Details

Autor Girard, Réne
Verlag Verlag der Weltreligionen
Auflage/ Erscheinungsjahr 13.10.2008
Format 17,8 × 10,8 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 254 Seiten
Gewicht 238
ISBN 9783458720096

» ... der Mensch glaubt entweder an Gott, oder er glaubt an einen Götzen. Kein Drittes!«

Zu diesem Buch

In diesem Buch des französischen Kultur- und Religionswissenschaftlers René Girards verteidigt er das Christentum als programmatischer Versuch der Einhegung von Gewalt durch deren Anerkenntnis als konstitutives Element menschlicherer Gemeinschaft. Der Zentralbegriff aus Girards anthropologischer Theorie der Gewalt ist dabei Mimesis, Nachahmung. Im Fall der Gewaltnachahmung droht eine Eskalation, in der für Girard das Wesen Satans besteht: der Zerfall der Gesellschaft, der Krieg aller gegen alle. Girards Buch zielt auf eine Radikalisierung des christlichen Glaubens, die von den Evangelien selbst vorgedacht wurde. ´Satan` wird dabei verstanden als die Äußerungsform, die Verkörperung des mimetischen Begehrens; es/er versteht sich daher als ein unverzichtbarer mythologischer Rest.

Aus der Einleitung des Autors

"Hinter der Passion Christi, hinter einigen biblischen und zahllosenmythischen Dramen, hinter den archaischen Mythen erkennen wir denselben Prozeß von Krise und Krisenbeilegung, der auf dem Mißverständnis des einzigen und alleinigen Opfers gründet - denselben "mimetischen Zyklus". Befassen wir uns mit den großen Ursprungserzählungen und Gründungsmythen, dann stellen wir fest, daß sie selbst von der fundamentalen Rolle des einzigen und alleinigen Opfers samt seiner geschlossenen Ermordung handeln. Die Vorstellung ist allgegenwärtig. In der sumerischen Mythologie gehen die kulturellen Institutionen aus dem Körper eines einzigen Opfers, Ea (Enki), Tiamat, Kingu, hervor. Desgleichen in Indien: Die Zerstückelung des höchsten Opfers, Purusha, durch die Menge der Opfernden erzeugt das Kastenwesen. Analoge Mythen finden sich in Ägypten, in China, bei germanischen Völkern, überall. Die schöpferische Kraft des Mordes findet ihren konkreten Niederschlag häufig in der Bedeutung, die den Teilen des Opfersbeigemessen wird. Von jedem Teil wird angenommen, er bringe eine besondere Institution hervor: einen totemischen Clan, eine territoriale Unterteilung, mitunter eine Pflanze oder ein Tier, das der Gemeinschaft als Hauptnahrungsquelle dient. Der Körper des Opfers wird zuweilen mit dem Samen verglichen, der vergehen muß, um zu keimen; dieses Keimen ist identisch mit der Wiederherstellung der durch die voraufgehende Krise beschädigten Kultur oder mit der Schöpfung eines gänzlich neuen Systems, das häufig als das erste je erzeugte gilt, eine Art Erfindung der Menschheit. "Wenn aber das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, so bleibt's allein; wenn es aber erstirbt, so bringt es viel Frucht."Die Mythen, welche die Gründerrolle des Mordes bekräftigen, sind derart zahlreich, daß selbst ein so wenig zu Generalisierungen neigender Mythologe wie Mircea Eliade den Hinweis darauf für nötig hielt. In seiner Geschichte der religiösen Ideen spricht er von schöpferischen Mordtaten, die den zahlreichen Gründungserzählungen und Gründungsmythen überall auf der Weltgemein sind*.

Es gibt hier ein Thema, dessen Häufigkeit den Mythologen sichtlich überrascht, ein "transmythologisches Phänomen" gewissermaßen; seinem rein deskriptiven Verfahrengetreu hat Mircea Eliade jedoch meines Wissens niemals eine universale Erklärung versucht, wie ich sie glaube geben zu können.*Die Doktrin des Gründungsmordes ist nicht nur mythisch, sondern auch biblisch. In der Genesis fällt sie mit der Ermordung Abels durchKain in eins. Die Erzählung dieser Tötung ist kein Gründungsmythos, vielmehr die biblische Interpretation sämtlicher Gründungsmythen. Sie berichtet uns über die blutige Stiftung der ersten Kultur und über deren Folgen; sie bilden den ersten mimetischen Zyklus in der Bibel. Wie geht Kain vor, um die erste Kultur zu gründen? Der Text stellt die Frage nicht, beantwortet sie aber implizit, indem er sich auf zwei Themen beschränkt: Das erste ist der Mord an Abel, das zweite, wie die erste Kultur Kain zugeschrieben wird: offensichtlich als direkte Verlängerung des Mordes und in Wahrheit als eins mit den nichträchend, sondern rituell kodierten Folgen des Mordes. Die eigene Gewalt flößt den Mördern heilsame Furcht ein. Sie gibt ihnen die ansteckende Natur mimetischer Verhaltensweisen zu verstehen und läßt sie die zukünftigen katastrophalen Möglichkeiten erahnen: So wird es mir ergehen, nun, da ich meinen habe, sagt sich Kain: "... daß mich totschlägt, wer mich findet" (1. Mose 4,14). Die Wendung "daß mich totschlägt, wer mich findet" zeigt, daß sich die menschliche Rasse zu jenem Zeitpunkt nicht auf Kain und dessen Eltern, Adam und Eva, beschränkte. Das Wort Kain bezeichnet die erste, durch den ersten Gründungsmord geeinte Gemeinschaft. Deshalb ist die Zahl der potentiellen Mörder groß, und es gilt, sie am Töten zu hindern (...)"

Inhalt

Einleitung

Erster Teil: Das biblische Wissen um die Gewalt

  • 1. Es muß ja Ärgernis kommen
  • 2. Der Zyklus der mimetischen Gewalt
  • 3. Satan

Zweiter Teil: Die Enträtselung der Mythen

  • 4. Das schreckliche Wunder der Apollonios von Tyana
  • 5. Mythologie
  • 6. Opferung
  • 7. Der Gründungsmord
  • 8. Gewalten und Mächte

Dritter Teil: Der Triumph des Kreuzes

  • 9. Die Einzigartigkeit der Bibel
  • 10. Die Einzigartigkeit
  • 11. Der Triumph des Kreuzes
  • 12. Sündenbock
  • 13. Die moderne Sorge um die Opfer
  • 14. Nietzsches zweifaches Erbe

Ausblick

Peter Sloterdijk: Erwachen im Reich der Eifersucht. Notiz zu René Girards anthropologischer Sendung

Der Autor

René Girard, französischer Literaturwissenschaftler, Kulturanthropologe und Religionsphilosoph, lebt seit 1947 in den USA und lehrte dort zuletzt als Professor für französische Sprache, Literatur und Kultur an der Stanford Universität. Im Jahr 2005 wurde er zum Mitglied der Académie française gewählt. René Girard ist mit dem Dr.-Leopold-Lucas-Preis 2006 der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen ausgezeichnet worden.

Der Verfasser des Nachwortes

Peter Sloterdijk, Jahrgang 1947, Sohn einer Deutschen und eines Niederländers. Von 1968 bis 1974 studierte er in München und an der Universität Hamburg Philosophie, Geschichte und Germanistik. 1971 erstellte Sloterdijk seine Magisterarbeit mit dem Titel Strukturalismus als poetische Hermeneutik. In den Jahren 1972/73 folgten ein Essay über Michel Foucaults strukturale Theorie der Geschichte sowie eine Studie mit dem Titel Die Ökonomie der Sprachspiele. Zur Kritik der linguistischen Gegenstandskonstitution. Seit den 1980er Jahren arbeitet Sloterdijk als freier Schriftsteller. Sloterdijks 1983 im Suhrkamp Verlag publizierte Buch Kritik der zynischen Vernunft zählt zu den meistverkauften philosophischen Büchern des 20. Jahrhunderts.

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