrieg mit seinen starren Fronten, Minenfeldern und den gegenseitigen Giftgasangriffen. Das Buch, von Nationalisten und Militaristen bekämpft, löste einen Skandal aus. Lamszus sah sich Verfolgungen ausgesetzt, weil er dem von vielen angebeteten Kriegsgott die Maske vom Gesicht riss und ihn als Menschheitsmörder entlarvte.
Die Fortsetzung, bereits 1914 druckreif, erschien 1919 unter dem Titel „Das Irrenhaus“ mit einem Vorwort von Carl von Ossietzky. Seither haben Lamszus‘ „Visionen vom Krieg“ weltweit über achtzig Auflagen erreicht. Fesselnd geschrieben, ohne jedweden Ballast, ist sein Werk ebenso universell wie zeitlos und warnt vor der Hölle des Krieges.
Aus dem Vorwort des Autores zur Ausgabe aus demJahre 1923
"Als ich im Jahre 1912 dieses Buch veröffentlichte, standen wir noch weit vom Schuß. Das große Debakel lag in der Luft. Aber wir hielten unser Schicksal noch in der Hand. Denn unsere Speicher waren gefüllt. Unsere Maschinen stampften den Boden und schleuderten Schätze. Unsere Schiffe fuhren auf allen Meeren und türmten den Reichtum der Erde, der nur in Besitz genommen zu werden brauchte, um auch dem letzten Bettler die Blöße zu decken.
Heute stehen wir vor einem Schutthaufen. Wir haben die blühende Erde in einen Kirchhof verwandelt und humpeln mit zerbrochenem Rückgrat über die Walstatt.
Ich erinnere den Augenblick, da das „Menschenschlachthaus“ in den stillen Sommer 1912 platzte. Dieses patriotische Gewitter, das sich über des Sünders Haupt entlud, der den Krieg bei seinem Namen genannt hatte. Dieser Wolkenbruch von Schmähungen und persönlichen Verleumdungen. Und dabei hatte ich nur vorausgesagt, was dann zwei Jahre später mit Viktoriasalut begann und sich Zug um Zug mit eherner Geschlossenheit vollendete.
Diese guten Patrioten, die sich damals nicht genug tun konnten, mich, den schlechten, zur Strecke zu bringen. Hätten sie mehr Instinkt besessen, sie hätten mein Buch, vor dem sie sich bekreuzigten es anzufassen, in Millionen Exemplaren bis ins letzte Dorf verbreitet und mit letzter Kraft versucht, dem Abgrund zu entkommen. Sie säßen heute noch integer vitae in ihrem Glanze da. Und nicht das Blut der Erschlagenen stände wider sie auf. Nicht das Stöhnen eines in Hunger sich windenden Volkes käm über sie. Nicht die Flüche der Millionen Witwen und Waisen hallten ihnen nach.
Flüche?
Stöhnen?
Blut? -
Es ist ein Schauspiel für Götter, zu sehen, wie ein Volk, das fünf Jahre lang bis über die Ohren durch den Blutsumpf gezerrt, das von Katastrophe zu Katastrophe geführt wurde, bis es im Abgrund zerschellte, heut drauf und dran ist, diese selben Führer, die es so herrlich bis hierher gebracht, wieder an seine Spitze zu setzen. Alle miteinander sind sie wieder da, die Rufer im Streit, die vorübergehend in der Versenkung verschwanden. Sie. die schon einmal das Schlachthaus ihrem Volk aufgetan, sie werden das Volk erretten. Vertraut euch ihnen nur an. Der Weg, den sie euch weisen, seid ohne Sorge, führt, woher ihr kamt, ins Menschenschlachthaus, das heut wie ehedem auf euch wartet."
Wilhelm Lamszus
Aus einer ausführlichen Rezension
"(...) Noch viel größere Aufmerksamkeit erlangte Wilhelm Lamszus jedoch als Autor massenwirksamer Antikriegsliteratur. Denn keiner der großen Dichter des beginnenden 20. Jahrhunderts schrieb wie er gegen die Gefahr des drohenden Weltkrieges an. Zwar gab es um die Jahrhundertwende einiges an allgemein pazifistischer Literatur, wie Bertha von Suttners bekannten Roman Die Waffen nieder! (1889), Leonid N. Andrejews Das rote Lachen (1904) oder die Schrift Die Vergangenheit des Krieges und die Zukunft des Friedens (1907), die der französische Mediziner Charles R. Richet veröffentlichte. Doch für die Exponenten der hohen Literatur schien der moderne Krieg kein Thema zu sein. So war es am Ende ein Volksschullehrer, der die große Warnung aussprach: Lamszus’ Roman, seine Prophezeiung Das Menschenschlachthaus – Bilder vom kommenden Krieg, die im Sommer 1912 erschien, löste einen Skandal aus. Es ist in der deutschsprachigen Literaturgeschichte der einzige Versuch, einen zukünftigen Krieg auf der Basis der technologischen Veränderungen seit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 zu imaginieren. Das Antikriegsbuch gibt mit seiner eindringlichen Sprache schon einen Ausblick auf die großen Erlebnisbücher des Ersten Weltkrieges, auf Henri Barbusse’ Feuer (1916), auf Arnold Zweigs Der Streit um den Sergeanten Grischa (1927), auf Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues (1929) oder auf Gabriel Chevalliers Heldenangst (1930).
Das Menschenschlachthaus erschien bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges in 70 Auflagen und wurde in sieben Sprachen übersetzt. Es spricht für seine Bedeutung, dass beispielsweise Alfred Noyes zu der englischen, Ryokuyo Sato zu der japanischen oder Henri Barbusse zu der französischen Übersetzung das Vorwort schrieben. Alfred Hermann Fried und Martin Andersen Nexø zählten zu den bekanntesten Rezensenten. Auch Carl von Ossietzky steuerte zu einer späteren deutschen Ausgabe ein Vorwort bei."
Andreas Pehnke, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | 2015, Seite 199-216 | Metropol Verlag
Der Autor
Wilhelm R. Lamszus (* 13. Juli 1881 in Altona; † 18. Januar 1965 in Hamburg) war ein deutscher Reformpädagoge und pazifistischer Schriftsteller.
Wilhelm Lamszus wurde vor allem durch seine Antikriegsschriften bekannt. So nahm er bereits 1912 mit Das Menschenschlachthaus. Bilder vom kommenden Krieg die Schrecken des Ersten Weltkriegs vorweg und wandte sich gegen den Militarismus der Wilhelminischen Zeit. Das Buch wurde 1915 verboten. Eine Neuauflage, die gemeinsam mit dem zweiten Teil, Das Irrenhaus, in dem Lamszus eigene Kriegserlebnisse schildert, und einem Vorwort von Carl von Ossietzky 1919 herauskam, erreichte hohe Auflagen.
Wegen dieses Bestsellers wurde Lamszus als „schlechter Deutscher“, „anarchosyndikalistischer Revolutionär“ und als „vaterlandsloser Geselle“ denunziert. Mit einem Forschungsauftrag zur Lage der deutschen Angehörigen der Fremdenlegion wurde er nach Nordafrika entsandt, anscheinend um ihn aus dem Schuldienst zu entfernen. 1915 kehrte er nach Hamburg zurück und nahm seine Unterrichtstätigkeit wieder auf.
Neben seinen Antikriegsschriften veröffentlichte Lamszus zahlreiche Arbeiten zur Aufsatzmethodik, Gesundheits- und Friedenserziehung. In den 1920er Jahren war er Lehrer an der Reformschule Tieloh-Süd in Hamburg-Barmbek, ab 1930 war er an der Meerweinschule (heute GS Winterhude) in der Jarrestadt tätig.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er als einer der ersten Hamburger Lehrer entlassen. Eine Professur an der Pädagogischen Hochschule Braunschweig, auf die er Aussichten gehabt hatte, durfte er nicht übernehmen. Von 1933 bis 1945 lebte Lamszus von seiner verminderten Pension und journalistischen Gelegenheitsarbeiten, die er unter Pseudonym veröffentlichte. 1945 kehrte er nicht in den Schuldienst zurück. Einen Ruf als Rektor der Pädagogischen Hochschule Berlin lehnte er aus gesundheitlichen Gründen ab. Er arbeitete stattdessen für den Norddeutschen Rundfunk und veröffentlichte zu Themen der Lehrerbildung und der Gesundheit, die allerdings kaum Widerhall fanden.[1]
1960 verlieh ihm die Pädagogische Fakultät der Ost-Berliner Humboldt-Universität die Ehrendoktorwürde. (Quelle: nach Wikipedia)
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