Details

Herausgeber Maschsee-Gruppe (Hg.)
Verlag Brandes u. Apsel
Auflage/ Erscheinungsjahr 25.11.2020
Format 23,5 × 15,5 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 228 Seiten
Reihe Jahrbuch Selbstpsychologie, Band 3
ISBN 9783955582944

Aus der Einleitung zu diesem Themenband

"Schwingungsfähige Objekte schwingen in einer Eigenfrequenz, versetzen andere Objekte damit in Schwingung und werden aber selbst durch das Schwingen der Anderen in Schwingung versetzt. Dies gilt besonders für Menschen. Mit Resonanz wird - gleichermaßen physikalisch und metaphorisch - als ein aufeinander bezogenes Schwingen im natürlichen Wechselspiel zwischen regelmäßiger und chaotischer Dynamik bezeichnet. Sich ihr zu entziehen, ist nicht möglich. Resonanzen verlaufen nicht linear, sondern in Brüchen, Sprüngen und Fraktalen. Resonanz erfolgt als harmonisches Zusammenspiel, bewirkt durch sich aufschaukelnde Interferenzen Chaos und den Zusammenbruch komplexer Strukturen, etwa wie bei unkontrolliert ins Schwingen geratenen Gebäuden oder Brücken. Resonanz berührt, wir werden berührt und berühren die Anderen. Um miteinander zu kooperieren, müssen alle Lebewesen sich immer erneut aufeinander einschwingen, miteinander kommunizieren und partizipieren. Kommunikation und Teilhabe sind wechselseitige Einflussnahme. Jeder ist mit den Anderen und der Welt unabdingbar und unablässig verbunden, man kann nicht Nicht-Partizipieren. Von der Musik, Philosophie, Pädagogik, Physik und Astronomie entdeckt die Wissenschaft darin Gemeinsames. Resonanz ist zugleich Anrede und Antwort, ist überlebensnotwendig wie das Phänomen des »sozialen Todes« zeigt. Resonanz ist das hervorstechende Merkmal von Intersubjektivität.

Psychologisch ist Resonanz z. B. erlebbar, wenn in der Erzählung des Anderen etwas in einem selbst berührt wird. In der Selbstpsychologie gehört zur Empathie nach Daniel Stern (1992) Resonanz als erster Schritt, es folgen die Reflektion unserer Reaktion und eine entsprechende Intervention. Die daraus sich eröffnende Selbstobjekterfahrung wäre ohne Resonanz nicht möglich.

Es handelt sich um Phänomene der psychologischen Anmutung und Einstimmung, die explizit mit Worten beschreibbar sind oder auch implizit mitschwingen. Das dabei gewonnene implizite Wissen umfasst zu wesentlichen Teilen die Interaktionen zwischen unserem Körper und der belebten und unbelebten Welt als das implizit prozedurale Wissen und daneben das Wissen über das Zusammensein mit einer anderen Person, das implizite Beziehungswissen (IB), dessen prozedurales Wissen gleichermaßen affektive, interaktive und kognitive Kenntnisse beinhalten kann (Stern et al. 2012, S. 206; Clauer2013)
In diesem Band werden Wege gesucht, diese Resonanzprozesse über die Beobachtung impliziter Interaktionsprozesse näher zu untersuchen.

Aus der Beschäftigung mit der Kleinkindforschung hat die Maschsee-Gruppe zunehmend begonnen, implizite Prozesse und Resonanzphänomene zu untersuchen. Dazu wurden in der Gruppe in gegenseitiger Intervision Ausschnitte aus Therapien näher untersucht und später die Falldarstellung einer Kollegin einem anderen Kollegen gegenüber auf Video aufgezeichnet. Diese Aufzeichnung wurde in der Gruppe angeschaut und bedeutsame Abschnitte in Zeitlupe genauer unter dem Aspekt des körperlichen Ausdrucks betrachtet.

Auf dem 3. Maschsee-Symposium wurde ein Raum geschaffen, in dem diese Ideen auf dem Hintergrund klinischer Arbeit, zeitgenössischer psychoanalytischer Konzepte, aktueller gesellschaftliche Themen und Anregungen aus den Nachbarwissenschaften in einen lebendigen Bezug gesetzt werden konnten.
Zu der Maschsee-Gruppe, die die Tagung organisiert hat, gehören Klaus Augustin, Jutta Bilger-Umland, Jennifer Browne, Jörg Clauer, Uwe Hampel, Franz Herberth, Wolfgang Kämmerer, Sabine Kemnitz, Beate Martius, Ingrid Mehner, Wolfgang Milch, Ute Moini-Afchari, Mechthild Schierenberg-Seeger, Ebba SchmitzHübsch und Katinka Wessolowski-Strömer.(...)"
- Wolfgang Milch

Die Beiträge

Wolfgang Milch: Einleitung: Implizite Wege zur Resonanz 7

I. Teil: Beiträge der Maschsee-Tagung

  • Rainer Mausfeld: Über die stillschweigende Duldung u. menschlicher gesellschaftlicher Zustände 10
  • Ebba Schmitz-Hübsch: Das Maschsee-Projekt. »Wissen wir, was wir tun? Die Videolinse als drittes Auge« - ein Videoprojekt zur Untersuchung impliziter, intersubjektiver Vorgänge in der Supervision 22
  • Corinna Reck / Maria Hagl / Anna-Lena Zietlow: Resonanz in der Mutter-Kind-Beziehung im Kontext
  • postpartaler Depressionen und Angststörungen 29
  • Vita Heinrich-Clauer: Therapeuten als Resonanzkörper 51
  • Jörg Clauer / Wolfgang Milch: Der Nutzen des Konzepts der Resonanz für das Verständnis der impliziten Dimension in Supervisionsprozessen 74
  • Gudrun Prinz: Die Poesie impliziter Kommunikation 98
  • Wolfgang Milch: Innere Bilder als Ausdruck von Resonanz 109

II. Teil: Weitere Beiträge zur Selbstpsychologie

  • Ebba Schmitz-Hübsch: Zum Verstehen der komplexen Wirklichkeit des therapeutischen Geschehens 134
  • Martin Goßmann: Die Selbstpsychologie in einer pluralistischen Welt: Braucht es noch eine Narzissmustheorie - jenseits der Libidotheorie, der Objektbeziehungstheorie, der Relationalen Psychoanalyse? 166
  • Daniel Perletz: Die implizite Analytikerin: Wichtige Qualitäten im therapeutischen Prozess 197

Die Herausgeber

Die Herausgeber der Reihe, Martin Großmann und Andrea Harms, sind niedergelassene Psychoanalytiker und der psychoanalytischen Selbstpsychologie seit Jahrzehnten aktiv verbunden durch die Gestaltung von internationalen Tagungen, Supervisionen und Vernetzungen, durch Fachpublikationen national wie international, durch Buchpublikationen und durch die Herausgabe der Zeitschrift Selbstpsychologie, deren Nachfolge nach 17 Jahren des Erscheinens im Rahmen einer vierteljährlich erscheinenden Fachzeitschrift seit 2017 das Jahrbuch Selbstpsychologie antritt.

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