Details

Autor Große, Jürgen
Verlag Büchner-Verlag
Auflage/ Erscheinungsjahr 03.2024
Format 22.00 × 15.00 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Hardcover
Seiten/ Spieldauer 384 Seiten
ISBN 978-3-96317-375-2

Zu diesem Buch

Die Rede vom »Ressentiment« ist im heutigen Gesellschaftsfeuilleton inflationär. Auch Politologie, Literatur- und Kulturwissenschaft nutzen den Begriff gern. Oft ist von Ressentiment die Rede, wo es schlicht Neid, Hass oder Groll heißen könnte. Hat der Begriff mehr zu bieten als das Renommee eines Fremdworts? Ist Ressentiment gar eine kulturelle Schlüsselstimmung, die erschreckende Einsichten über uns bereithält? Jürgen Große stellt sich diesen Fragen auf unkonventionelle Weise. Er forscht der Geschichte des Ressentimentbegriffs nach, aber auch den Bedürfnissen, die dieser bis heute befriedigt. Die Studie ist systematisch und historisch angelegt. Der erste Teil diskutiert die Theorien einiger Ressentiment-Klassiker. Der zweite Teil erkundet die Funktion des Ressentimentgedankens von der frühneuzeitlichen Moralistik bis zur bundesdeutschen Gegenwart. »Ressentiment«, so wird dabei immer klarer, steht für das paradoxe Versprechen einer mehrheitsfähigen, sozial friedfertigen Bürgerlichkeit.

Inhalt

Prolog: Ressentiment-Alarm!

Teil A: Theorie

Kapitel I: Französische Moralisten

  1. Die Anfänge bei Montaigne
  2. La Bruyère
  3. Chamfort
  4. Transformationen der Ranküne

Kapitel II: Friedrich Nietzsche

  1. Hermeneutische Aufwertung des Ressentiments
  2. Verschränkung der Perspektiven
  3. Der expressive Stil
  4. Stellung, Rezeption, Problemerbe

Kapitel III: Max Weber und Max Scheler

  1. Kritik und Fortbildung von Nietzsches Entwurf
  2. These, Motiv und Ort der Ressentimentschrift in Schelers Gesamtwerk
  3. Weltanschauliche und methodische Eigenarten von Schelers Nietzschekritik
  4. Von der Ressentimentphänomenologie zur Modernekritik
  5. Überwindung des Kapitalismus?

Kapitel IV: Ludwig Klages

  1. ›Leben‹ als Zentralbegriff
  2. Problematisierung und Umbildung von Nietzsches Lebensmetaphysik
  3. Der Lebensneid
  4. Die Nietzsche-Kritik im Detail:Psychologie, Etymologie, Kulturdeutung
  5. Bedeutung und Wirkung

Kapitel V: Emil Cioran

  1. Strukturen von Denken und Schreiben: Entsublimierung, Übersteigerung, Auflösung
  2. Klarblick, Seinsschmerz und Rachsucht
  3. Verhältnis zu Nietzsche und Klages
  4. Die Weisheit der Moralisten
  5. Ressentiment als Stellvertreterphänomen
  6. Gnosis: Übermensch und alter Adam

Zwischenbilanz: Passion der gefährdeten Mitte?

Teil B: Praxis

Kapitel I: Provinz und Zentrum

  1. Der Hof und die Stadt
  2. Kopien des Zentrums
  3. Antizentralismus
  4. Zurück in die Provinz
  5. Entwurzelung, Entgrenzung, Enthemmung

Kapitel II: Besitzgier und Statusneid

  1. Egalitarismus versus Antiegalitarismus
  2. Helmut Schoeck – Stardenker des Antiegalitarismus
  3. Nach 1990
  4. Sloterdijks Zornbankenthese und ihre Kritiker
  5. Zangentheoreme
  6. Mitte-Miseren oder: Zynismus versus Heuchelei
  7. The End of History, revisited
  8. Schelers Erbe

Kapitel III: Affektreaktion und Anarchokalkül

  1. Ambivalenzen der Réaction
  2. De Maistres Groll
  3. Theodizee der modernen Geschichte
  4. Renouveau catholique: Stolze Armut, grollender Stolz
  5. Das deutsche Seitenstück: Carl Schmitt
  6. Rechte Reaktionäre und linke Radikale
  7. Christliche Repression und atheistische Revolte
  8. Anarchie und Apologie der Affekte
  9. »Die freie Gesellschaft«
  10. Haß auf den Bürger, scheiternde Mitte, Antisemitismus
  11. Karl Mannheims Analyse

Kapitel IV: Naturstolz und Kulturleid

  1. Emanzipation, Feminismus, Gender
  2. Deutungsvorschläge: Nietzsche und Scheler
  3. Überdauernde Szenarien
  4. Negative Andrologie
  5. Die befreite Hausfrau
  6. Häusliche Pflichten und bürgerliche Rechte
  7. Autonomieverheißung: Entleiblichung und objektiver Geist
  8. Simone de Beauvoirs »Welt des Ressentiments«: eine Weininger-Reprise?
  9. Reconstruction, Repression, Resentment
  10. Teil-Ganzes-Ambivalenzen
  11. Gleichursprünglichkeit von Gleichheit und Differenz
  12. Affektbejahung und Männerhaß
  13. Misandrie als sublimierte Christlichkeit
  14. Rechtslinkes Ressentimentszenario um ›Gender‹
  15. Repräsentative Schwierigkeiten, zerbrechliche Synthesen
  16. ›Allmachtsfeminismus‹
  17. Totalitarismus?

Kapitel V: Berufskunst und Bildungsphilisterium

  1. Der abhängige Wirtschaftsbürger und der betrogene Berufsautor
  2. Frühformen ressentimentaler Selbstreflexion
  3. Der intellektuelle Gegenimpuls
  4. Unbehagen am genialen Unverstandenen: Spätaufklärung
  5. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik
  6. Philister überall
  7. Empfindsame Selbstreflexion und Romantikkritik
  8. Klassik, Ganzheit, Souveränität
  9. Probleme bürgerlicher Mannwerdung: Von Hegel zu Heine
  10. Weltschmerz und Philisterhaß
  11. Unbehagen im Biedermeier
  12. Kodifikation des Bürgerhasses
  13. Flauberts Bekenntnis zur Wut
  14. Politische Radikalisierung und poetische Fiktionalisierung des Bürgerhasses: Baudelaire
  15. Ein Spätling des Bürgerhasses
  16. Der Fall Nietzsche – Musterkonflikt und Wendepunkt
  17. Marxistischer Antinietzscheanismus
  18. Nazistische Antibürgerlichkeit
  19. Liberale Philisterapologie
  20. Totalitäre Ressentimentkunst als soziale Anpassungsstörung
  21. Stalinistischer Künstler- und Intellektuellenhaß
  22. Von der Staatskunst zur Kulturrevolution
  23. Sozialaussteiger, Bewußtseinsbefreier, Welterlöser
  24. Revolutionäre
  25. Umschichtungen
  26. Yuppies
  27. Expansion und Diffusion des Yuppietums
  28. Art of Resentment, State of the Art: Bobo-Kapitalismus
  29. Linke Spießer – rechte Ressentiments?
  30. Ordnungsliebe
  31. Mitteträume
  32. Schöpfungsglaube
  33. Exkurs: Gegenwartskunst und Publikumsressentiment
  34. Triumph und Gefährdung
  35. Ausblick

Epilog: Gefühl zeigen
Anmerkungen / Literaturverzeichnis / Personenregister

Der Autor

Jürgen Große (geb. 1963) ist promovierter Historiker und habilitierter Philosoph; er lebt als freier Publizist in Berlin. Sein Interesse gilt den dunklen Seiten der europäischen Geistesgeschichte, vor allem den Sonderwegen der Deutschen, so in Der Tod im Leben. Philosophische Deutungen von der Romantik bis zu den ›life sciences‹ (2008, 2017), Philosophie der Langeweile (2008), Ernstfall Nietzsche. Debatten vor und nach 1989 (2010), Fünf Zeitbilder. Geschichtsphilosophische Glossen (2010), Der beglückte Mann. Posterotische Meditationen (2015, 2022), Die Sprache der Einheit. Ein Fremdwörterbuch (2019), Der sterbende Gott. Agnostische Anmerkungen (2020), Der Glaube der anderen. Ein Weltbilderbuch (2021), Die kreative Klasse. Nachrichten aus Winkel, Szene und Betrieb (2022).

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