Details

Autor Picard, Max
Verlag Marie Steiner Verlag
Auflage/ Erscheinungsjahr Neuausgabe 30.01.2004
Format 22,5 × 15 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Hardcover
Seiten/ Spieldauer 56 Seiten
Abbildungen Mit 1 Abb.
Gewicht 220
SFB Artikelnummer (SFB_ID) SFB-010491_AC

«Was für ein Angebot an den Menschen ist die Sprache, welch wunderbares Angebot, welche Gnade, durch ein solch lebendigmachend Lebendiges wie die Sprache Mensch sein zu dürfen»

Max Picard

Zu diesem Beitrag des Autors

Menschliche Kultur bedarf der Sprache, und Sprache in ihrem Ursprung ist Sprechen. Dieses zu pflegen wird immer notwendiger, diese Pflege zu wollen immer schwerer.

Verliert der Mensch das Wort, entzweit er sich dem geistigen Kern seines Wesens, er kann sich nicht mehr zu sich selbst verwandeln, er verkümmert. Wer heute aus den Erneuerungskräften der Sprache schöpfen will, findet bei Max Picard einen wesentlichen Ausgangspunkt.

Aus einer Rezension des Buches

"Wer kennt heute noch Max Picard (1888-1965), den Arzt und einflußreichen kulturkritischen Schriftsteller, der mit Werken wie »Das Menschengesicht« (einem grundlegenden Werk über die Physiognomik, noch vor jenem anderen von Rudolf Kassner erschienen), Die Welt des Schweigens und Die Flucht vor Gott, aber auch den schönen Jugenderinnerungen ´Das alte Haus in Schopfheim`, insbesondere aber durch ´Hitler in uns selbst` (eine scharfsichtige, radikale Analyse des Nationalsozialismus aus psychologisch-philosophischer Sicht, schon ein Jahr nach Ende des 2.Weltkrieges erschienen) und einer Reihe anderer einst zu den prominenteren Autoren der deutschsprachigen Welt gehörte und dem Rilke eines seiner späten Gedichte widmete. Die meisten seiner (mehrfach aufgelegten) Werke sind unterdessen vergriffen. Max Picard ist inzwischen in der Tat einer der Großen, zu Unrecht Vergessenen des deutschen Geisteslebens des 20. Jahrhunderts.

Umso mehr ist der mutige Entschluß des kleinen, neugegründeten Marie-Steiner-Verlages zu begrüßen, Picards 1953 erstmals erschienenen wichtigen Aufsatz «Wort und Wortgeräusch» wieder herauszubringen.

«Wortgeräusch» steht dem Autor, dem selbst ein wohltuend kultivierter Stil eigen ist, für korrumpierte Sprache, Sprachverfall (in Wort und Schrift), stil- und ordnungsloses Aneinanderreihen weitgehend sinnentleerter und abgenutzter Wortgemenge, Sprachhäcksel, Worthülsen (wie man heute sagt). Dem «Wort» im eigentlichen Sinn (welches «am Anfang» war, wie das Johannesevangelium sagt) mißt er dagegen eine ausgesprochen hohe, ja metaphysische, um nicht zu sagen sakrale Bedeutung zu. «Die Sprache der Welt des Wortes ist nahe dem Menschen, sie ist warm von der Menschennähe, die Sprache des Wortgeräusches ist menschenfern, kalt, menschenfernes Gemurmel, etwas, das nur wie durch Zufall zum Mittel der Verständigung hergerichtet worden ist. [...] Reduziert der Mensch das Wort zum Wortgeräusch, so wird nicht nur die Sprache reduziert, sondern auch er selber, denn der Mensch ist Mensch durch das Wort, nicht durch das Wortgeräusch.»

Sprache ist hier nicht einfach ein bloßes Verständigungsmittel, dessen man sich mehr oder weniger kultiviert oder anspruchslos bedienen kann. Die Sprache gehört einerseits zum Wesen des Menschen, ist andererseits aber vor allem auch etwas an sich, sie besitzt ein Sein auch ohne den Menschen, in ihr offenbart sich eine «göttliche Spur». In einem seiner späteren, nachgelassenen Fragmente wird Picard noch deutlicher: «Manchmal spüre ich, wie das Wort an Räume anstreift, die höher sind als es. Das ist beglückend. Ich habe das Gefühl, daß diese Räume zu erreichen sind – nach diesem Leben.»

Die Abhandlung Picards ist nun aber durchaus kein abstrakter, schwerverdaulicher «Brocken», sondern ein seltenes Beispiel eines Textes voller Weisheit und ganz ohne tiefsinnig sein wollendes Wortgeräusch. Der Leser wird immer wieder beglückt durch feinsinnige Beobachtungen wie etwa der folgenden: «Die Sprache wird gereinigt von dem Aggressiven durch die Tränen, die beim Tode eines geliebten Menschen durch die Worte fließen; und die Sprache, die zusammenschrumpft, wenn sie in die schmale Linie des allzu Zweckhaften gezerrt wird, dehnt sich und geht wieder auf, wenn die Freude über eine Geburt die Sprache durchwärmt.»

Keine Frage, die Katastrophe der Sprach-Unkultur ist längst über uns hereingebrochen, gewaltiger, als es der frühe Warner Picard wohl voraussehen konnte. Die «Degradierung des Wortes zur Parole», die Picard (in Hitler in uns selbst) als ein Kennzeichen der Diktatur erkannte und deren Durchbruch er in der Zeit der Naziherrschaft erlebte, hat heute, in unserer demokratischen, «friedlichen» Gesellschaft alle Dämme gebrochen. Das Verschleudern der Sprache, der große Schlußverkauf ist in vollem Gange.

Nur eine bewußte Rückbesinnung auf das, was Sprache eigentlich ist und sein kann, auf ihr Wesen und ihre Kraft und Möglichkeiten kann langfristig einen Ausweg eröffnen. In seinem ausführlichen Nachwort schlägt Otto Ph. Sponsel den Bogen von Picard («ohne ihn vereinnahmen zu wollen») zu Rudolf Steiner und dessen vertiefende Ausführungen zum Wesen der Sprache: «Max Picard ist ein Bote des vertieften und erweiterten Wortbegriffs aus der Geisteswissenschaft, ohne es selber gewußt zu haben.»

Das Anliegen dieses kleinen, feinen, gedankentiefen und sprachschönen Buches ist kein abseitig-luxuriöses, sondern ein für uns alle sehr zentrales: die Rettung und Bewahrung des Menschenbildes durch Rettung und Bewahrung der Sprache, des Wortes. Es ist ein rechtes Buch der Besinnung für jeden, dem dies ein Anliegen ist. Wem dürfte es keines sein? Insbesondere aber sollten alle, die aus Profession mit der Sprache umgehen, also Lehrer, Vortragende, Schreibende, Sprachgestalter, Schauspieler usw. dieses Buch zur eigenen Selbstkontrolle und inneren Bereicherung nicht übersehen."

Rezension von Michael Ladwein, in: ANTHROPOSOPHIE (Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags)

Der Autor

Max Picard (* 5. Juni 1888 in Schopfheim; † 3. Oktober 1965 in Neggio bei Lugano) war ein Schweizer Arzt und Kulturphilosoph.

Leben: Picards Urgroßvater war ein berühmter Rabbiner. Picard studierte in Freiburg im Breisgau, Berlin und München Medizin, hörte dabei aber auch philosophische Vorlesungen von Heinrich Rickert und Ernst Troeltsch. Er wurde Assistenzarzt in Heidelberg und anschliessend Arzt in München. 1918 gab er aufgrund des von ihm als mechanistisch empfundenen Medizinertums seine Tätigkeit als Arzt auf und liess sich als freier Schriftsteller im Tessin nieder, um schreiberisch diagnostisch und heilend tätig werden zu können.

Picard verfasste Werke zur Kunsttheorie, Kulturphilosophie und Kulturkritik. Bekannt wurde er zunächst durch die Arbeiten, die die menschliche Physiognomie zum Thema hatten, und in denen er dichterisch das Mysterium des menschlichen Gesichts charakterisierte und deutete und in Beziehung zum tierischen Antlitz sowie zu historischen Menschenbildnissen setzte. In dem Werk Die unerschütterliche Ehe ging er auf die Institution der Ehe ein und verteidigte diese gegen modernen Subjektivismus. Aufsehen erregte sein Buch Hitler in uns selbst. Höchst kritisch stand Picard in seinem Werk nach dem Zweiten Weltkrieg besonders dem Großstadtleben und den Massenmedien wie Radio und Fernsehen gegenüber, bei denen es keine Stille und kein Schweigen mehr gebe, auch die Psychoanalyse lehnte er ab. Er galt damit als unzeitgemäßer und antimoderner, jedoch nicht reaktionärer Denker.

1952 erhielt er den Johann-Peter-Hebel-Preis. Zu den Personen, die sich mit Picards Werk auseinandersetzten oder ihn bewunderten, zählen Rainer Maria Rilke, Joseph Roth, André Gide, Gabriel Marcel, Hermann Hesse und Rudolf Kassner.

Quelle: Wikipedia

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