Details

Autor Roazen, Paul
Herausgeber Mitscherlich, Alexander (Hg.)
Verlag Suhrkamp
Auflage/ Erscheinungsjahr 06.09.1974
Format 17,8 × 11,4 × 2,4 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 341 Seiten
Gewicht 310
Reihe Wissenschaftliche Reihe
SFB Artikelnummer (SFB_ID) 9783518574065_MA

Zu diesem Buch

Nach Sigmund Freuds Tod wurde seine geistige Hinterlassenschaft quasi aufgeteilt auf zwei Gruppen von Erbgängern, die sich gleichgültig, wenn nicht feindlich gegenüberstehen: Die therapeutisch-klinisch tätigen Psychoanalytiker verloren die gesellschaftliche Bedingtheit der Theorie Freuds aus den Augen und neigten dazu, seine um den sozialen Aspekt beschnittene Metapsychologie zu dogmatisieren; die psychoanalytisch interessierten Soziologen dagegen ignorierten die ›klinische‹ Bedingtheit von Freuds sozialem und politischem Denken, weshalb sie es oft vorschnell absolut setzten oder verwarfen.

Roazen versucht, dieser für beide Seiten unglücklichen Entwicklung entgegenzutreten. Er zeigt, daß das Studium von Freuds Sozialcharakter helfen kann, seine Psychologie besser zu verstehen und damit auch ihre Grenzen zu erkennen. Er zeigt zugleich, daß Freuds soziales Denken nur im Zusammenhang mit seinen empirischen Entdeckungen auf klinischem Gebiet seinen vollen Sinn erhält und hier auch auf seine Grenzen stößt.

Aus dem Vorwort

"Da die Themen dieses Buches mehrere Gebiete zugleich berühren, sollen einige einleitende Bemerkungen dem Leser helfen, die Hauptpunkte im Blick zu behalten. Im Titel verbinden sich die geistigen Traditionen, in denen ich aufgewachsen bin. Mit dem Namen »Freud« beziehe ich mich auf seine eigenen Schriften sowie auf jene Veröffentlichungen auf psychiatrischem Gebiet*, die sich unmittelbar auf seine Anregungen zurückführen lassen. Ich kann nicht für mich in Anspruch nehmen, sämtliche neuen Entwicklungen in der Psychiatrie unserer Zeit eingehend untersucht zu haben, bin aber überzeugt davon, daß die Ideen Freuds und seiner Schüler und das, was sie zu unserem Verständnis der menschlichen Natur beigetragen haben, für die Geistesgeschichte wichtig genug sind, um eine Behandlung als eigenständige Einheit zu rechtfertigen. Das »politische und ge-sellschaftliche Denken« ist im akademischen Betrieb zu einer Art Wundertüte geworden, die außer sozialen und politischen Begriffen im eigentlichen Sinne auch noch moralische und juristische Ideen enthält. Es verfügt aber auch über ein sehr ansehnliches Erbe. Beginnend mit den denkerischen Leistungen von Platon und Aristoteles, waren die Philosophen über die Jahrhunderte hinweg bemüht, die menschlichen Bedürfnisse mit dem gesellschaftlichen Leben in Einklang zu bringen.

Das vielschichtige Publikum, an das dieses Buch sich wendet, wird vielleicht eine kurze Beschreibung des eingeschlagenen Weges begrüßen, damit Leser mit verschiedenartigen Interessen wissen, welche Stellen sie überschlagen können. Für den Leser im allgemeinen und für jene, die stärker an Freud als an den Problemen der Sozialwissenschaften interessiert sind, stellt wahrscheinlich Kapitel II den geeignetsten Ausgangspunkt dar. In der Einführung werden die Hindernisse erörtert, die der Anwendung der Psychoanalyse beim Studium der Politik im Wege stehen; sie dürfte vornehmlich für jene von Interesse die sich beruflich den politischen Wissenschaften widmen. Kapitel I gibt eine allgemeine Übersicht über psychoanalytische Vorstellungen und ihre Anwendung auf die Humanwissenschaften und weist auf einige grundlegende Implikationen des Freudschen Postulats unbewußter seelischer Vorgänge für die normative und empirische Forschung hin. Während es sich in Kapitel 1 um eine schematische Darstellung der Ideen Freuds handelt, werden diese in Kapitel II in ihrer historischen Entwicklung und ihrem soziologischen Kontext dargeboten. Ich habe gezögert, durchweg Freuds Theorien zur Erklärung der Entwicklung seiner eigenen Ideen zu benutzen. In den verbleibenden Kapiteln des Buches werden Freuds eigene Anwendungen seiner Vorstellungen auf das gesellschaftliche Dasein und einige Implikationen seines Werkes für das politische und gesellschaftliche Denken erforscht. Im Zusammenhang mit Freuds Essays über Religion werden in Kapitel III Probleme wie die Berechtigung von Strafe, das Wesen von Autoritätsverhältnissen, die Möglichkeiten für menschliche Spontaneität und die Existenz kultureller Kontinuitäten aufgegriffen. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels enthält meinen gründlichsten Versuch, Freuds Geist und Charakter durch Analysierung eines Textes nahezukommen, nämlich Der Mann Moses und die monotheistische Religion."

Aus dem Inhalt

Einführung: Die menschliche Natur und die Politikwissenschaft

  1. Psychologie und Politikwissenschaft
  2. Die Hindernisse

Kapitel I: Die Psychoanalyse und das Studium der Politik

  1. Das Fach
  2. Das Unbewußte
  3. Metapsychologie

Kapitel II: Die Bedeutung einer Theorie

  1. Die Ursprünge
  2. Die psychoanalytische Bewegung
  3. Gesellschaft und Philosophie
  4. Der Test der Wissenschaftlichkeit

Kapitel III: Religion: Realismus und Utopismus

  1. Neurose
  2. Schuld und Sühne
  3. Autorität
  4. Die Stimme der Vernunft
  5. Ein Held der Geschichte

Kapitel IV: Politik: Gesellschaftliche Kontrollen

  1. Krieg und Aggression
  2. Die Vergangenheit
  3. Gesellschaftlicher Zusammenhalt
  4. Ich-Psychologie
  5. Freuds politische Psychologie

Kapitel V: Kultur als Tragödie und Möglichkeit

  1. Reform
  2. Kulturelle Unterschiede
  3. Das Unbehagen des Menschen
  4. Gesundheit
  5. Freiheit als Wert

Epilog: Woodrow Wilson

Der Autor

Paul Roazen (* 14. August 1936 in Boston; † 3. November 2005) war ein Politikwissenschaftler, der zu einem bedeutenden Historiker der Psychoanalyse wurde.

Roazen studierte an der Harvard University und in Chicago und Oxford, um dann nach Harvard zurückzukehren. Seine Dissertation schrieb er über Freuds politisches Denken. 1971 wechselte er an die York University in Toronto, wo er bis 1995 unterrichtete.1965 begann Roazen überlebende Freunde, Verwandte, Kollegen und Patienten Freuds zu interviewen. Sein erstes großes Buch „Freud and his followers“ basierte auf Hunderten von Stunden Interviewmaterial. Das war damals ein origineller Ansatz. Zwar hatte auch Kurt Eissler in den fünfziger Jahren Interviews mit Pionieren der Psychoanalyse geführt, aber Eissler veröffentlichte seine Interviews (mit Ausnahme eines Interviews mit Wilhelm Reich) nicht. Roazen war der erste Nicht-Psychoanalytiker, dem Anna Freud Zugang zum Archiv des British Psychoanalytical Institute gewährte. Dort konnte er alle Papiere einsehen, die Ernest Jones für seine offiziöse Freud-Biographie verwendet hatte. (Quelle: Wikipedia Auszug)

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