Details
Herausgeber | Müller, Thomas; Schmidt-Michel, Paul-Otto; Schwarzbauer, Franz (Hg.) |
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Verlag | Psychiatrie u. Geschichte |
Auflage/ Erscheinungsjahr | Erstausgabe, 2012 |
Format | 18 × 28 cm (Querformat) |
Einbandart/ Medium/ Ausstattung | Paperback |
Seiten/ Spieldauer | 128 Seiten |
Abbildungen | Mit Abb. und Fotos im Text |
Gewicht | 470 |
SFB Artikelnummer (SFB_ID) | SFB-003346_AC |
Zu diesem Buch
Als das Mahnmal unserer Klinik in Ravensburg-Weissenau, das auch unter dem Namen „Denkmal der Grauen Busse“ bekannt ist, im September 2011 in Köln vor dem Gebäude des Landschaftsverbands aufgestellt wurde, dem Rechtsnachfolger der Einrichtung, die während des Nationalsozialismus verantwortlich für viele der psychiatrischen Einrichtungen dieser rheinischen Region war, diskutierte der Kultur- und Medienausschuss des Bundestages in Berlin über das Für und Wider eines zentralen Gedenkorts für die Opfer der sogenannten Euthanasie in der Hauptstadt unseres Landes. Diese Debatte war auch durch das Ravensburger Mahnmal im Januar 2008 mit angestoßen worden, als dieses vor der Berliner Philharmonie aufgestellt wurde.
Als Täter-„Werkzeug“ des mordenden Personals von Grafeneck soll dieses Mahnmal an die nach aktuellem Forschungsstand 10.654 Opfer der sogenannten „zentralen Euthanasie“ während der Psychiatrie im Nationalsozialismus erinnern, die allein an diesem Ort auf der Rauen Alb bei Münsingen im Rahmen der in Berlin geplanten und via Stuttgart umgesetzten, sogenannten „zentralen Euthanasie“ getötet wurden. Sie waren Teil der insgesamt ungefähr 300.000 Menschen, psychisch Kranke und Menschen mit Behinderung, von denen wir – geschätzt, aber begründet – annehmen müssen, dass sie im damaligen deutschen Staatsgebiet Opfer der zentral geplanten wie der dezentral durchgeführten Tötungen im Rahmen der „Euthanasie“ wurden.
Der künstlerische Entwurf, zudem nun seit Sommer 2012 ein erster Katalog vorliegt, sah seinerzeit vor, dass der mobile Teil des Mahnmals jeweils neue Standorte „er-fahren“ sollte, doch war seinerzeit an Strecken in Baden-Württemberg gedacht, die regionale ‚Heilanstalten‘ und Herkunftsorte von Patientinnen und Patienten mit dem Todesort Grafeneck verbinden sollten. Dass das Mahnmal bereits nach einem Jahr die Aufmerksamkeit der Interessierten in der Hauptstadt unserer Republik und später auch anderswo er-fuhr, war nicht vorhersehbar. Die große Bekanntheit, die dem Mahnmal inzwischen zu eigen ist, könnte es zum Kernsymbol für diese Opfergruppe machen.
Ein größerer Gegensatz zu traditionellen Mahnmalsformen und deren Nimbus von Ehrfurcht, Würde und Pathos ist kaum vorstellbar. Das Denkmal der Grauen Busse - nicht aus Bronze gegossen oder in Stein gehauen, sondern aus grauem Stahlbeton computergesteuert in Form gebracht - ragt als rätselhafter Fremdkörper in den Straßenraum. Von weitem mag es in seiner blockhaften Gestalt schroff und abweisend wirken. Beim Näherkommen öffnet es sich in der Mitte zu einem Gang durch die Geschichte.
Die Publikation zum Denkmal der grauen Busse vereint Beiträge zur Geschichte und Erinnerungskultur der nationalsozialistischen »Euthanasie« und dokumentiert die Stationen der Reise des mobilen Denkmals zwischen Ravensburg und Berlin.
Das Denkmal der grauen Busse ist ein »zweigeteiltes Erinnerungszeichen« (Horst Hoheisel, Andreas Knitz). Die beiden identischen Skulpturen aus Beton sind Nachbildungen jener Transportbusse, mit denen die Patientinnen und Patienten seinerzeit in die Tötungsanstalten gebracht wurden. Mit dem Denkmal wird der Opfer gedacht; aber auch Tat und Täter werden durch die Form des Busses reflektiert. Während der eine Bus die Alte Pforte der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Weißenau blockiert, ist der zweite Bus bis heute mehr als sechstausend Kilometer bewegt worden.
In den Beiträgen geht es zum einen um die historische und medizinhistorische Auseinandersetzung mit dem Thema »Euthanasie«, und zu dieser Geschichte gehört auch die verdrängte Nach-Geschichte, deren Schatten bis in die Gegenwart reichen.
Im Zentrum anderer Beiträge steht die Frage, ob und wenn ja, welche künstlerischen Antworten gefunden werden können, um der Opfer von Gewalt und Terror zu gedenken. Einen dritten Teil stellt die Dokumentation dar, die jene Orte aufführt, an denen der mobile Teil des Denkmals der grauen Busse der Öffentlichkeit übergeben wurde.
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