Details

Autor Rugenstein, Kai
Verlag Psychosozial-Verlag
Auflage/ Erscheinungsjahr 09.2024
Format 20.5 × 12.5 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 152 Seiten
Gewicht 196
Reihe Analyse der Psyche und Psychotherapie
ISBN 9783837932270

"Die Übertragung stellt sich in allen menschlichen Beziehungen ebenso wie im Verhältnis des Kranken zum Arzte spontan her, sie ist überall der eigentliche Träger der therapeutischen Beeinflussung, und sie wirkt um so stärker, je weniger man ihr Vorhandensein ahnt. Die Psychoanalyse schafft sie also nicht, sie deckt sie bloß dem Bewusstsein auf und bemächtigt sich ihrer, um die psychischen Vorgänge nach dem erwünschten Ziele zu lenken.“ (S. Freud, 1910)

"Es wird deutlich, daß die analytische Beziehung als ein Ineinandergreifen von Übertragung und Gegenübertragung von beiden Beteiligten zu verstehen ist. Übertragung bedeutet dann das Wahrnehmen und Handeln im bisherigen eigenen Beziehungssystem, Gegenübertragung bedeutet Wahrnehmen und Handeln im Beziehungssystem des Beziehungspartners. Was sich in der analytischen Beziehung entwickelt, ist aus dieser Sicht als unbewußte Inszenierung einer gemeinsamen Szene zu verstehen. Wenn also inzestuöse Phantasien und grenzüberschreitende Handlungen auftreten, dann kann die Initiative von jedem der beiden ausgegangen sein. Der Therapeut ist in jedem Fall betroffen von und beteiligt an allem, was geschieht und was nicht geschieht. Daraus ergibt sich, daß die Suche nach dem >Schuldigen< überflüssig wird, also auch die Zuschreibung: >Die Patientin hat mich verführt<. Stattdessen ergibt sich für den Therapeuten die eindeutige Verantwortung in dem gemeinsamen Geflecht von Übertragung und Gegenübertragung, die einseitige Rollenverteilung zwischen Therapeut und Patient strikt einzuhalten. Der Therapeut ist hier Therapeut und nichts anderes, nicht Mutter, nicht Vater, nicht Ersatzpartner, nicht Patient! Und der Patient ist ebenfalls nichts anderes als Patient. Er braucht diesen Platz wie das Kind seinen Platz als Kind braucht. Trotzdem ist er nicht das Kind (des Analytikers). (...)"

Thea Bauriedl. (1998): Ohne Abstinenz stirbt die Psychoanalyse. in: Forum Psychoanalyse 14: 342-363

Zu diesem Band der Reihe

In den Vorstellungen darüber, was Übertragung ist und wie es mit ihr umzugehen gilt, zeigen sich deutlicher als bei jedem anderen psychoanalytischen Konzept die Positionen zu Grundfragen der psychodynamischen Theorie und Praxis. Inwieweit ist die analytische Beziehung eine bloße Wiederholung von Vergangenem, eine geheimnisvolle Kommunikation von Unbewusst zu Unbewusst, eine aufgabenorientierte Zusammenarbeit, eine reale Neuerfahrung oder etwas ganz Anderes?

Kai Rugenstein stellt die einflussreichsten Modelle von Übertragung und Gegenübertragung vor und entwickelt in Orientierung an der intersubjektiven Triebtheorie Jean Laplanches ein zeitgemäßes Verständnis verschiedener Übertragungsphänomene. Abschließend widmet sich der Autor konkreten Fragen der Behandlungstechnik und regt Leserinnen und Leser mit klinischen Beispielen dazu an, selbst eine Übertragung zu vollziehen: einen Transfer des vermittelten Wissens in die eigene Praxis.

Inhalt

Einleitung: Übertragungen überall

Kontexte von Freuds Begriffsbildung

  • Rhetorisches Übertragungsmodell: Metapher
  • Medizinisches Übertragungsmodell: Infektion
  • Magnetistisches Übertragungsmodell: Rapport
  • Linguistisches Übertragungsmodell: Übersetzung

Entwicklung des Übertragungsbegriffs im Denken Freuds

  • Entdeckung des Phänomens in der Praxis
  • Theorie der falschen Verknüpfung
  • Erste Definition: Übertragung als Affektverschiebung
  • Zweite Definition: Übertragung als Beziehungsform
  • Auftritt der Gegenübertragung

Konfliktlinien innerhalb des Freud’schen Übertragungskonzepts

  • Übertragung als Fantasie – Übertragung als Realität
  • Übertragung als Wunschanheftung – Übertragung als Objektersetzung
  • Gegenübertragung als Störung der Kommunikation – Gegenübertragung als Kommunikation von Unbewusst zu Unbewusst
  • Zur Technik: Beherrschen – Deuten – Handhaben

Gegenübertragung heute: Von der Sackgasse zum Königsweg?

  • Gegenübertragung als Forschungsinstrument
  • Übertragung ↔ Gegenübertragung

Therapeutische Allianz und Übertragung

  • Allianz als Übertragung
  • Allianz versus Übertragung

Die intersubjektive Dynamik der Übertragung: Sich abarbeiten am Anderen

  • Ursprung der Übertragung: Die anthropologische Grundsituation
  • Bewältigung der Übertragung: Übersetzung und Überbleibsel
  • Wiederaufnahme der Übertragung: Die analytische Situation

Mit Übertragung und Gegenübertragung arbeiten: Anregungen für die Praxis

  • Übertragungen erkennen: Übertragung oder Nichtübertragung?
  • Gegenübertragung oder Eigenübertragung?
  • Übertragung fördern: Zum Provokateur der Übertragung werden
  • Gegenübertragung zulassen: Sich befremden lassen
  • Übertragung deuten: Deuten der Übertragung oder Deuten in der Übertragung?
  • Übertragung begleiten: Supervision von Übertragung-Gegenübertragung oder Supervision in Übertragung-Gegenübertragung?
  • Zum Schluss: Ende der Übertragung oder Übertragung der Übertragung?
  • Zusammenfassung: Zehn Prinzipien für das Arbeiten mit Übertragung und Gegenübertragung

Literatur

Der Autor

Kai Rugenstein, Dr. phil. Dipl.-Psych., arbeitet als Psychoanalytiker in eigener Praxis in Berlin. Er ist Supervisor und Lehrtherapeut, Lehrbeauftragter an der International Psychoanalytic University sowie Mitherausgeber der Zeitschrift Forum der Psychoanalyse. Seine Arbeits- und Publikationsschwerpunkte sind Theorie und Methode der Psychoanalyse, psychodynamische Ausbildungs- und Konzeptforschung sowie Psychoanalyse im Feld geistes- und kulturwissenschaftlicher Diskurse. (Stand: August 2024)

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