Details

Autor Schmidbauer, Wolfgang; vom Scheidt, Jürgen
Verlag Nymphenburger
Auflage/ Erscheinungsjahr 1981 f
Format 20,6 × 13,8 × 6,2 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Gebunden
Seiten/ Spieldauer 751 Seiten, mit Register
SFB Artikelnummer (SFB_ID) SFB-000936_MA

»Auf einer Lesung in der Stadtbibliothek von Reutlingen im Herbst 2000 machte mir die Leiterin das etwas zweifelhafte Kompliment, das Handbuch der Rauschdrogen sei das meistgestohlene Werk in ihrem Haus. Das spricht immerhin dafür, dass der 1972 zuerst erschienene und immer wieder überarbeitete Text von Jürgen vom Scheidt und mir immer noch junge, dynamische Leser anspricht. Wir haben darin den Versuch unternommen, die Drogenproblematik umfassend darzustellen, d.h. Chemie und Pharmakologie ebenso zu beschreiben wie Kulturgeschichte, psychische Situation von Drogenabhängigen, therapeutische Möglichkeiten. (....)«

Wolfgang Schmidbauer

Zu diesem Klassiker

Ob Alkohol, Kokain, Fliegenpilz oder Rote Bohnen: Das Handbuch der Rauschdrogen erläutert detailliert Herkunft und Geschichte sämtlicher Drogen und Genussmittel und zeigt ihre Wirkungen und Gefahren. Kulturelle, soziale und psychologische Hintergründe werden ebenso behandelt wie Therapie und Rehabilitation Drogenabhängiger.

Inhalt

Wo finde ich was? / Vorwort zur Neuausgabe 1981 / Aus der Einleitung zur ersten Auflage 1971

Erster Teil:
43 Stichworte zu über 100 Substanzen
Von »Alkohol« bis »Zukunfts-Drogen«

Zweiter Teil:
Aspekte der Rauschdrogen - vier Rahmenartikel

  • I: Kulturgeschichte und Soziologie
  • II: Psychologie
  • III: Therapie und Rehabilitation
  • IV: Medizin (Physiologie) und Psychopharmakologie

Dritter Teil:
Drei Fallstudien zu speziellen Problemen der Rauschdrogen

  • Jürgen vom Scheidt: Gespräche mit jugendlichen Drogenkonsumenten
    Berichte aus der Praxis
  • Wolfgang Schmidbauer: Halluzionogene in Eleusis?
    Zur Kulturgeschichte der Rauschdrogen
  • Jürgen vom Scheidt: Sigmund Freuds Kokain-Experimente und ihre möglichen Folgen für die Psychoanalyse - Eine Studie zur Tiefenpsychologie und Psychodynamik von Drogenwirkungen

Drogenregister / Sachregister / Namensregister / Die Autoren

Ein beispielhafter Eintrag des Handbuches

Banisteriopsis caapi (Ayahuaska, Caapi, Banisteria, Yajé, Yagé)

Schon früh haben Reisende im Amazonasgebiet berichtet, wie die Angehörigen zahlreicher Indianerstämme dort aus der Liane Banisteriopsis caapi ein Getränk zubereiteten, dem zahlreiche magische Effekte zugeschrieben werden: Es soll sie befähigen, Kontakt mit der Geisterwelt aufzunehmen, verlorene Gegenstände wiederzufinden, entlaufene Tiere aufzuspüren oder militärische Aktionen eines Gegners vorauszusehen. Der Trank - in der Regel eine eingedickte Abkochung - hat bei den Stämmen viele verschiedene Namen: Caapi, Ayahuaska, Yajé, Yagé. Er wird aus Stengeln, Blättern und Wurzeln der Liane zubereitet.

Chemie und Wirkung: Man hat dem wichtigsten Alkaloid, das man aus Banisteriopsis isolieren konnte, verschiedene Namen gegeben: Telepathin, Yagein und Harmin. Durchgesetzt hat sich heute die Bezeichnung Harmin. Das Alkaloid enthält ebenso wie die eng verwandten Stoffe Harman und Harmalin einen Indolring (? RA V). Man findet Harmin außer in Banisteriopsis auch in der Steppenraute, Peganum harmala, die von Südeuropa (Balkanländer) bis nach Tibet gedeiht, aber - soviel man weiß - bisher noch nicht als Rauschdroge benutzt worden ist. Ihre Samen werden in der Volksmedizin als Mittel gegen Würmer und zur Blutreinigung benutzt.

Die Hauptalkaloide der Steppenraute (Harmin) und der Liane (Banisterin) sind pharmakologisch, chemisch und kristallographisch identisch, wenngleich noch Lewin meint: " Ersatzmittel für Banisterin gibt es nicht. Das mit ihm identisch sein sollende Alkaloid Harmin leistet klinisch nicht das, was (von mir) geschildert wurde" (1929, S. 18).

Harmin bildet farblose, seidenglänzende Prismen, löst sich in Alkohol und Ether, nicht in Wasser, schmilzt bei 256'C, wobei es sich zersetzt, und färbt reine, konzentrierte Schwefelsäure rosa. Bei Tieren steigert es die Erregbarkeit der Reflexe; so macht es Hunde beißlustiger. Warmblüter beginnen heftig zu zittern und können sich nur mit Mühe aufrecht halten. Das Benehmen der Hunde, an denen man Harmin/Banisterin erprobte, war so auffällig, daß man annehmen mußte, die Tiere hätten Sinnestäuschungen; so bellte eines ohne Grund eine Tür an. Beim Menschen ist reines Harmin ein wirksames Halluzinogen, wirkt also ebenso wie ? Meskalin und ? LSD. Der Ethnologe Koch-Grünberg hat die von den Indianern aus Banisteriopsis caapi zubereitete Rauschdroge konsumiert, in der wahrscheinlich noch eine Reihe weiterer, in der Struktur nicht erforschter Alkaloide enthalten ist. Er sah rote Flammen vor seinen Augen huschen und ein grellfarbiges Flimmern. Andere Selbstversuche ergaben die charakteristischen Visionen nach Halluzinogen-Konsum: schöne landschaftliche Bilder, farbige Schmetterlinge, kaleidoskopartige, bunte Ornamente.

Bereits im vorigen Jahrhundert hat der spanische Geograph Villavicendo wiederholt Ayahuaska ("Liane der Geister" in der peruanischen Quechua-Sprache) genommen: "Jedesmal ... empfand ich Schwindel; manchmal machte ich eine Luftreise, während welcher ich mich erinnere, die bezauberndsten Ausblicke gehabt zu haben, große Städte, hohe Türme, prachtvolle Parks und andere herrliche Objekte. Manchmal habe ich mir auch eingebildet, ich befände mich allein in einem Walde, von wilden Tieren angefallen, gegen die ich mich verteidigte" - also zum Teil ein bad trip in der Sprache des heutigen Konsumenten von Halluzinogenen. Der Rausch endete jeweils mit starkem Schlafbedürfnis; am Morgen erwachte Villavicendo mit Kopfschmerzen und Übelkeit. Besonders verdient gemacht um die Erforschung und Erprobung des Banisteriopsis-Alkaloids hat sich einer der bedeutendsten Drogenforscher im deutschsprachigen Raum, Louis Lewin. Er nennt die Substanz Banisterin. In seiner kleinen, aber umfassenden Studie " Banisteria caapi - ein neues Rauschgift und Heilmittel" beschreibt er schon 1927 die biochemische Darstellung des Mittels, Tierversuche (zu deren genereller Problematik RA V, Schlußteil) und Erfahrungen und Experimente an Menschen sowie Vorschläge zur medizinisch-therapeutischen Anwendung. Wie es auch anderen Drogenforschern immer wieder passierte, glaubte offenbar auch Lewin, mit Banisterin das Heilmittel für ein bestimmtes Leiden entdeckt zu haben. Zumindest die Fachwelt hat seine Begeisterung für die Erfolge bei schwersten Bewegungsstörungen nicht ganz teilen können, obgleich Harmin bzw. Banisterin heute noch bei enzephalitischen Zuständen, bei Parkinson-Kranken und bei Paralysis agitans eingesetzt wird (Hesse S. 95). Es liest sich fast wie eine Wunderheilung, wenn Lewin von einer an massivem postenzephalitischen Parkinsonismus leidenden Frau (S. 18) berichtet, sie "liegt ständig steif wie ein Stock und unbeweglich im Bett, kann weder selbständig essen, noch irgendeine nennenswerte Bewegung machen. Ständige Zuckungen der Zunge ..." Zwei Stunden später, nach subkutaner Injektion von 0,05 Gramm Banisterin in Lösung: "Spontan spricht die Kranke mit viel lauterer Stimme als sonst: >Herr Doktor, ich kann meine Zunge jetzt stillhalten!< Die Zunge liegt tatsächlich ganz ruhig im Mund. Sprache wieder erheblich gebessert. Gesichtsausdruck viel lebhafter als sonst. Eine solche Unmittelbarkeit des Helfens von Bewegungsstörungen durch ein Arzneimittel war bisher unbekannt ..." Und kurz darauf schreibt Lewin: "Meiner Überzeugung nach kann das Banisterin dazu berufen sein, noch weitere große medizinische Überraschungen in bezug auf die Beeinflußbarkeit gewisser krankhafter Gehirnstörungen zu liefern ..." Wie gesagt, diese Hoffnung wurde enttäuscht. Die eigentlichen Heilmöglichkeiten von Banisteriopsis caapi scheinen auf dem Gebiet der Psychotherapie zu liegen. Ähnlich wie Leuner (1962) und Grof (1978) LSD einsetzten, benützt Claudia Naranjo, ein chilenischer Psychiater und Gestalttherapeut, ein Banisteriopsis-Alkaloid für seine Arbeit mit seelisch gestörten Patienten, allerdings nicht Banisterin/Harmin, sondern das verwandte Harmalin (Naranjo 1979; -- Harmalin).
W. Sch.

Literatur:

  • Efron, D. H. (Hrsg.), Ethnopharmacologic Search for Psychoactive Drugs, Washington 1967
  • Grof, S., Topographie des Unbewußten, Stuttgart 1978
  • Hesse, H., Rausch-, Schlaf- und Genußgifte, Stuttgart 1966
  • Leuner, H, Die experimentelle Psychose, Berlin 1962
  • Lewin, L., Banisteria caapi - ein neues Rauschgift, Berlin 1929
  • Naranjo, C., Die Reise zum Ich - Psychotherapie mit heilenden Drogen, Frankfurt a. M. 1979
  • Reinburg, P., "Contribution ä l'etude des bois sons toxiques des Indiens du nordouest de l'Amazone", in: Journal de la Societe des Americanistes de Paris, Bd. 13, Paris 1921
  • Villavicendo, Geographia de la Republica del Ecuador, New York 1858

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Im SFB-Fachantiquariat als ein sehr gut erhaltenes, offenbar nicht wirklich konsultiertes Exemplar der verbesserten und erweiterten 6. Auflage in entsprechend guter Erhaltung und mit lediglich geringen Lagerungs- /Gebrauchsspuren; hier MIT dem Schutzumschlag, dieser lichtbedingt am Rücken leicht aufgehellt. Gesuchter Standardtitel, beim Verlag vergriffen.

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