Details

Autor Freud, Sigmund
Verlag Internat. Psychoanalytischer Vlg., Leipzig /Wien /Zürich
Auflage/ Erscheinungsjahr 1921, EA
Format 21,2 × 15 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung OPbd. mit schwarzgeprägtem Rücken- und Deckeltitel
Seiten/ Spieldauer 140 (2) Seiten
SFB Artikelnummer (SFB_ID) SFB-009625_AQ

Grinstein 147

In seinem berühmten Essay zeigt Freud, welche psychischen Mechanismen innerhalb von Massenbewegungen wirksam sind. Eine Masse ist nach Freud ein ›provisorisches Wesen, das aus heterogenen Elementen besteht, die sich für einen Augenblick miteinander verbunden habe‹, wobei er sich in seinem Text auf die Schriften des Soziologen und Psychologen Gustave Le Bon (1841–1931) und referiert dessen Verständnis der Massenseele. Ebenso wie Le Bon beschreibt ebenso wie dieser, dass in den Massen der Einzelne ein Gefühl unendlicher Macht erlangt, welche es ihm gestattet, Triebe auszuleben, die er als Individuum hätte zügeln müssen. Diese Machtgefühle und Sicherheit ermöglichen es dem einzelnen Individuum, nicht nur als Teil einer Masse zu agieren, sondern auch sich Sicherheit in der Masse zu holen.

Aus der Einleitung Freuds

"Der Gegensatz von Individual- und Sozial- oder Massenpsychologie, der uns auf den ersten Blick als sehr bedeutsam erscheinen mag, verliert bei eingehender Betrachtung sehr viel von seiner Schärfe. Die Individualpsychologie ist zwar auf den einzelnen Menschen eingestellt und verfolgt, auf welchen Wegen derselbe die Befriedigung seiner Triebregungen zu erreichen sucht, allein sie kommt dabei nur selten, unter bestimmten Ausnahmebedingungen, in die Lage, von den Beziehungen dieses Einzelnen zu anderen Individuen abzusehen. Im Seelenleben des Einzelnen kommt ganz regelmäßig der Andere als Vorbild, als Objekt, als Helfer und als Gegner in Betracht und die Individualpsychologie ist daher von Anfang an auch gleichzeitig Sozialpsychologie in diesem erweiterten, aber durchaus berechtigten Sinne.

Das Verhältnis des Einzelnen zu seinen Eltern und Geschwistern, zu seinem Liebesobjekt und zu seinem Arzt, also alle die Beziehungen, welche bisher vorzugsweise Gegenstand der psychoanalytischen Untersuchung geworden sind, können den Anspruch erheben, als soziale Phänomene gewürdigt zu werden, und stellen sich dann in Gegensatz zu gewissen anderen, von uns narzißtisch genannten Vorgängen, bei denen die Triebbefriedigung sich dem Einfluß anderer Personen entzieht oder auf sie verzichtet. Der Gegensatz zwischen sozialen und narzißtischen — Bleuler würde vielleicht sagen: autistischen — seelischen Akten fällt also durchaus innerhalb des Bereichs der Individualpsychologie und eignet ’sich nicht dazu, sie von einer Sozial- oder Massenpsychologie abzutrennen.

In den erwähnten Verhältnissen zu Eltern und Geschwistern, zur Geliebten, zum Freunde und zum Arzt erfahrt der Einzelne immer nur den Einfluß einer einzigen oder einer sehr geringen Anzahl von Personen, von denen eine jede eine großartige Bedeutung für ihn erworben hat. Man hat sich nun gewöhnt, wenn man von Sozial- oder Massenpsychologie spricht, von diesen Beziehungen abzusehen und die gleichzeitige Beeinflussung des Einzelnen durch eine große Anzahl von Personen, mit denen er durch irgend etwas verbunden ist, während sie ihm sonst in vielen Hinsichten fremd sein mögen, als Gegenstand der Untersuchung abzusondern. Die Massenpsychologie behandelt also den einzelnen Menschen als Mitglied eines Stammes, eines Volkes, einer Kaste, eines Standes, einer Institution oder als Bestandteil eines Menschenhaufens, der sich zu einer gewissen Zeit für einen bestimmten Zweck zur Masse organisiert. Nach dieser Zerreißung eines natürlichen Zusammenhanges lag es dann nahe, die Erscheinungen, die sich unter diesen besonderen Bedingungen zeigen, als Äußerungen eines besonderen, weiter nicht zurückführbaren Triebes anzusehen, des sozialen Triebes — herd instinct, group mind — der in anderen Situationen nicht zum Ausdruck kommt. Wir dürfen aber wohl den Einwand erheben, es falle uns schwer, dem Moment der Zahl eine so große Bedeutung einzuräumen, daß es ihm allein möglich sein sollte, im menschlichen Seelenleben einen neuen und sonst nicht betätigten Trieb zu wecken. Unsere Erwartung wird somit auf zwei andere Möglichkeiten hingelenkt: daß der soziale Trieb kein ursprünglicher und unzerlegbarer sein mag, und daß die Anfänge seiner Bildung in einem engeren Kreis wie etwa in dem der Familie gefunden werden können.

Die Massenpsychologie, obwohl erst in ihren Anfängen befindlich, umfaßt eine noch unübersehbare Fülle von Einzelproblemen und stellt dem Untersucher ungezählte, derzeit noch nicht einmal gut gesonderte Aufgaben. Die bloße Gruppierung der verschiedenen Formen von Massenbildung und die Beschreibung der von ihnen geäußerten psychischen Phänomene erfordern einen großen Aufwand von Beobachtung und Darstellung und haben bereits eine reichhaltige Literatur entstehen lassen. Wer dies schmale Büchlein an dem Umfang der Massenpsychologie mißt, wird ohneweiters vermuten dürfen, daß hier nur wenige Punkte des ganzen Stoffes behandelt werden sollen. Es werden wirklich auch nur einige Fragen sein, an denen die Tiefenforschung der Psychoanalyse ein besonderes Interesse nimmt."

Aus dem Inhalt

  • I. Einleitung
  • II. Le Bon's Schilderung der Massenseele
  • III. Andere Würdigungen des kollektiven Seelenlebens
  • IV. Suggestion und Libido
  • V. Zwei künstliche Massen: Kirche und Heer
  • VI. Weitere Aufgaben und Arbeitsrichtungen
  • VII. Die Identifizierung
  • VIII. Verliebtheit und Hypnose
  • IX. Der Herdentrieb
  • X. Die Masse und die Urhorde
  • XI. Eine Stufe im Ich
  • XII. Nachträge

Zum Erhaltungszustand

Im Klassischen Fachantiquariat der SFB ist diese Arbeit Sigmund Freuds als ein Exemplar der seltenen Erstausgabe aus 1021 und in der besseren Bindungsvariante des Verlages als ein originalkartoniertes Exemplar mit geprägtem Rücken- und Deckeltitel verfügbar. Unser Exemplar in einem vergleichsweise guten Erhaltungszustand und mit nur geringen Gebrauchsspuren; der Einband altersbedingt mit leichter Patina und teilweise kleinen Flecken, das Papier alters- und herstellungsbedingt leicht nachgedunkelt. Auf dem Vorsatz ein Namenseintrag in kleiner Schrift des Erstbesitzers; im Textteil ohne Anmerkungen, Anstreichungen o.Ä.. - Selten.

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