Details
Autor | Hierdeis, Helmwart |
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Herausgeber | Seiffge-Krenke, Inge; Resch, Franz (Hg.) |
Verlag | Vandenhoeck & Ruprecht |
Auflage/ Erscheinungsjahr | 12.2017 |
Format | 18,5 × 12 cm |
Einbandart/ Medium/ Ausstattung | Paperback |
Seiten/ Spieldauer | 87 Seiten |
Abbildungen | Mit 14 teils farb. Abb. |
Reihe | Psychodynamik kompakt |
ISBN | 9783525406069 |
Zu diesem Band der Reihe
Der Bezug des Traums zum alltäglichen Erleben wurde schon früh erkannt. Dass Träume auf die psychische Verfassung des Träumenden verweisen, war die Entdeckung Sigmund Freuds. Die Psychoanalyse sieht im Traum ein »Fenster zum Unbewussten«, weil er wichtige Informationen über verdrängte Traumata und Konflikte liefern und zugleich mögliche Lösungen anbieten kann. Psychoanalytische Methoden tragen dazu bei, die eigenartige Sprache des Traums zu verstehen und damit Wege zum Selbstverständnis für alle Träumer, insbesondere aber für hilfesuchende zu öffnen. Von großer Bedeutung sind dabei auch die Erkenntnisse der modernen interdisziplinären Traumforschung.
Der Autor
Helmwart Hierdeis, Prof. Dr., ist Psychoanalytiker und war als Erziehungswissenschaftler an den Universitäten Bamberg, Erlangen-Nürnberg, Innsbruck und Bozen-Brixen tätig.
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Kommentar 1 von Dr. Hans Hopf
Das vorliegende Buch erscheint in der Reihe PSYCHODYNAMIK KOMPAKT, die im Verlag Vandenhoeck und Ruprecht von Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke konzipiert wurde und herausgegeben wird. Zielsetzung der Reihe ist es, gemäß Vorwort der beiden Herausgebern, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Kleingruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen – mit einer „schlanken Handreichung“ von 70 bis 80 Seiten pro Band.
Der schlanke Band hat es jedoch in sich. In fünf Kapiteln werden die Leserin, der Leser umfassend über den Stand des heutigen Traumverständnisses informiert. Gleich das erste Kapitel, mit dem Titel „Annäherungen“, überrascht. Es behandelt den Traum in der Alltagserfahrung und Alltagssprache. Ein herausragenderTeil, der den Kunstfreund begeistern wird, ist der Abschnitt „Der Traum in Kunst und Literatur“ mit vielen, teils farbigen Abbildungen etwa von Arnold Böcklin und Paul Klee, auch eine typische Zeichnung von Irmgard Hierdeis ist dabei. Sogar die Noten einiger Lieder und Klavierstücke wurden abgedruckt. Besonders beeindruckt hat mich dabei das Lied „Ich träumte von bunten Blumen“ aus Schuberts Winterreise. Das Musikstück taucht in der kalten und melancholischen Winterreise als leuchtende Impression des Monats Mai auf. Es wirkt wie eine Kompensation, wie sie C. G. Jung für den Traum beschrieben hat, ausgleichend zur depressiven Bewusstseinslage des gesamten Liederzyklus.
Das zweite Kapitel behandelt Freuds Traumdeutung. Es sollte vor allem von Studierenden sorgfältig gelesen werden, macht es doch Lust darauf, Freuds „Traumdeutung“ im Original zu lesen. In einem Abschnitt geht Hierdeis auf kritische Nachinterpretationen ein. Die wichtigste ist wohl die berühmte Arbeit „Das Traummuster der Psychoanalyse“ von Erik H. Erikson. Dieser Aufsatz wirkte vor allem bahnbrechend für die Rehabilitation des manifesten Trauminhaltes. Nach Hierdeis liest Erikson Freuds Traum und Deutung als Dokument einer Krise.
In einem dritten Kapitel berichtet Hierdeis über Traum und Traumverständnis nach Freud. Bei Adler und Jung steht der manifeste Traum im Mittelpunkt ihrer Analysen. Adler sieht bekanntlich in den Träumen ein Streben nach Überlegenheit, Macht und Herrschaft am Werk. Seiner Meinung nach gibt jeder Traum den unbewussten Lebensstil des Träumers wieder und versucht gleichzeitig ein Lebensproblem zu lösen. Er beschreibt auch eine prospektive Funktion. Jung erkennt in Träumen Selbstdarstellungen und beschreibt Archetypen, wie sie in Märchen und Mythen auftauchen. Jeder Traum lässt sich auch so behandeln, als sei er eine Erzählung, ein Narrativ. Auch das Träumen selbst ist ein Narrativ: Wir erzählen uns, wer wir sind – und wir erzählen es uns auch in den Bildern des Traums. Es folgt eine Diskussion des Ichs im Traum. Das Kapitel schließt mit Ergebnisse der empirischen Traumforschung.
Natürlich ist der Leser besonders gespannt auf das vierte Kapitel mit Beispielen für die psychoanalytische Arbeit an und mit Träumen. Hier betont Hierdeis einen kommunikativen Aspekt: „… jede Traumerzählung in der Analyse trifft auf einen Zuhörer, der – vor dem Hintergrund eigener persönlicher und professioneller Erfahrungen – Anteil nimmt, mitdenkt, mitfühlt, sich identifiziert oder auch Abstand zu gewinnen versucht und dabei seine wohlwollende Aufmerksamkeit aufrechterhalten will (S. 68). Am Beispiel eines Angst- und Straftraum eines 35jährigen Mannes zeigt Hierdeis seine sehr persönliche Arbeit auf. Es folgen Übertragung und Gegenübertragung im Traum. In diesem Kapitel diskutiert er auch den Gegenübertragungstraum, zu dem Hierdeis einen überaus hilfreichen Band herausgegeben hat. Hierzu meint er: „Es kommt darauf an, die Ankunft des therapeutischen Gegenübers im Traum ernst zu nehmen und – um der beiderseitigen Entwicklung willen – zu analysieren“ (S. 77).
In einem 5. Kapitel, Epilog genannt, greift Hierdeis nochmals zwei Bereiche auf. Im Abschnitt „Der Traum als Veränderungsanzeige“ zeigt Hierdeis auf, wie sich Veränderungen im Bewusstsein und ein entspannteres Gefühlsleben in den Träumen bemerkbar machen. Im zweiten Abschnitt geht Hierdeis der spannenden Frage nach ob es präkognitive Träume oder Wahrträume gibt, in denen Ereignisse vorweggenommen würden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten könnten. An einem eigenen Traum diskutiert der Autor, ob es denn wirklich solche Träume gibt. Dies nimmt Hierdeis nochmals zum Anlass, dass er seine Träume „persönlich“ nähme, und er schließt: „Die Erfahrungen der psychoanalytischen Traumdeutung legen uns nahe, dass die erinnerten Bild- und Szenenpartikel nicht nur auf ein komplexeres Traumgeschehen verweisen, sondern, wenn die Bildsprache des Traums entschlüsselt wird, einen Blick auf das Leben selbst erlauben“ (S.81).
Der schmale Band wird dem Titel der Reihe gerecht. Er ist „kompakt“, also dicht gefügt mit einer Fülle von Informationen. Er bietet eine überzeugende Einführung in das Thema und liest sich, dank der schnörkellosen Sprache des Autors leicht und flüssig. Es ist allen zu empfehlen, die sich über Träume informieren wollen, professionell Tätigen und Laien - ich denke auch Patienten.
27.08.2018, 20:32
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