Details

Autor Altmeyer, Martin
Verlag Psychosozial-Verlag
Auflage/ Erscheinungsjahr 09.2023
Format 21 × 14.8 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Hardcover
Seiten/ Spieldauer 454 Seiten
Gewicht 754
ISBN 9783837931969

Zu diesem Buch

Der klassische Sozialcharakter hat sich diversifiziert. Heute tummelt sich auf den Bühnen moderner Kommunikationsgesellschaften ein buntes Gemisch – Influencer und Blogger, Gamer und Trader, Querdenker und Wutbürger, Verschwörungsgläubige und Satanisten, esoterische Sinn- oder Gottsucher, zudem engagierte Klima- und Sozialrebellen einer moralisch hochsensiblen wie politisch hellwachen Generation Z, die den Konsumismus der Generation X wie den Pragmatismus der Generation Y hinter sich lässt. Miteinander teilen all diese Gruppierungen einen gegenwartstypischen Hang zur performativen Selbstentfesselung: Zeigen wir der Welt, wer wir sind!

In einer unruhigen Gegenwart mit ihrer Anhäufung bedrohlicher Krisen navigiert das entfesselte Selbst auf ambivalente Weise: psychisch zwischen innerer Befreiung und äußerer Enthemmung, soziokulturell zwischen Identitätshoffnungen und Zukunftsängsten, kosmopolitisch zwischen dem Menschheitsfortschritt einer zusammenwachsenden Welt und der totalitären Versuchung durch geschichtlich längst diskreditierte Ideologien, die der anschwellende Panpopulismus wieder aufleben lässt. Aus der Perspektive einer relationalen Psychoanalyse betreibt Martin Altmeyer zeitdiagnostische Aufklärung als Selbstaufklärung.

Inhalt

  • Prolog
    Mentale Zeitenwende und eine Welt in Unruhe: zur Ambivalenz und Aktualität der Entfesselungsmetapher
  • Statt einer Einleitung
    Mittendrin statt nur dabei: der Massensport als Seismograph des Zeitgeists

Teil I - Psychische Entfesselung oder das Seelenleben zwischen Befreiung und Enthemmung

  • 1 Die exzentrische Psyche. Warum Menschen aus sich herausgehen und aller Welt zeigen, was in ihnen steckt
    Von innen nach außen: Sei du selbst und zeige, wer du bist!
    Jenseits des Heldentums: die postheroische Persönlichkeit
    Hinter der Selbstdarstellung: eine Suche nach Anerkennung
  • 2 Der maskierte Narzissmus. Wie sich hinter der scheinbaren Selbstbezogenheit ein Bedürfnis nach Anerkennung verbirgt
    Trieb- oder Umweltmodell: Freuds Theorieambivalenz
    Im Blick des Anderen: die intersubjektive Bedeutung der Spiegelmetapher
    Das narzisstische Paradox: Abhängigkeit versus Unabhängigkeit
  • 3 Die Erfindung des Säuglings. Wie sich das frühkindliche Seelenleben aus Umweltinteraktionen erschließen lässt
    Eine Frage des psychischen Ursprungs: Autismus oder mentale Bezogenheit
    Der Vorrang des Sozialen: eine interpersonelle Entwicklungstheorie
    Einsichten ins Seelenleben: Konstruktion oder Rekonstruktion
  • 4 Das relationale Unbewusste. Wie ein heimliches Seelenscharnier die innere mit der äußeren Realität verbindet
    Der virtuelle Andere: eine Beziehung im Wartestand
    Regression oder Progression: zwei Wege aus der Symbiose
    Im Dienst der Anpassung: das Unbewusste als der »große Konformist«
  • 5 Paradoxien des Selbst. Weshalb Individuierung und Vergesellschaftung zwei Seiten der seelischen Entwicklung sind
    Festhalten an der Amöbensage: die Legende vom vorsozialen Selbst
    Winnicotts Korrektur: ein Gefüge aus Umwelt und Individuum
    Metaphernaustausch: vom seelischen Apparat zur vernetzten Seele
  • 6 Innen, Außen, Zwischen. Wozu eine moderne Psychoanalyse ihr klassisches Trieb durch ein Beziehungsmodell der Seele ersetzt
    Das Paradigma der Intersubjektivität: Ich ist ein Anderer
    Die Psyche als Beziehungsorgan: Kontakte suchen, Verbindungen herstellen, Netzwerke knüpfen
    Das Ende der Monadentheorie: Konvergenz in der Basistheorie der Humanwissenschaften
  • 7 Glaube oder Wissen. Wie uns eine fatale Neigung zum Psychofundamentalismus in die Untiefen der Gegenaufklärung führt
    Ausgrenzung des Fremden: ein Dilemma im psychoanalytischen Identitätsdiskurs
    Lebensgeschichte als Gerücht: no memory, no desire, no understanding
    Messianische Verlockung: Abwege autoritärer Deutungsmacht

Teil II - Soziokulturelle Entfesselung oder Heil und Unheil aus der Büchse der Pandora

  • 8 Eine Urformel des Mentalen. Wie sich das Selbstgefühl in einer Dreiecksbeziehung aus Ich, dem Anderem und der Realität bildet
    Die abwesende Außenwelt: zur triadischen Struktur von Psychotherapie
    Der Ödipuskomplex: ein klassisches Dreiecksmodell der Ichbildung
    Epistemische Verwirrung: das Dritte im psychoanalytischen Pluralismus
    Exkurs: das Eifersuchtsdrama am Fallbeispiel einer Paartherapie
  • 9 Das Internet als Resonanzsystem. Wie Echo- und Spiegelwirkungen einer medialisierten Lebenswelt unser Seelenleben durchdringen
    Eine Ökonomie der Aufmerksamkeit: die authentische Persönlichkeit als Edelware
    Im mentalen Kapitalismus: das Selfie als universelles Massenprodukt
    Früher war alles besser: Medienschelte, Modernekritik und Kulturpessimismus
  • 10 Morden im Rampenlicht. Warum auch das Böse sich öffentlich präsentiert und sein Publikum braucht
    Der unzurechnungsfähige Täter: die Entlastungsfunktion der Ursachenlogik
    Eine Lust am Töten vor Zeugen: die szenische Phänomenologie der Gewalttat
    Die Inszenierung von Bedeutung und Allmacht: ein grandioses Selbst in Aktion
  • 11 Quellen der Destruktivität. Weshalb menschliche Vernichtungswut auf schwere Entgleisungen im Zwischenmenschlichen verweist
    Weder von innen noch von au.en: die Sozialpathologie des Bösen
    Im Namen der höheren Moral: ein Sprung über Gewissen und Schuld
    Leerstellen im westlichen Wohlstandsmodell: Botho Strauß und Jürgen Habermas über Sinnverlust
  • 12 Selbstfindung statt Lustgewinn. Wieso nicht mehr Sexualität, sondern Identität das seelische Hauptproblem unserer Zeit ist
    Symptomverschiebung oder Strukturwandel: das verunsicherte Selbst in der reflexiven Moderne
    Auf dem Weg zur Post-Privacy: das prekäre Verhältnis von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit
    Der Identitätsanker als Identitätsfalle: ein Essenzialismus durch die Hintertür
  • 13 Sackgassen in »Wokistan«. Wo im gerechten Kampf gegen Diskriminierung die Fallen der Selbstgerechtigkeit lauern
    Selbstviktimisierung: die Opferfalle
    Kulturelle Aneignung: die Authentizitätsfalle
    Aufspaltung in Gruppen: die Partikularismusfalle
    Relativierung des Holocaust: die Falle des Postkolonialismus
    Sex oder Gender: die sozialkonstruktivistische Falle
  • 14 Je schlimmer, desto besser! Warum sich eine kritisch angewandte Psychoanalyse auf die Pathologien der Moderne fixiert
    Von der Neurasthenie zum Narzissmus: kurze Jahrhundertgeschichte des Sozialcharakters
    Exkurs: das Schicksal der autoritären Persönlichkeit im geteilten Nachkriegsdeutschland
    Konkurrierende Zeitdiagnosen: die rasende Zeit oder das erschöpfte Selbst
    Nach uns die Sintflut: die Postmoderne und das angebliche Ende des Subjekts

Teil III - Kosmopolitische Entfesselung oder die Geburtswehen einer zusammenwachsenden Welt

  • 15 Irren ist menschlich. Wie ein gefährliches Virus wahnhafte Verschwörungstheorien beflügelt und geliebte Weltbilder bestätigt
    Bewältigung von Angst: die beruhigende Wirkung von Wahnsystemen
    Kreativität auf Abwegen: die Welt neu erfinden, die man vorfindet
    Vor Irrtümern ist niemand gefeit: Kapitalismus führt zum Faschismus
  • 16 Verlust der großen Utopie. Weshalb auch die 68er-Generation Vergangenheit zu bewältigen und Trauerarbeit zu leisten hat
    Unter dem Pflaster der Strand: ein kollektiver Traum von der befreiten Gesellschaft
    Sexualität und Klassenkampf: von der antiantiautoritären Revolte zur sozialen Revolution
    Das rote Jahrzehnt: Heilsgewissheiten und eine andere Unfähigkeit zu trauern
  • 17 Sehnsucht nach dem Feind. Weshalb die Dunkelschichten im deutschen Linksterrorismus immer noch auszuleuchten bleiben
    Die Attraktivität der RAF verstehen: Reemtsma gegen Richter
    Macht Schluss mit dem Todestrip: von der Hypermoral zur Opferidentität
    Antisemitismus trifft Antikapitalismus: die »Geldjuden« und der »Judenknax«
  • 18 Das Paradies im Himmelreich. Womit ein totalitärer Islam den gottlosen, mammonistischen und dekadenten Westen herausfordert
    Eine verhängnisvolle Kriegserklärung: die Aufwertung des Dschihad
    Der Streitfall um Deutungshoheit: Islamofaschismus oder Islamophobie
    In den Dunkelkammern der Vormoderne: die Mär vom »Goldenen Zeitalter«
  • 19 Das Rätsel um Donald Trump. Wie ein eifernder Nationalchauvinismus die älteste, stabilste und mächtigste Demokratie der Welt ins Wanken bringt
    Make America great again: die Einfühlungskunst eines Rattenfängers
    Zuflucht bei alternativen Wahrheiten: ein Volkstribun und sein Volk
    Polarisierung durch Kulturkampf: der ideologische Einflüsterer hinter den Kulissen
  • 20 Seelenverwandtschaften. Wie im Fahrwasser radikaler Globalisierungskritik die weltanschaulichen Gegensätze verschwimmen
    Der Fußballhooligan im Gotteskrieger: Bereitschaft zur Attacke
    Das Rechte im Linken: Hass gegen System und Kapital
    Der Kommunist im Islamisten: Sehnsucht nach der »Großen Harmonie«
  • 21 Das Unbehagen in der Kultur. Woher der anschwellende Panpopulismus seine rebellischen Widerstandsenergien bezieht
    Verlustangst, Verteidigungsbereitschaft und Gewaltphantasie: der kommende Aufstand
    Mentale Zumutungen der Gegenwartsmoderne: Bürger in Wut
    Die weltoffene Gesellschaft in der Defensive: ein Rebound der Globalisierung
  • Epilog - Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch: Geschichtsoptimismus gegen Weltuntergangsstimmung

Literatur /Personenregister /Sachregister /Nachweise

Der Autor

Martin Altmeyer, Frankfurt/Main, Angehöriger der 68er-Generation, Privatdozent für psychoanalytische Psychologie, Mitglied der International Association for Relational Psychoanalysis and Psychotherapy (IARPP). Er war als Psychotherapeut in Kliniken der Reformpsychiatrie, als Leiter der Personal- und Organisationsentwicklung bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und in eigener paar- und familientherapeutischer Praxis tätig. Autor zahlreicher Fachbücher, Zeitschriftenaufsätze und Medienbeiträge zum Verhältnis von Seelenleben und Lebenswelt.

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