Details

Herausgeber Pagel, Gerda; Broser, Stephan (Hg.)
Verlag Königshausen & Neumann
Auflage/ Erscheinungsjahr 1987
Format 21 × 13,8 × 1,2 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 158 Seiten
Abbildungen 1
Gewicht 205
SFB Artikelnummer (SFB_ID) SFB-000624_AC

Aus dem Vorwort der Herausgber

„Die Schicksalsfrage der Menschenart scheint mir zu sein, ob und in welchem Maße es ihrer Kulturentwicklung gelingen wird, der Störung des Zusammenlebens durch den menschlichen Aggressions- und Selbstvernichtungstrieb Herr zu werden. In diesem Bezug verdient vielleicht gerade die gegenwärtige Zeit ein besonderes Interesse. Die Menschen haben es jetzt in der Beherrschung der Naturkräfte so weit gebracht, daß sie es mit deren Hilfe leicht haben, einander bis auf den letzten Mann auszurotten.

Sie wissen das, daher ein gut Stück ihrer gegenwärtigen Unruhe, ihres Unglücks, ihrer Angststimmung. Und nun ist zu erwarten, daß die andere der beiden ,himmlischen Mächte', der ewige Eros, eine Anstrengung machen wird, um sich im Kampf mit seinem ebenso unsterblichen Gegner zu behaupten.” Diese Sätze finden wir in Freuds Schlußwort seiner 1929 erschienenen Arbeit Das Unbehagen in der Kultur. Das Werk, die Seelenlage jener Zeit spiegelnd, ist geprägt von kulturpessimistischem Denken einerseits, zeigt sich dem scharfsichtigen Analytiker Freud doch klar, daß die Errungenschaften von zivilisatorischem Fortschritt, Wissenschaft und Herrschaftsformen menschliche Triebstrukturen in intensivem Maße unterdrücken. Doch mit der ‚Aufklärung' über das ‚Unbehagen' bejaht es andererseits zugleich die Kultur als solche und zweifelt nicht an ihrer Notwendigkeit, liegt in ihr ja die Möglichkeit, eine auf der Grundlage gleicher Rechte und Pflichten basierende Verantwortung gegenüber sich selbst und dem anderen erreichen zu können.

Freuds Schrift: Ein immer wieder erneut unternommener Versuch, die Antinomie der Kultur - als Entfremdung des natürlich-triebhaft Menschlichen und als Er-füllung des eigentlichen Menschseins - zu erkennen und zu hinterfragen und die damit gesetzte innere Ambivalenz des Einzelnen aufzuzeigen. Zwischen Wunsch und Realität, Freiheit und Zwang, Lust und Leid — eine Ambivalenz, die sich letztendlich als diejenige zwischen Eros und Thanatos abspielt. Hatte Freud in der Erstauflage dieser Schrift noch von einem Kampf der ,himmlischen Mächte' gesprochen, so fügt er 1931 angesichts des bedrohlichen Aufstiegs der nationalsozialistischen Herrrschaft den Satz hinzu: „Aber wer kann den Erfolg und Ausgang vorraussehen?" [...]

Die Beiträge des Bandes

  • Karl Landauer: Zur psychosexuellen Genese der Dummheit
  • Hans Keilson: Wohin die Sprache nicht reicht
  • Kurt R. Eissler: Der Sündenfall des Menschen
  • Judith S. Kestenberg: Die Kinder der Verfolgten
  • William G. Niederland: Klinische Aspekte der Kreativität
  • Hillel Klein und Ilany Kogan: Identifikationsprozesse und Verleugnung im Schatten des Narzismus
  • Eddy de Wind: Begegnung mit dem Tod

Über die Autoren

K.R. Eissler wurde 1908 in Wien geboren. Er studierte Philosophie und Medizin, promovierte in beiden Fachrichtungen und absolvierte die Ausbildung zum Psychoanalytiker. 1938 emigrierte er in die USA, wo er bis 1940 im Billings-Hospital, Chicago beschäftigt war. Danach arbeitete er als Psychoanalytiker in New York.
Seine Publikationen beziehen sich auf Theorie, Technik und Geschichte der Psychoanalyse, wie auch auf die Psychologie des Genies.

Hans Keilson, geboren 1909 in Freienwald/Oder, studierte in Berlin Medizin und absolvierte gleichzeitig eine Ausbildung als Sportlehrer an der Preußischen Hochschule für Leibesübungen. Mit 22 Jahren schrieb Keilson den Roman ,Das Leben geht weiter. Eine Jugend in der Zwischenkriegszeit', der schon wenige Monate nach der Veröffentlichung auf die Verbotsliste gesetzt wurde. Als man 1934 über den jungen Mediziner und Schriftsteller Praxis- und Publikationsverbot verhängte, arbeitete er als Erzieher und Sportlehrer in jüdischen Institutionen.

1936 emigrierte Keilson nach Holland, wo er während der deutschen Besetzung als Arzt in der Widerstandsgruppe ,Vrije Groepen Amsterdam' tätig war. Nach dem Krieg begründete er die holländisch-jüdische Waisenorganisation ,Le Ezrat Hajeled', für die er bis 1970 arbeitete. Nach Erlangung des niederländischen Arztexamens und einer Ausbildung zum Nervenarzt und Psychoanalytiker (IPA) wurde er Mitarbeiter an der Kinderpsychiatrischen Universitätsklinik in Amsterdam.

Neben Romanpublikationen: 'Komödie in Moll', Novelle 1947; ,Der Tod des Widersachers' (auch in Holland, England und Amerika erschienen) und Gedichtveröffentlichungen in Zeitschriften und Zeitungen, u. a. deutschsprachige Gedichte in Holland unter dem Pseudonym Alexander Kailand in der holl. lit. Zeitschrift ,De Gemeenschap', sowie unter dem Pseudonym B. Cooper »holländische Anthologien'; ,Sprachwurzellos* 1986 — publizierte Keilson zahlreiche wissenschaftliche Fachartikel. 1979 erschien seine ausführliche Untersuchung »Sequentielle Traumatisierung bei Kindern. Descriptiv-klinische und quantifizierend-statistische follow-up Untersuchung zum Schicksal der jüdischen Kriegswaisen in den Niederlanden', Stuttgart (Enke). Seit 1985 war Keilson Präsident des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. Auszeichnungen: Ramaer Medaille (holl. Vereinigung für Psychiatrie); Silberne Medaille der Federation Internationale de la Resistance.

Judith S. Kestenberg, gebürtig aus Osteuropa, ist als Analytikerin in New York tätig. Sie nahm 1939 ihre Tätigkeit als Psychoanalytikerin auf. Seit 1959 bildete sie als Lehranalytikerin Kandidaten aus. Von 1963 an führte sie Langzeitstudien mit Kindern durch. Ihr Buch ,Movement Patterns in Development' fand weite Verbreitung in therapeutischen Ausbildungszentren. Über lange Zeit klinischer Professor der Psychiatrie an der Down State University, Brooklyn, New York, war sie zugleich an der Gründung des ,Child Development Research' beteiligt, einer Organisation, die sich der Vorbeugung von emotionalen Störungen bei Kindern widmen.
Im Jahre 1975 erschien ihre Aufsatzsammlung ,Children and Parents. Psychoanalytic Studies in Development', New York (Jason Aronson). In den letzten Jahrzehnten galt ihr Interesse vor allem dem Schicksal der Verfolgten des Holocaust und ihren Nachkommen. 1973 erschien in der Zeitschrift Psyche ihre Arbeit 'Psychoanalytische Beiträge zum Problem der Kinder der Uberlebenden'.

Hillel Klein wurde 1923 in Krakau/Polen geboren. 1939 war er Sekretär der jüdischen Untergrundbewegung in Krakau. Während der deutschen Okkupation Polens lebte er im Ghetto seiner Heimatstadt und war im Konzentrationslager Plaschow und anderen Lagern interniert. Nach seiner Befreiung aus dem KZ Theresienstadt arbeitete er als Jugendleiter im D.P. Kinderdorf Intersdorf. 1946-52 studierte er in München Medizin und arbeitete danach am Physiologischen Institut der Universität Lund/Schweden.

1954 wanderte Klein in Israel ein und bildete sich in Jerusalem (Talbieh-Hospital) zum Psychiater aus. 1958-64 arbeite er als Oberarzt im Hadassah-Universitäts-Krankenhaus zu Jerusalem. Nach seiner Fortbildung in England (Tavistock- und Anna-Freud-Klinik) wurde Klein psychiatrischer Konsultant in St. Gallen/Schweiz. 1964-66 nahm er die Tätigkeit als Psychiater im Gesundheitsministerium, Jerusalem, auf. 1966-85 war Klein Medizinischer Direktor der Psychiatrischen Klinik Eitanim (Jerusalem).
Er dozierte ab 1972 an der Hebräischen Universität und erlangte 1976 eine Professur an der Medizinischen Fakultät. 1964-68 war Klein Vizepräsident der Israel Group Psychiatry Assoziation, 1977-78 Präsident der Israelischen Psychoanalytischen Gesellschaft. Im Jahre 1982 wurde Klein Professor der Abteilung für neuzeitliche jüdische Geschichte an der Hebräischen Universität.

Auf vielen Auslandsreisen in USA, Spanien, England, Österreich, Schweiz und Deutschland hielt Klein wissenschaftliche Vorträge und leitete Seminare und Workshops in den Fachrichtungen Psychiatrie und Psychoanalyse.
Hillel Klein verstarb nach schwerer Krankheit am 14.12.1985 in Jerusalem.

Ilany Kogan, geb. 1946 in Bukarest/Rumänien wanderte 1957 nach Israel aus. Sie studierte Psychologie, Soziologie und Englische Literatur an den Universitäten Jerusalem und Tel Aviv und wurde 1972 M.A. in Klinischer Psychologie.

Ab 1973 arbeitete Kogan als Psychologin in der Psychiatrischen Klinik ,Beer-Yaakov', Israel, in ,The Veterans Administration Hospital', Palo Alto, California und im ,Beit-Hashi-kum-Hospital', Nes Ziona, Israel.
Nach ihrer Ausbildung in Psychotherapie und Psychoanalyse in Tel Aviv und Jerusalem (I.P.A) war Kogan von 1978-1985 als psychotherapeutische Supervisorin im ,Beer-Yaakov-Hospital' tätig. Seit 1985 arbeitet sie im Psychotherapeutischen Institut (Medical-School) der Universität Tel Aviv.

Karl Landauer, geboren 1887 in München, studierte in Freiburg, Berlin und München Medizin. 1912 ging er nach Wien, um sich bei Sigmund Freud in Psychoanalyse, bei Wagner-Jauregg in Psychiatrie und Neurologie ausbilden zu lassen. Im Oktober 1913 trat Landauer der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft bei.

Mit Ausbruch des 1. Weltkriegs wurde Landauer zum Armeedienst eingezogen, wo er als medizinischer Offizier an der West- und Ostfront tätig war. Während seiner Stationierung in Heilbronn/Neckar lernte er Karoline Kahn kennen, die er 1917 heiratete. Ab 1919 arbeitete Landauer zunächst in der Psychiatrischen Klinik in Frankfurt/Main, danach führte er als Psychoanalytiker eine private Praxis. Den Kontakt zu S. Freud hielt er durch einen Briefwechsel mit ihm, sowie durch regelmäßige Besuche in Wien zwischen 1920-1930 aufrecht. Zur gleichen Zeit nahm er auch mit der Berliner Gesellschaft für Psychoanalyse Verbindung auf.

Im Februar 1929 gründete Landauer zusammen mit H. Meng das Psychoanalytische Institut in Frankfurt/Main, in welchem auch Frieda Fromm-Reichmann, Erich Fromm und S.H. Foulkes tätig waren. 1933 mußten unter der Nazi-Herrschaft die Arbeiten dort eingestellt werden. Landauer floh mit seiner Familie nach Holland, wo er Praxis und Lehre der Psychoanalyse fortsetzte und in Amsterdam die holländische psychoanalytische Gesellschaft mitbegründete. Als man 1941 die jüdischen Mitglieder aus der holländischen Gesellschaft zum Austritt zwang, löste sich die gesamte Gruppe freiwillig auf. 1936 weilte Landauer zu Freuds 80. Geburtstag in Wien, um im Rahmen der Feierlichkeit einen Vortrag zu halten.

Im Juni 1943 brachten die Nazis die Familie Landauer in ein holländisches Durchgangslager. Landauer, seine Frau und eine seiner Töchter wurden 1944 nach Bergen-Belsen deponiert, wo er im Januar 1945 umkam.
In vielen wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigte sich Landauer mit Theorie und Technik der Psychoanalyse.

William G. Niederland wurde 1904 in Schippenbeil/Preußen geboren. Gymnasial- und Studienzeit verbrachte er in Würzburg/Main, wo er 1929 zum Dr. med. promovierte. Nach Absolvierung eines praktischen Jahres in Berlin wurde er bereits 1932 leitender Arzt des Sanatoriums Schloß Reinburg in Gailingen/Baden. 1934 emigrierte Niederland nach Italien, wo er das med. Doktorexamen zum zweiten Male absolvierte. Nach seiner Tätigkeit als Schiffsarzt 1939/40 auf einem englischen Frachtschiff wurde er 1940 Dozent an der University of the Philippines in Manila. 1941 legte er in den USA das englische Staatsexamen ab.

Niederland, ehemaliger Vorsitzender der Psychoanalytic Association von New York und Clinical Professor Emeritus of Psychiatry an der State University von New York, Downstate Medical Center, publizierte zahlreiche wissenschaftliche Artikel in amerikanischen und deutschen Fachzeitschriften. Als praktizierender Psychiater und Psychoanalytiker und während seiner langjährigen Tätigkeit als Vertauensarzt des Generalkonsulats der Bundesrepublik in New York widmete er sich v.a. den jüdischen Menschen, die das Naziregime überlebten. Der 1980 erschienene Dokumentband »Folgen der Verfolgung: Das Überlebenden-Syndrom', Frankfurt (Suhrkamp) legt Gutachten vor, die Niederland in Wiedergutmachungsprozessen erstattet hat.

Sein 1978 in Deutschland veröffentliches Werk ,Der Fall Schreber. Das psychoanalytische Profil einer paranoiden Persönlichkeit', gibt einen exzellenten Einblick in seine jahrzehntelange wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kreativitäts- und Genieforschung. 1980 erhielt er für seine wissenschaftlichen Verdienste die Gold-Medaille der Mount Airy Psychiatric Foundation des amerikanischen Staates Colorado, ferner neben anderen Auszeichnungen 1983 die Annual Holocaust Memorial Award von der New York Society of Clinical Psychologists. Noch heute ist Niederland als Lehr- und Kontrollanalytiker in New York und New Jersey tätig.

E. de Wind arbeitet als Psychiater und Psychoanalytiker in Amsterdam. In seiner Forschung und therapeutischen Arbeit widmet er sich vor allem der Untersuchung der Spätfolgen von Krieg und Verfolgung.

Veröffentlichungen zu diesem Thema finden sich in Zeitungen und Fachzeitschriften (»Psyche' »psychosozial'). Auf holländisch erschien sein Buch „Endstation Auschwitz".

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