Intimität und soziales Leid

"Die Psychoanalyse [..] bringt zu Bewußtsein, was keiner anderen Wissenschaft in dieser Schärfe bewußt zu machen gelingt: soziales Leid, das den Menschen angetan wurde und das sie selbst nicht mehr auszusprechen vermögen, weil die Verhältnisse sie sprachlos gemacht haben; weil sie ihr Unglück, ihr Elend, die gesellschaftlich hergestellt sind, nur noch erleiden, jedoch nicht mehr erkennen können. Es führt kein Weg zurück zur )Untersuchung( des Patienten anstelle der Interpretation seiner Phantasien. Worauf es ankommt, ist, nicht lediglich die Realität, in welcher der, Patient lebt, ernst zu nehmen, sondern auch und gleichermaßen seine Phantasien - jene Phantasien, in die der Einspruch gegen die Ordnung der Herrschaft sich zurückgezogen hat."

Alfred Lorenzer

Alfred Lorenzer rekonstruiert den allmählichen Entwurf der Psychoanalyse aus der alten Heilkunde, der traditionellen Medizin und der naturwissenschaftlichen Psychiatrie – aus der Auseinandersetzung mit »Besessenheit«, »Wahn«, »Verrücktheit«, »zuchtloser Lebensführung« seit den ersten, religiös bestimmten Disziplinierungen »auffälligen Verhaltens«. Den Hauptteil des Bandes bildet die Erkundung der Vor- und Frühgeschichte des psychoanalytischen Verfahrens.

Aus dem Inhalt

• Einleitung: Hundert Jahre Psychoanalyse
• Die Säkularisierung des Wahns
• Die Medizinalisierung der Besessenheit
• Remystifizierung versus Szientifizierung
• Liebeault, Bernheim, Charcot: die Hypnose und die Macht der Ärzte
• Die "moderne Behandlung der Nervenschwäche" im Vorfeld der Psychoanalyse
• Pierre Janet und die Entdeckung des Unbewußten
• Bertha Pappenheim oder Die Umkehrung des Arzt-Patient-Verhältnisses
• Freud - der Kampf um das Verstehen und die strenge Wissenschaftlichkeit des Begreifens
• Vorstufen einer hermeneutischen Erfahrungswissenschaft
• Das Unbewußte
• Sexualität
• Das Ende einer Illusion. Von der Ereignisdiagnose zur Erlebnisanalyse.

Quellenverzeichnis

Der Verfasser

Alfred Lorenzer (1922–2002) war Psychoanalytiker und Professor für Soziologie an der Universität Frankfurt am Main. Werke u. a.: ›Zur Begründung einer materialistischen Sozialisationstheorie‹ (1972); ›Die Wahrheit der psychoanalytischen Erkenntnis‹ (1974); ›Intimität und soziales Leid. Archäologie der Psychoanalyse‹ (1984); ›Das Konzil der Buchhalter‹ (1984); (Hrsg.) ›Kultur-Analysen‹ (1986).

Lieferbarkeitshinweis

Im Modernen Fachantiquariat der SFB ein wohlerhaltenes und offenbar nicht wirklich gelesenes Exemplar aus der Reihe Fischer-Wissenschaft mit einem handschriftlichen Gruß und der vollständigen Signatur des Autors.