Details

Autor Behrend, Heike
Verlag Matthes u. Seitz, Berlin
Auflage/ Erscheinungsjahr 2. Auflage; 01.10.2020
Format 22 × 14 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Hardcover
Seiten/ Spieldauer 278 Seiten
Gewicht 440
ISBN 9783957579553

Zu diesem Buch

Diese Autobiografie der Ethnografin Heike Behrend erzählt keine heroische Erfolgsgeschichte einer ehrgeizigen Forscherin, sondern sie berichtet von dem, was in den herkömmlichen Ethnografien meist ausgeschlossen wird – die unheroischen Verstrickungen und die kulturellen Missverständnisse der oder des Forschenden, ihre /seine Konflikte, Fehlleistungen sowie erlebte Situationen des Zweifelns und Scheiterns in der Fremde.

So lädt dieses Buch neben all den interessanten Berichten über die Arbeit in fernen Ländern und anderen Kulturen zugleich auch zu einem freimütigen Blick auf die Ethnologie als Poetik sozialer Beziehungen ein. In den wenig schmeichelhaften Namen – »Affe«, »Närrin« oder »Kannibale« –, die Heike Behrend bei ihrer Arbeit als Ethnologin in Afrika gegeben wurden, wird sie mit fremder Fremderfahrung konfrontiert, und sie muss sich fragen, welche Wahrheit über Beziehungen diese Bezeichnungen zum Ausdruck bringen, welche koloniale Geschichte sie erzählen und welche Kritik sie an ihrer Person und Arbeit üben.

Mit dem Bericht über vier ethnografische Forschungen in Kenia und Uganda in einem Zeitraum von fast fünfzig Jahren reflektiert Heike Behrend auch die Fachgeschichte der Ethnologie und die Veränderungen des Machtgefüges zwischen den Forschenden und den Erforschten, die sie am eigenen Leib erfährt.

Inhalt

EINFÜHRUNG

MENSCHWERDUNG EINES AFFEN

  • In den Tugenbergen im Nordwesten Kenias

AUFSTAND DER GEISTER

  • Feldforschung in einem Kriegsgebiet im Norden Ugandas

IM HERZEN DER POSTKOLONIE

  • Die katholische Kirche im Westen Ugandas und die Figur des Kannibalen

GETEILTE FOTOGRAFIE

  • Fotografische Praktiken an der ostafrikanischen Küste

EPILOG

  • Rückkehr zum Affen

Anmerkungen
Literatur
Dank

Leseprobe

(...) Ein autobiografischer Bericht beruht auf einem einzigen Namen. Da ich die Autorin, Erzählerin und Protagonistin des Textes bin, halte ich den »autobiografischen Pakt« ein und bin verantwortlich für den Text. Gleichzeitig aber sprenge ich den Rahmen, denn ich füge dem einen Namen, der den Pakt garantiert, andere, fremde Namen hinzu. Diese Namen, die mir in Afrika von den Subjekten meiner Forschung gegeben wurden, stelle ich ins Zentrum meiner Autobiografie der ethnografischen Forschung. Es sind Namen, die nicht schmeicheln und in denen ich mich nicht unbedingt wiedererkenne. Ich versuche, meine Subjektivität bis ins Äußerste zu steigern und zu erweitern, indem ich mich zum Objekt der Ethnografierten machen lasse und zeige, wie sie mich sahen und benannten. Vor diesem Hintergrund fällt es mir schwer, das »Auto-« in Autobiografie stark zu machen. Ist es nicht so, dass die eigentliche Signatur des Textes aufgebrochen, fragmentiert, erweitert und verfremdet wird, wenn fremde Namen ins Zentrum rücken? Ist ein Text noch eine Autobiografie, wenn er sich bemüht, Elemente einer ethnografischen Fremdbeschreibung zu liefern?

Tatsächlich ist mein Text der Versuch nachzuvollziehen, wie im Austausch mit den Subjekten meiner Forschungen zahlreiche sehr befremdliche und beunruhigende »Ichs« entstanden, die mich fragen ließen, welche Wahrheit, welche Kritik, welches Versprechen und welches Versagen diese fremden Namen bergen, die mir gegeben wurden. Mein Text ist zugleich ein Versuch, die ethnografische Produktion von Wissen – manchmal sehr unwissenschaftlich – erzählbar zu machen. (...)

Zur Begründung der Jury

Nur wer sich selbst für die Welt öffnet, wird auch in ihr heimisch werden.

Diese Erfahrung ist das zentrale Moment des Buchs von Heike Behrend. Die eigene Neugier der Ethnologin stieß während ihrer Feldforschungsaufenthalte auf die der besuchten Gruppen und sie selbst wurde zum Gegenstand der Beobachtung durch ihre Gastgeber. Es gehört viel Selbsterkenntnis dazu, sich erkannt zu fühlen. „Menschwerdung eines Affen“, benannt nach der sich wandelnden Zuschreibung, die man ihr in den kenianischen Tugenbergen als Forscherin, die dort zur Freundin wurde, angedeihen ließ, legt Zeugnis davon ab, dass Heike Behrend diese Befähigung besitzt. Und mit ihrer Betrachtung der Betrachter ihrer selbst als Betrachterin gewinnt sie auch eine Perspektive auf die eigene Kultur – sowohl verstanden als nationale wie als disziplinäre. Geisteswissenschaft in der Form, wie Heike Behrend sie teilnehmend beschreibt, ist im besten Sinne Geistesbeschwörung: Sie provoziert zu einem Blick, der intellektuell agiert statt visuell.

Ihr Buch ist eine ebenso köstliche wie kostbare Lektüre, die unsere Horizonte weit verschiebt, ohne dabei eine politische Agenda vermitteln zu wollen. Es ist geboren und geschrieben aus der Emphase für die Gemeinsamkeit dessen, was Menschsein ausmacht: die Überwindung von Vorurteilen. Solchen seiner selbst über andere und solchen anderer über einen selbst. Es ist ein erhellendes Buch in diesen sich verdunkelnden Zeiten.

Die Autorin

Heike Behrend, studiert Ethnologie in den politisch bewegten Sechzigerjahren; ihre erste Feldforschung führt sie Ende der Siebzigerjahre in die keniani schen Tugenberge; Mitte der Achtzigerjahre begibt sie sich auf die Spuren der HolySpiritBewegung im Norden Ugandas. Während der Aids-Epidemie arbeitet sie über die katholische Kirche in Westuganda, und schließlich erforscht sie an der kenianischen Küste die lokalen Praktiken von Straßenfotografen und Fotostudios.

Kaufoption

25,00 €