Details

Autor Allen, Amy
Herausgeber Saar, Martin (Vorwort) (Hg.)
Verlag Campus
Auflage/ Erscheinungsjahr 28.03.2023
Format 21,3 × 14,1 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 283 Seiten
Gewicht 356
Reihe Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie
ISBN 9783593515335

Zu diesem Buch

Braucht die kritische Theorie noch die Psychoanalyse? In »Kritik auf der Couch« wartet Amy Allen mit einer überzeugenden Verteidigung ihrer ungebrochenen Bedeutung auf. Der hauptsächlich rationalistischen Lesart der Psychoanalyse durch die zeitgenössische Theorie (Habermas, Honneth) zum Trotz, argumentiert Allen, dass die Arbeiten der Psychoanalytikerin Melanie Klein eine unterschätze Ressource sind. Sie beruft sich auf Freud, Klein und Lacan, um ein realistischeres Bild des psychoanalytischen Denkens zu zeichnen, das Begriffe wie Verlust, Negativität, Ambivalenz und Trauer in seine Mitte stellt. Fern davon, in die Verzweiflung zu führen, kann ein solches Verständnis menschlicher Subjektivität die Basis von Kreativität, produktiver Selbstverwandlung und progressivem sozialen Wandel sein.

Aus dem Vorwort

"Mit ´Kritik auf der Couch` liegt im Campus Verlag nun nach ´Das Ende des Fortschritts` (2019) eine zweite Monographie von Amy Allen in deutscher Übersetzung vor, die sich der Überprüfung des Traditionsbestands der Kritischen Theorie im Sinne der kritischen Gesellschaftstheorie Frankfurter Prägung widmet. (...)

Das vorliegende Buch nimmt einen besonderen ideengeschichtlichen Strang auf, der für diese Tradition immer konstitutiv war, und betrachtet ihn zunächst von einer theoriegeschichtlichen, dann von einer systematischen Seite, nämlich das Verhältnis der Kritischen Theorie zur Psychoanalyse. Es war für die sich vor ziemlich genau 100 Jahren um das Frankfurter Institut für Sozialforschung herum bildende intellektuelle Strömung philosophisch-sozialwissenschaftlicher Forschung zwar selbstverständlich, dass sie sich als eine Variante des wissenschaftlichen Marxismus verstand. Es ist aber spätestens seit der Periode, in der sich ab Ende der 1920er Jahre unter der Leitung von Max Horkheimer das epochemachende methodologische Selbstverständnis des Instituts artikuliert hat, klar gewesen, dass eine solche materialistische Erforschung der zeitgenössischen Gesellschaft der Ressourcen und Beiträge etlicher Disziplinen bedarf, in deren Zusammenspiel sich erst die Art von diagnostischem Wissen über die Funktionszusammenhänge des sozialen Lebens ergibt, das zu ihrer Kritik unabdingbar ist. Denn dies konnte Horkheimers Überzeugung nach weder die Aufgabe einer -wenn auch aktualisierten - Kritik der politischen Ökonomie allein sein; diese Überzeugung trennt die Vertreter des Instituts in dieser Zeit von vielen ihrer orthodoxen westlichen Kollegen und vor allem von den sowjetischen Marxistinnen. Noch lässt sich ein solches Projekt als rein theoretisches, philosophisches Unternehmen durchführen; diese Skepsis gegenüber dem Idealismus der »bürgerlichen« Philosophie unterscheidet die - ihrer akademischen Ausbildung nach - Philosophen Horkheimer, Theodor W. Adorno und Herbert Marcuse von ihren klassisch orientierten Fachkollegen und deren Reserve gegenüber den Sozialwissenschaften. In den wichtigsten programmatischen Texten dieser Zeit ist vorrangig von der Kooperation von Philosophie, Soziologie und Politischer Ökonomie die Rede, an zentralen Stellen wird allerdings auch die Psychoanalyse oder Sozialpsychologie erwähnt.

In den einflussreichen methodologischen Texten Erich Fromms in der Zeitschrift für Sozialforschung der frühen 1930er Jahre wird genau dies gefordert und entworfen, nämlich eine systematische Integration gesellschaftstheoretischer und psychologischer Perspektiven. Nur so könne sich begreifen lassen, was kapitalistische Gesellschaften ausmacht, welche kollektiv-systemischen Mechanismen einerseits, welche individuell-psychischen Gesetzmäßigkeiten andererseits, ineinandergreifen müssen, um eine funktionierende kapitalistische Gesellschaft mit ihren Institutionen und Subjekten zu etablieren und zu erhalten. In etlichen Forschungsprojekten, die nach der Emigration der Institutsmitglieder aus Deutschland durchgeführt wurden, und an denen etwa Adorno beteiligt war, namentlich in den berühmten Studien zum autoritären Charakter von Mitte bis Ende der 1940er Jahre, haben sich nur noch Restelemente der empirischen Umsetzung eines solchen Projekts gezeigt, in vielen Hinsichten ist es fragmentarisch geblieben; auch Fromm hatte sich in der Nachkriegszeit, nach bitteren Kontroversen mit seinen ehemaligen Frankfurter Kollegen, in eine andere Richtung orientiert. (...)"

Der vielleicht wichtigste Text der gesamten Tradition, die von Horkheimer und Adorno gemeinsam verfasste Dialektik der Aufklärung, nutzt auf kreative Weise psychoanalytische Begriffe und Denkmodelle, um eine andere Geschichte der Moderne und der unheilvollen Verschlingung der Herrschaft über die äußere Natur mit der über die innere Natur zu erzählen. Adornos maßgebliche politische Stellungnahmen zur deutschen Schuld und Verdrängung aus der Nachkriegszeit bedienen sich zahlreicher freudianischer Prämissen, und noch im Kern seiner Spätphilosophie mit ihrem Versprechen einer anderen, leib- und leidenssensiblen Vernunft, liegen Intuitionen, die sich ohne ihre psychoanalytische Herkunft kaum verständlich machen lassen.Sinne."

Inhalt

  • Vorwort von Martin Saar
  • Vorwort zur deutschen Ausgabe von Amy Allen
  • Danksagung
  • Einleitung. Warum die Kritische Theorie auf die Psychoanalyse angewiesen ist - heute mehr denn je
  • 1. Kleinianischer Realismus. Zwischen dem Intrapsychischen und dem Intersubjektiven
  • 2. Ein System von Narben. Das Problem der Ich-Integration
  • 3. Jenseits des Entwicklungsparadigmas. Psychoanalyse und Fortschrittskritik
  • 4. Die Heilung ist, dass es keine Heilung gibt.
    Die Psychoanalyse und die Idee des Fortschritts
  • 5. Die Übertragung. Psychoanalyse und die Methodologie der Kritik
  • Schluss. Von der Theorie zur Praxis
  • Literatur
  • Personenverzeichnis

Die Autorin

Amy Allen ist Professorin für Philosophie, Frauen- Gender- und Sexualwissenschaften an der Pennsylvania State University und eine der bedeutendsten feministischen Theoretikerinnen der Vereinigten Staaten. Zuletzt erschienen von ihr »Das Ende des Fortschritts« (2019).

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