Details
Autor | Loch, Wolfgang |
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Verlag | edition diskord |
Auflage/ Erscheinungsjahr | 1. Aufl. 1995 |
Format | 21,5 × 14,3 cm |
Einbandart/ Medium/ Ausstattung | Hardcover |
Seiten/ Spieldauer | 176 Seiten |
Gewicht | 321 |
SFB Artikelnummer (SFB_ID) | SFB-006803_MA |
Aus dem Vorwort des Autors
"Im Winter 1958/59 nahm ich in London zum ersten Mal an von Michael Balint geleiteten Seminaren mit praktischen Ärzten teil. Die Falldiskussionen in diesen Seminaren hatten das Ziel, die affektiv emotionale Dynamik der Arzt-Patient-/Patient-Arzt-Beziehung zu diagnostizieren, um mit ihrer Hilfe die Möglichkeit zu gewinnen, einen therapeutischen Einfluß auszuüben. Zugrunde lag die gesicherte Erfahrung, die von vielen Forschern, nicht nur von psychoanalytischer Seite, gemacht worden war, daß affektiv-emotionale Beziehungen psychisch pathogene Auswirkungen und / oder somatogene Effekte besitzen.
Ich war von der Methode, die ich in Balints Seminaren kennenlernte, tief beeindruckt. In den folgenden Jahren fuhr ich, so oft es ging, mindestens zweimal im Jahr nach London, um dort drei bis vier Tage lang die Gelegenheit zu haben, an von Michael Balint bzw. von seiner Frau Enid Balint geleiteten Seminaren mit praktischen Ärzten teilzunehmen. Wiederholt erlebte ich dort auch Dr. Pierre Turquet als Seminarleiter. Alle drei genannten Analytiker kamen zudem nicht selten nach Frankfurt (Dr. Turquet besuchte uns häufig auch in Tübingen) und übernahmen dann als Gäste die Führung der dort von Mitscherlich, Argelander und mir für praktische Ärzte eingerichteten Seminare.
Das allererste Balint-Seminar in der Bundesrepublik begann übrigens im Wintersemester 1960/61 in Frankfurt am Main. Alexander Mitscherlich fungierte als Leiter und ich als Koleiter. Nach zwei bis drei Jahren gaben wir dann die gemeinsame Leitung von Seminaren auf, weil wir inzwischen glaubten gefunden zu haben, daß, wenngleich psychologische Symptome überdeterminiert sind, es für den Lernenden eine zu starke Multiplizität der Meinungen gibt, wenn zwei Leiter, womöglich in früheren Stadien eines Kurses, sehr divergierende Auffassungen zur Diskussion stellen.
Seit 1960/61 habe ich nun jahraus-jahrein pro Woche mindestens eins, in aller Regel zwei Seminare mit praktischen Ärzten durchgeführt. Daneben hielt ich auch Seminare mit Klinikärzten ab, die methodisch von den mit praktischen Ärzten veranstalteten nicht wesentlich abwichen. Hierbei ist zu beachten, daß Balint-Seminare in Abhängigkeit von ihren Zielvorstellungen eine gewisse Wandlung erfahren haben. So versuchten wir anfänglich über einen längeren Zeitraum die Teilnehmer zu der Äußerung der Gefühle, die in der Sprechstunde mit einem Patienten sich einstellten, zu ermuntern.
In einer zweiten Phase ging es darum, mit Hilfe der Patient-Arzt/Arzt-Patient-Beziehung einen >fokalen< Konflikt zu erfassen, der gegenwärtig bei dem Patienten eine pathogene Rolle spielt (z. B. zwischen ihm und seinem Vorgesetzten, der die Rolle eines autoritären Vaters besetzt hat), und dessen systematische Bearbeitung dann für eine Reihe von Begegnungen mit dem Patienten im Mittelpunkt steht. Dieses Verfahren erwies sich aber als schwer durchführbar, es paßte nicht in die ärztliche Sprechstunde, insbesondere auch aus zeitlichen Gründen, zudem verlockte es zum »Import von Theorien«, worin eine besondere Gefahr besteht (E. Balint, I.e. S. 7), denn sie bewirken womöglich eine Indoktrina-tion ohne therapeutischen Effekt. In einer dritten Phase traten Bemühungen in den Vordergrund, die darauf zielten, dem Patienten zu helfen, seine Gefühle und seine Probleme zu verbalisieren, einmal diejenigen, die er in bezug auf seine >significant others< hegt, aber auch diejenigen, die mit der Situation in der Sprechstunde zusammenhängen. Beides sind Ziele, die ein integraler Bestandteil des Balint-Seminars sein sollten.
Schließlich wurde viertens in den letzten Jahren die sogenannte ´Episodentechnik` in den Mittelpunkt gerückt. Sie ist ganz ausgerichtet auf die Wahrnehmung kurzer, im hic et nunc der Sprechstunde zwischen Patient und Arzt und vice versa ablaufender, emotional-affektiver Interaktionen, und auf ihre Deutung, d.h. Verbalisierung. Im Grunde beruht diese Technik auf der Erfassung von Übertragungen und Gegenübertragungen. Wenn es ´gut` geht, gelingt es auf diese Weise nicht selten, die Einstellung des Patienten zu sich und zu seiner Umwelt im konstruktiven Sinne zu ändern, so daß Verstimmungen, ängstliche Reaktionen, Unsicherheiten, gekränkte Rückzüge usw. sich vermindern oder aufgegeben werden können. Insbesondere kommen günstige Wirkungen im Hinblick auf psychosomatische Störungen zustande, insofern es sich nicht um chronifizierte Psychosomatosen handelt oder um Zwangsneurosen bzw. tief verankerte psychoneurotische Krankheitsbilder.
Ein sehr wichtiger Punkt bezüglich der Balint-Seminare verdient besondere Hervorhebung: Wer durch ein Training in Balint-Seminaren eine ausreichende Kompetenz für den Umgang mit dem psychischen Faktor in der Sprechstunde erlangen will, sollte von vorneherein in Rechnung stellen, daß er über drei bis vier Jahre an einem Seminar, das wöchentlich über mindestens eineinhalb Stunden regelmäßig abgehalten wird, teilnehmen >muß<. Nur unter diesen Umständen kann es gelingen, daß genügend breit gestreute und genügend tiefe Erfahrungen sich ansammeln, die eine fruchtbare Erweiterung und Umsetzung in der täglichen Praxis ermöglichen und gar nicht selten auch eine persönliche Bereicherung darstellen."
Wolfgang Loch
Aus dem Inhalt
- Vorwort
- Studien zur Dynamik, Genese und Therapie der frühen Objektbeziehungen. Michael Balints Beitrag zur Theorie und Praxis der Psychoanalyse
- Über theoretische Voraussetzungen einer psychoanalytischen Kurztherapie. Anmerkungen zur Begründung der Fokaltherapie nach Michael Balint
- Balint-Seminare: Instrumente zur Diagnostik und Therapie pathogener zwischenmenschlicher Verhaltensmuster
- Sprechstunden-Psychotherapie. Training in Balint-Gruppen
- Die Arzt-Patient-Beziehung. Basis des ärztlichen Wirkens -Gegenstand der psychologischen Diagnose - Ziel der psychischen Therapie
- Die Balint-Gruppe. Möglichkeiten zum kontrollierten Erwerb psychosomatischen Verständnisses
- Aus der Praxis eines Balint-Seminars
- Einige Hinweise zur Praxis und Problematik der Balint-Gruppen-Leitung
- Balint-Seminare: Zweck, Methode, Zielsetzung und Auswirkung auf die Praxis
- Der psychische Faktor — seine Diagnostik und Therapie in der ärztlichen Sprechstunde
- Nachweise
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