Details

Autor Theweleit, Klaus
Verlag Matthes & Seitz Berlin
Auflage/ Erscheinungsjahr Überarbeitete Neuausgabe 29.11.2019
Format 21,5 × 14,5 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Hardcover
Seiten/ Spieldauer 1.278 Seiten
Gewicht 1400
ISBN 9783957577597

Im Herbst 1977 erschien einst im Frankfurter Verlag Stroemfeld /Roter Stern der erste Band von Klaus Theweleits Männerphantasien: Frauen, Fluten, Körper, Geschichte; 1978 folgte der zweite Band: Männerkörper. Zur Psychoanalyse des weißen Terrors. Das Buch wurde nicht nur zum erfolgreichsten Titel der Verlagsgeschichte, es wurde hundertfach besprochen, ins Englische, Serbokroatische, Schwedische, Italienische, Japanische, Polnische und Französische übersetzt und später als Lizenzausgaben bei Rowohlt, dtv, Piper angeboten.

Eigentlich sollte das lange vergriffene Buch aus Anlaß des 40. Verlagsjubiläums im Herbst 2018 neu aufgelegt werden; durch den Konkurs des Verlages im selben Spätjahr konnte dieses Projekt jedoch nicht mehr realisiert werden. Erfreulich unter diesen Umständen, daß sich jetzt ein Verlag mit passendem inhaltlichen Profil - Matthes & Seitz - dazu entschlossen hat, den Titel in sein Programm zu übernehmen und eine auch gestalterisch wohlfeile Neuausgabe vorzulegen. - Von seinen verhandelten Themen und Inhalten ist das Werk heute vermutlich aktueller denn je ....

Zu diesem Werk

Klaus Theweleits legendäre Analyse "Männerphantasien" führte bei ihrer Veröffentlichung im Jahre 1977/78 zu heftigen Kontroversen. Rudolf Augstein wertete die mit „summa cum laude“ benotete literaturwissenschaftliche Dissertation im Spiegel als "aufregendste deutschsprachige Publikation des Jahres..., ein vermischendes, entgrenztes, ein verschwenderisch überfließendes Diagnostizieren der männer-rechtlichen Eroberungskultur." Die Universität Freiburg mochte dem Hochgelobten danach gleichwohl besser nicht die Abhaltung von Proseminaren anvertrauen und tat einiges mehr, um den ungeliebten Intellektuellen vom akademischen Betrieb fernzuhalten. Im Rückblick eine peinliche Farce, die auf die damals tonangebende Mehrheit akademischer Kleingeister alsbald selbst zurückfallen sollte.

Klaus Theweleit untersucht in seinen "Männerphantasien" das Phänomen und die Möglichkeitsbedingungen des Faschismus unter dem Aspekt des Geschlechterverhältnisses. Wegen der immensen Materialfülle und der Vielfalt seiner thematischen Verknüpfungen aus Geschichte, Kunst, Politik und Psychoanalyse ist das an die 1000 Seite zählende Werk gewiss keine leicht und nebenbei zu überfliegende Lesekost. Die aufmerksame Lektüre wird dem Leser allerdings mit Einsichten und Verknüpfungsangeboten belohnt.

Die Arbeit gilt inzwischen als einer der wichtigsten Beitäge zur Sozialisationsforschung überhaupt und ist ein kulturkritisches Standardwerk ersten Ranges. Im Zentrum der Arbeit steht die gesellschaftlich hervorgerufene und erziehungsbedingt gesetzte Verstörung zwischen den Geschlechtern und hier wiederum der sich selbst gegenüber weitgehend fremd und unbekannt bleibende Mann. Diese grundhaft sich vollziehende Zurichtung bildet den Dung für die Entstehung autoritär-analfixierter Charakterstrukturen und entsprechend (latent) faschistoider Prädispositionen: Schwache, ängstliche Männer, die zu Kompensation und Überkompensation neigen. Theweleit zeigt, wie der menschliche Körper - im ersten Band der ängstigende weibliche, im zweiten der unfertige männliche, in Texten, Bildern und Kunstprodukten auf eine lebensvernichtende Realität eingestellt wurde. Er beschreibt die männliche Körpererfahrung als eine defizitäre, weil inniger Hautkontakt von der Mutter meistenteils nicht wirklich zugelassen werden konnte. Mutterlos und welt-fremd müssen sich solch ungeborgenen Existenzen als Überlebensstrategie und aus Überlebensgründen nach außen hin wappnen und stählen. Dem schwachen, ungefestigten Ich bleibt als Selbstschutz gen außen die Panzerung (Wilhelm Reich spricht hier vom Charakterpanzer), die sich in der Folge leicht ins Soldatische abkanalisieren ließ und läßt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die in der jüngsten Ausgabe 8/2010 der „Novitätenschau Psychoanalyse und Kulturwissenschaften“ vorgestellten unsäglichen Erziehungshandreichungen einer Johanna Haarer, („Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ u.a.) mit denen mehrere Generationen ganz normaler Deutscher aufgezogen worden sind; Pamphlete, die in kaum entschärfter Abwandlung noch bis in die 70er Jahre in der BRD massenhaft an Neuvermählte und Schwangerer ausgereicht wurden.

Stimmen zu diesem Werk

»Gegenstand seiner staunenswert phantasiereichen, umfangreichen und heiteren Darstellung ist der Bürger als Abwehr- und Verdrängungs-Akrobat ... untersucht wird von Theweleit, wie aus dem wilhelminischen Manne, der den Zwängen zur Ich-Autonomie, wie sie das bürgerliche Selbstbewußtsein postuliert, nur durch Anlegen eines Charakterpanzers standhalten kann, der faschistische Held wird ... die Disposition zum Faschisten wird jeder an sich erkennen, der keiner ist! Theweleits Arbeit ist der bisher am weitesten führende Beitrag linker Theoretiker zur Faschismusdebatte. «

Seinerzeit Bazon Brock, in: DIE ZEIT

»Theweleit berührt im ersten Band seiner phantastischen Erzählungen über ›Frauen, Fluten, Körper, Ge-schichte‹ Bilder von scheinbarer Heimlichkeit, löst sie aus ihrer verwunschenen Erstarrung, daß man ihn manchmal schnell umarmen möchte ... es ist hier nicht möglich, den vielfältigen Bewegungen des Buches zu folgen – man muß es lesen.«

Gisela Stelly, DIE ZEIT

"Die in den Jahren 1977/78 publizierte und „summa cum laude“ bewertete literaturwissenschaftliche Dissertation Klaus Theweleits zählt zu den merk- und denkwürdigsten Exemplaren ihrer Art.1 Eine Eintrittskarte zu einer Universitätskarriere hatte Theweleit damit, so schien es zunächst, trotz guter Note nicht erworben. 1977 wollte ihm die Freiburger Universität aufgrund seiner „ungezügelten Intelligenz“ – wie der örtliche Literaturwissenschaftler Gerhard Kaiser in einem Sondervotum über die Erteilung einer halben Akademischen Ratsstelle an Theweleit urteilte und Rudolf Augstein im „Spiegel“ popularisierte – nicht einmal die Abhaltung eines Proseminars gewähren.

Tatsächlich kann von einem stringenten Aufbau des zweibändigen Werks nicht die Rede sein. Zwischen zahlreichen Comics und Gemälden finden sich auf den 1.174 Druckseiten lange Quellenzitate, die zuweilen launig-assoziativ, zuweilen gar nicht gedeutet werden. Dann gibt es wieder Passagen, in denen ein enger Bezug zu den Theorien und Deutungen von Sigmund Freud und Wilhelm Reich bis hin zu Melanie Klein und Gilles Deleuze/Félix Guattari hergestellt und das Material entsprechend ausgedeutet wird. Das Buch ist dabei alles andere als linear oder aus einem Guss geschrieben. Vor- und Zurückblättern sind in diesem durchlässig geschriebenen Netzwerk erwünscht und einkalkuliert. Theweleit gab in einem Interview den Ratschlag: „Meine Bücher soll man eher wie einen Film lesen, nicht wie einen herkömmlichen Text.“ In der Tat enthält das Buch, vor allem im zweiten Band, neben endlosen Zitat-Collagen auch besonders verdichtet geschriebene und theoretisch ambitionierte „Szenen“ oder „takes“, die Benjamin Ziemanns Urteil unterstreichen, dass die „Männerphantasien“ noch heute als ein „ebenso genialische[s] wie konfuse[s]“ Buch gelten können. (...)

Aus einer umfangreichen Besprechung des Buches von Sven Reichardt: Klaus Theweleits „Männerphantasien“ – ein Erfolgsbuch der 1970er Jahre, in: Zeithistorische Forschungen /Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3 (2006), Ausgabe 3, nachzulesen auf: https://zeithistorische-forschungen.de/3-2006/4650#pgfId-1036396a

Der Autor

Klaus Theweleit, geboren 1942, studierte Germanistik und Anglistik. Er ist Literaturwissenschaftler, Kulturtheoretiker und Autor. Männerphantasien wurde 1977/78 zum Bestseller, mit dem er internationale Bekanntheit errang. Theweleit lehrte am Institut für Soziologie der Universität Freiburg und an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, 1998 2008 war er Professor für Kunst und Theorie an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Zuletzt erschienen u. a.: Buch der Könige (3 Bände, 1988 1994), Der Pocahontas-Komplex (3 Bände, 1999 2013 f.)

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