Traumerzählungen in Psychotherapie und Supervision

Zu diesem Buch

Traumtheorie und Traumdeutung bilden das Fundament der Psychoanalyse und gehören deshalb zum Basiswissen tiefenpsychologisch und psychoanalytisch arbeitender Psychotherapeut*innen. In diesem Buch wird das Spannungsfeld zwischen dem Erleben einer unsichtbaren Wirklichkeit bei Nacht und dem Nachdenken bei Tage über die Psychoanalyse als „traumhafter“ Wissenschaft beleuchtet. Dabei werden empirische Forschungsergebnisse der Schlaf- und Traumforschung, sowie theoretische und konzeptionelle Zugänge zum Traum auf ihre klinische Relevanz geprüft und anhand klinischer Praxisbeispiele dargestellt.

Aus dem Vorwort der Autorin

Der Traum als disziplinübergreifender Gegenstand der Forschung, Träumen und Traum-Arbeit als Wegbereiter einer lebendigen, lernorientierten Praxis ist die Intention dieses Buches.

Die menschliche Traumwelt umspannt zwei Domänen: den Schlaftraum und den Wachtraum. Jede Nacht wird in wechselnden Zuständen und Zeitabschnitten geschlafen und geträumt. Schlaf und Traum sind physiologisch bedingte Vorgänge, die den Menschen seit Jahrhunderten beschäftigten. In archaischen Zeiten wurden Träume als nächtliche Eingebung angesehen, gefürchtet, untersucht und gedeutet. Wer Träume verstand, wurde verehrt oder verfolgt. In der modernen Forschung wurde der Traum dagegen zeitweise sogar als Neuronenrauschen nächtlicher Gehirnaktivität abgetan. Bis heute ist der Zustand des Träumens nicht entschlüsselt. Träumen ist ein unzugängliches, kaum zu fassendes phylogenetisches Phänomen.

Die anhaltende Faszination am Traum hat in der Moderne fachübergreifende Forschungsinitiativen hervorgebracht. In ihnen werden Schlaf und Traum mit je spezifischen Methoden, Perspektiven und Konzepten erkundet (Krovoza und Walde 2018). Berühmter Präzedenzfall einer neuen Forschungsrichtung ist die Psychoanalyse, die es ohne den Traum nicht geben würde (Freud 1900). Zeitgenössische Forschungseinrichtungen haben das Schlaflabor erfunden, in dem physiologische Vorgänge im Schlaf, sowie Trauminhalte und Traumabläufe systematisch erfasst und ausgewertet werden. Kluge Köpfe erstellen Hypothesen, Konzepte und Theorien, zu welchem Sinn und Zweck geträumt wird, und warum und wie die Traumbildung „funktioniert“. Unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen arbeiten gemeinsam „am Traum“ und diskutieren korrespondierende Ergebnisse und Korrelationen zwischen neurobiologischen und psychologischen Resultaten.

In der Forschungs-Community herrscht Übereinstimmung, dass Träume keine realen Sinneserfahrungen wiedergeben und überwiegend nicht-bewusst erlebt und selten erinnert werden. Es gilt als erwiesen, dass Reihenfolge und Ablauf der Schlafphasen und Traumbildungen sinnvoll angelegt sind und, dass sie physiologisch und mental notwendige Aufgaben erfüllen. Eine dieser Aufgaben ist die Gedächtnisbildung. Sind Schlaf und Traumtätigkeit des Menschen nachhaltig beeinträchtigt, führt die Störung auch zu Erinnerungsdefiziten und Gedächtnisverlust. Trauminhalte weisen unterschiedliche Merkmale auf, je nachdem welcher Schlafphase sie entstammen. Non-REM-Träume reflektieren alltägliche Themen und Handlungen, während das Traumgeschehen in REM-Träumen meistens eine hyperassoziative und bizarre Qualität aufweist. Ausgehend von übereinstimmenden Befunden der phänomenologisch-psychologischen und neurobiologischen Traumforschung, würden im REM-Traum episodische Erinnerungen kodiert (Llewellyn 2013).

Die Kapitel des Buches

• Grundlegende Konzepte von Traum
• Traumerzählung und Traumdeutung
• Klinisch relevante Beiträge der Traumforschung
• Die Bipolarität des Traums in der Psychoanalyse
• Traumerzählungen im klinischen Kontext
• Traumerzählungen in der Supervision
• Psychodynamische Traum-Arbeit

Die Autorin

Jutta Kahl-Popp, Dr. phil., ist Psychoanalytikerin und analytische Kinder- und Jugendlichensychotherapeutin (DPV, VAKJP, SPR) mit privater Praxis in Kiel. Sie ist in der universitären Lehre, als Dozentin, Supervisorin und Lehranalytikerin sowie als Gutachterin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung tätig.