Details

Autor Freud, Sigmund (1856-1939); Silberstein, Eduard (1856 - 1925)
Herausgeber Boehlich, Walter (Hg.)
Verlag S. FISCHER
Auflage/ Erscheinungsjahr 01.08.1989
Format 21,2 × 13,7 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung gebunden, mit Schutzumschlag
Seiten/ Spieldauer 280 Seiten
Abbildungen Mit 15 Reproduktionen auf Tafeln und 11 Faksimiles
Gewicht 447
ISBN 9783100228062

Zu dieser Ausgabe

Zusammen mit seinem Schulfreund und Intimus Eduard Silberstein besuchte Sigmund Freud zweimal seine alte Heimatstadt Freiberg. Die beiden damals Unzertrennlichen lernten gemeinsam Spanisch und begannen, sich Briefe in dieser Sprache zu schreiben:

»Wir verbrachten alle Stunden des Tages«, schreibt Freud über diese Freundschaft, »die wir nicht auf den Schulbänken saßen, miteinander. Wir (...) hatten unsere eigene Mythologie und Geheimnamen, die wir aus einem Gespräch des großen Cervantes schöpften. In unserem spanischen Lesebuch fanden wir einmal einen humoristisch-philosophischen Dialog zwischen zwei Hunden, die vor der Türe eines Hospitals beschaulich lagern, und eigneten uns deren Namen an; er hieß im schriftlichen wie im mündlichen Verkehr Berganza, ich Cipion. ... Wir bildeten mitsammen eine absonderliche gelehrte Vereinigung, die Academia Castellana /AC/, hatten eine große scherzhafte Literatur zusammengeschrieben, die sich gewiß noch unter meinen alten Papieren findet, wir teilten frugale Nachtmähler mitsammen und langweilten uns nie. (...)«

Begeisterte sich Freud rückblickend in einem Brief
an seine Freundin Martha Bernays am 7.2.1884

Die Briefe des Gymnasiasten und Studenten Sigmund Freud an seinen Jugendfreund Eduard Silberstein sind das einzige überlieferte umfangreiche Selbstzeugnis aus den prägenden frühen Bildungsjahren des Begründers der Psychoanalyse. Sie sind in ihrem Sprachzauber eine literarische Kostbarkeit. Zugleich dokumentieren sie eine typische jüdische Wiener Jugend im 19. Jahrhundert. Von Anfang an tragen diese Dokumente unverkennbar die Handschrift des großen intellektuellen Neuerers. Freuds Originalität tritt besonders schön hervor, wenn er aus dem Anschauen der ihn umgebenden Menschen - in zahllosen meisterlichen Miniaturen festgehalten -, vor allem aber aus rigoroser Selbstbeobachtung »Rezepte« für seine »kleine psychologische Hausapotheke« gewinnt und dabei jenes Wahrnehmungsinstrument schärft, welches später die systematische Entdeckung des Unbewußten ermöglicht und damit eine Revolution im Menschenbild des 20. Jahrhunderts bewirkt hat.

Inhalt

Editorische Vorbemerkung. Von Walter Boehlich

Briefe

  • Anhang:
    Zwei spätere Briefe Sigmund Freuds
    Entwurf zum Hochzeitscarmen
    Biographische Notizen über Dr. Eduard Silberstein Von Rosita Vieyra
    Der Ichthyosaurus. Von Joseph Victor von Scheffel
    Verzeichnis der Abbildungen
    Briefregister

Nachwort. Von Walter Boehlich / Namensregister

Stimmen zum Buch

In einem wunderbaren, informativen und umfänglichen Beitrag Bernd Nitzschkes, der am 8.12.1989 in Die Zeit unter dem Titel:

›Bürger Freud auf der Reise nach Inner-Afrika‹ - Was die Psychoanalyse entdeckte und was es an ihr noch zu entdecken gibt: Biographien, Essays, Briefbände und Polemiken

erschien, kommt der Autor gleich zu Anfang auch auf die Jugendfreundschaft zwischen Silberstein und Freud zu sprechen:

"Nach „Inner Afrika", in einen „fremden Welttheil", ziehe sich ein Mensch immer dann zurück, wenn ihm die Außenwelt zu fremd oder zu ängstigend erscheine. Das schrieb Freud, sinngemäß, in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts an seine Braut Martha. Eine Zeit, in der ein solcher Rückzug obligatorisch, wenngleich in der Regel nur vorübergehend erfolgt, ist für nahezu jeden Menschen die Pubertätszeit. Durch glückliche Umstände sind Briefe Freuds aus jener Zeit und aus seiner Adoleszenz erhalten geblieben, deren Inhalt den ironisch überspielten Weltschmerz einer Jugend im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts reflektiert.

Walter Boehlich hat diese Briefe an Freuds Jugendfreund Eduard Silberstein erstmals vollständig herausgegeben. Teilweise mußten sie von Boehlich aus dem von den beiden Brief- und Lebensfreunden autodidaktisch erworbenen, nur ihnen vertrauten und als Geheimsprache benutzten „Spanisch" übersetzt werden. Was Boehlich dabei gelang, ist sehr lobenswert. Seine Übersetzungen schmiegen sich dem Freudschen Jugend Stil fein an, ein Stil, der mit Wortwitz alle Nuancen dei Sprache nutzt und ausnutzt, die Reden schillern läßt, als glitten die letzten Strahlen einer untergehenden Sonne bald über das melancholisch ruhige, bald über das stürmisch bewegte Wasser eines tiefen, noch unerforschten Bergsees. (...)

Bernd Nitzschke, in; Die Zeit, 8.12.1989

Und Phyllis Grosskurth schreibt anläßlich des Erscheinens der amerikanischen Ausgabe des Bandes 1991 in New York Review of Books:

The Boy Friend

"It is difficult for us to believe that Freud was ever a young man. We are so conditioned by the photographs of the patriarchal bearded figure with his eyes gazing solemnly and disapprovingly at the world and by his letters which so frequently predict an imminent death that we tend to think of him as eternally old.

But young he once was, young, high-spirited, and delighting in the vagaries of life. “Isn’t life one of the strangest things in the world?” he demanded suddenly and impulsively of his young Romanian friend Eduard Silberstein when they were both fifteen. With the publication of the letters of Freud to Silberstein, written between 1871 and 1881, we discover an entirely different Freud, although in his relations with Silberstein we catch glimpses of the implacable streak in his character that was to become so prominent in later years.

The correspondence has been translated elegantly by A.J. Pomerans, who has managed to capture the insouciant tone of a playful friendship. The editing by Walter Boehlich, however, is disappointing. One of the more interesting features of Freud’s correspondence with Jung and Fliess is the respective accounts by William McGuire and Jeffrey Masson of how the letters came to light. But all we learn from Boehlich about the Silberstein correspondence is that it was deposited in the Library of Congress in the late Seventies by “the esteemed Kurt R. Eissler,” the New York psychoanalyst who was then in charge of the Freud archives. I shall return to Boehlich’s unsatisfactory treatment of crucial missing letters.

Freud and Silberstein probably first met when both were fourteen in 1869 at a spa near Freiberg where their mothers were taking the cure. In 1871 Silberstein’s father, a well-to-do banker in Braila, sent him to Vienna where he and Freud attended the same high school. They wrote to each other when Silberstein returned home for the holidays. A close friendship sprang up between them almost immediately. Freud’s letters express an adolescent longing to pour out his ambitions and fears to a single, intimate friend. When separated from Silberstein, Freud was little inclined to make other friends. Their letters provided a way to create a deeper bond between them. Freud confessed to being bored by his contemporaries; no one could fill Silberstein’s place, although Freud had “enemies by the dozen and of all shapes and sizes” (December 11, 1874). What time he had, he admitted, “I should prefer to spend it with you alone. I suspect we have enough to tell each other to dispense with a third for an audience. (...)”

Der Herausgeber des Bandes

Der Literaturkritiker, Essayist, Übersetzer und Verlagslektor Walter Boehlich, geboren 1921 in Breslau, gestorben 2006 in Hamburg, studierte Philologie in Bonn und wurde Assistent von Ernst Robert Curtius. Er schrieb über Jahrzehnte regelmäßig unter anderem für »Die Zeit«, die »FAZ« und »Titanic«. Bei S.Fischer erschienen die von ihm herausgegebenen ›Jugendbriefe an Eduard Silberstein‹ von Sigmund Freud sowie seine Übersetzung von Virginia Woolfs ›Mrs Dalloway‹.

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