Details

Autor Hanenberg, Reinhold G.
Verlag Edition Déjà-vu - Verlagsabteilung der Sigmund-Freud-Buchhandlung
Auflage/ Erscheinungsjahr 04.2008, EA
Format 22,4 × 14,6 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Englisch Broschur
Seiten/ Spieldauer 236 Seiten
SFB Artikelnummer (SFB_ID) 9783980531771

Zu diesem Buch

Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entworfenen Hirnmythologien stellten Versuche dar, geistige und psychische Vorgänge auf noch relativ grober anatomischer und vager physiologischer Grundlage zu erklären. Auch Freud glaubte, sein Entwurf einer Psychologie von 1895 sei ihm zu einer wissenschaftlichen Mythologie mißraten, »eine Art von Wahnwitz«, den er nie veröffentlichte – »völlig zu Unrecht!« (G. Roth), wie man durch das Interesse der heutigen Hirnforschung an der frühen Konzeptentwicklung Freuds weiß.

In einigen Briefen an Fließ aus demselben Jahr läßt sich nachlesen, wie geistig und emotional bewegend die Arbeit am Entwurf für Freud gewesen sein muß. Er schreibt, eine so noch nie durchgemachte »hochgradige Präokkupation«, begleitet von Selbstzweifeln (»Hoffentlich ist es nicht ›Traumgold‹«), habe ihn befallen, ja »regelmäßig ganz aufgezehrt«, und über Wochen habe er »die Nachtstunden von elf bis zwei mit […] Phantasieren, Übersetzen und Erraten verbracht«. In dieser hochkreativen Schaffensphase sprach Freud auch mit einem gewissen Respekt von seiner »theoretischen Phantasie«, die er umsichtig zu hüten gedachte, und deutete damit an, daß er sich ihres wertvollen Beitrags zum wissenschaftlichen Arbeiten bewußt war.

Freud beurteilte also nicht nur das kreative Geschehen selbst, sondern erlebte und reflektierte auch sein persönliches Ergriffensein im Schaffensprozeß. Im schöpferischen Denken ist das Phantasieren oder, wie es Freud auch einmal ausdrückte, sind »endopsychische Mythen« eben keine Phantasterei. Will man rational begründbares Wissen schaffen, kann dies immer nur aus letztlich unableitbaren Prämissen geschehen, die ihre Wurzeln in der Dimension des Imaginären haben.

Neben den Auffassungen Freuds zu Begriff, Rolle und Funktion der Phantasie beleuchtet der Autor Aspekte ihrer Entstehungsgeschichte und einige von Freuds Selbstaussagen zur wissenschaftlichen Kreativität und geht der Frage nach der speziellen Art und Weise seines wissenschaftlichen Denkens nach – ohne die Wissenschaftlichkeit psychoanalytischer Konzepte und metatheoretischer Aussagen zu bewerten. Er gibt damit neue Anstöße für die Diskussion darüber, in welchem Maße wissenschaftliches Denken im Sinne Freuds für unser heutiges Verständnis von psychoanalytischer oder sogar humanwissenschaftlicher Theoriebildung noch wichtig ist.

Der Autor zu seinem Buch

"In der psychotherapeutischen Praxis haben wir es ständig mit Phantasien zu tun, mit unseren eigenen und denen der Patienten. Um interaktives Geschehen therapeutisch zu verstehen, sortieren wir deren Äußerungen in unsere klinischen Kategorien (z.B. Wahrnehmung, Erinnerung, Traum/Tagtraum) und theoretischen Modelle ein – ein kreativer Vorgang, an dem auch zwangsläufig Phantasien beteiligt sind. Wir empfinden diese – ob spontan auftretend oder evoziert – als imaginativ-emotionale Bewegung, weshalb die Phantasie zu unseren psychischen Funktionen zu zählen ist.

Bis heute hat sich diese eigentlich selbstverständliche Erkenntnis in der psychoanalytischen Theorieentwicklung nicht durchgesetzt. Zwar wird die Phantasie als etwas schwierig abgrenzbare somatopsychische Kompetenz neben anderen – wie Erinnern, Fühlen, Assoziieren, Sprechen, Symbole bilden usw. – eingeordnet, jedoch hat ihre erwähnte imaginativ-emotionale Bewegung, ein konstituierender Aspekt der Phantasie, bislang keinen gesicherten Platz in unserer Theoriebildung gefunden. Um diesem Mangel wenigstens teilweise abzuhelfen, erhebt der Autor die Phantasie in den Rang einer Strukturellen Kompetenz im Sinne der OPD-2, und ordnet ihre imaginativ-emotionale Qualität in ein duales Schema von Imagination und Rationalität ein (Psychotherapeut 2013, 58, S. 31–38, Springer-Verlag Berlin Heidelberg)."

Aus dem Inhalt

Teil I

  • I. Die Phantasie - Kurzer Abriß zur ideen- und begriffsgeschichtlichen Tradition
  • II. Einige Beiträge zur psychoanalytischen Theoriebildung über die Phantasie
  • III. Phantasie und wissenschaftliche Kreativität

Teil II

  • IV. Freud und Breuer – Prinzipielle Unterschiede im wissenschaftlich-theoretischen Denken
  • V. Phantasie und Erinnerung – Von der faktischen zur psychischen Realität
  • VI. Phantasie und Traum
  • VII. Phantasie und Realitätsprinzip
  • VIII. Urphantasie und Urszenen – eine phylogenetische Disposition?
  • IX. Phantasie und wissenschaftliche Kreativität in der Entwicklung von Methoden, Konzepten und Theorien.
  • X. Zusammenfassung - Aktualität - Ausblick

Der Autor

Reinhold G. Hanenberg, Dr. phil., arbeitet als niedergelassener Psychoanalytiker in eigener Praxis in München-Neuhausen.

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Leseprobe „Phantasie und wissenschaftliche Kreativität in der Psychoanalyse Freuds“ (pdf, 0.42 Mb)

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