Details

Autor Recalcati, Massimo
Verlag Verlag Turia + Kant
Auflage/ Erscheinungsjahr 01.10.2024
Format 20 × 12 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 212 Seiten
Gewicht 282
ISBN 9783985141029

Zu diesem Buch

Das Leben ist von Beginn an durchzogen von Verlusten: Von der Ausstoßung aus dem heimeligen Mutterleib am Lebensanfang bis zum Sich-Selbst-Verlorengehen, vielleicht in der Demenz, und der eigene Auslöschung im Prozess des sterbens, den der Tod abschließt.

Diesem faktenbasierten Befund aus der Lebenswirklichkeit liegt dem Essay des italienischen Psychoanalytikers Massimo Recalcati zugrunde. In diesem Essay fragt er, welche Formen der Umgang mit dieser meist verdrängten Tatsache annehmen kann, wenn sie in ihrer radikalsten Form erscheint: als Verlust eines geliebten Menschen, der Heimat, oder einer Sache, eines Projektes,welche dem Leben Sinn verliehen hat. - Im Rückgriff auf seine reiche klinische Erfahrung als Psychoanalytiker zeigt Recalcati mögliche Extremreaktionen angesichts solcher Katastrophen, etwa die manische Weigerung, sich dem schmerzhaften Prozess der Trauer zu stellen, oder die melancholische Unfähigkeit, das verlorene Objekt loszulassen.

Ausgehend von einer Auseinandersetzung mit Freuds Gedanken zu Trauer und Melancholie, aber auch durch eine erneute Lektüre Jacques Lacans und mit Impulsen aus der Philosophie Nietzsches und der Literatur erarbeitet Recalcati eine Phänomenologie der Trauer. Diese geht auch über die individuelle Erfahrung hinaus und diskutiert künstlerische und architektonische Werke, in denen der bewahrende und zugleich transzendierende Charakter der Trauerarbeit sichtbar wird. Das Licht der toten Sterne verweist dabei schlussendlich auf einen Horizont der Hoffnung, das heißt, auf die Möglichkeit, nicht trotz, sondern durch die Trauer eine Öffnung auf die Zukunft hin zu schaffen.

Aus der Einleitung

"Im Mittelpunkt dieses Buches steht die Beziehung zwischen dem menschlichen Leben und der trauma tischen Erfahrung des Verlustes. Was geht in uns vor, wenn Krankheit und Tod uns Menschen aus den Armen reißen, die unserem Leben und unserer Welt einen Sinn gegeben haben? Wenn wir diejenigen verlieren müssen, die wir so sehr geliebt haben? Aber auch, wenn Ideale, für die wir gelebt haben, unwiderruflich zerstört werden, oder wenn wir ein Land oder ein Haus verlassen müssen, das unserem Leben Halt gegeben hat und mit dem wir zutiefst verbunden waren?

Das Trauma des Verlustes durchzieht unsere Existenz, denn das Leben kann nur durch seine unzähligen Toten fließen. Nicht nur durch diejenigen, die tatsächlich tot sind, sondern durch alle Tode - alle Verluste -, die wir symbolisch erfahren haben. Welche Leere hat sich in uns und außerhalb von uns aufgetan, die unser Leben so sehr belastet und uns - wie es unter den dramatischsten Umständen geschehen kann - dazu treibt, das Leben abzuleh nen? Und welche Arbeit muss geleistet werden, um zum Leben zurückzukehren? Was geschieht schließlich, wenn sich diese Arbeit als unmöglich erweist und wir uns ebenso verloren fühlen wie diejenigen, die wir verloren haben?

Die Erfahrung der Trauer nimmt den ersten Teil des Buches ein, der versucht, diese grundlegenden Fragen zu beantworten. Der zweite Teil ist der Nost algie gewidmet. So wie es verschiedene mögliche Schicksale für das Trauma des Verlustes und die damit verbundene Trauer gibt, so gibt es auch verschiedene Formen der Nostalgie: Die Trauer kann chronisch werden (Melancholie), sie kann scheinbar verleugnet werden (Manie) oder sie kann zu einer realen und fruchtbaren symbolischen Arbeit rund um die Leere führen, die durch den Verlust des Objekts entstanden ist (Trauerarbeit). Und doch kann, wie wir im Einzelnen sehen werden, keine Trauerarbeit jemals vollständig abgeschlossen wer den. Es bleibt immer ein Rest, etwas nicht zu Tilgen des, das uns verbietet, uns vollständig von unseren Verlusten zu lösen. In diesem Sinne hat die Nostal gie eine besondere Beziehung zu diesem untilgbaren Rest, den die Trauerarbeit nicht absorbieren kann. Das ist die Gemeinsamkeit von Nostalgie und Trauer: Der unumkehrbare Charakter des Verlustes ist mit dem Bedürfnis verbunden, das Verlorene wie derzuerlangen. Doch niemand kann vom Tod zurückkehren, genauso wie niemand in die mythische Zeit zurückkehren kann, in die uns die Nostalgie versetzen möchte. Weder die Trauerarbeit noch das Gefühl der Nostalgie können tatsächlich wie derherstellen, was wir für immer verloren haben.

Aber Nostalgie kann zwei verschiedene Gesichter haben, wie ich in diesem Buch zu zeigen versuche: Das erste ist das Gesicht der Wehmut, das zweite jenes der Dankbarkeit. Das Nostalgie Bedauern nimmt die Form der Erinnerung an eine glückliche, aber unwiederbringlich verlorene, wenn auch immer wieder herbeigesehnte, Vergangenheit an. Diese Nostalgie signalisiert die anhaltende Trauer um das, was wir verloren haben und was uns nie mals zurückgegeben werden kann: die Mutter, die Kindheit, die Kraft der Jugend, die Möglichkeiten, die Liebe, ein anderes Leben, Projekte usw. Es ist die Grundbedingung jeder Trauer: (....)"

Inhalt

  • Einleitung 7
  • Trauer und Trauerarbeit 13
  • Nostalgie 105
  • Nostalgie und Dankbarkeit 159
  • Gespräch mit Massimo Recalcati
  • von Stefano Vastano 179
  • Bibliografie 203

Der Autor

Massimo Recalcati lebt und arbeitet als Psychoanalytiker in Mailand. Er lehrt Dynamische Psychologie an der Universität von Verona und Psychoanalyse, Ästhetik und Kommunikation am IULM in Mailand. Er ist wissenschaftlicher Leiter der Spezialisierungsschule für Psychotherapie IRPA, Forschungsinstitut für angewandte Psychoanalyse. Im Jahr 2003 gründete er Jonas Onlus, ein psychoanalytisches Klinikzentrum für neue Symptome. Zahlreiche erfolgreiche Buchpublikationen, die in mehrere Sprachen übersetzt sind. Bei Turia + Kant ist »Der Stein des Anstoßes. Lacan und das Jenseits des Lustprinzips« erschienen.

Die Übersetzer

Stefano Vastano, Journalist, Autor und Übersetzer, lebt und arbeitet seit 1989 in Berlin. 2023 veröffentlichte er »Filosofia dell'effervescenza. Estetica, etica e politica nel pensiero di Peter Sloterdijk« (Mimesis, Mailand).

Nadine Hartmann ist Kulturwissenschaftlerin und klinische Psychologin. Sie arbeitet als Psychoanalytikerin in eigener Praxis und als Dozentin für Theorie und Ästhetik in Berlin.

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