Details

Autor Sigmund Freud Museum
Herausgeber Marinelli, Lydia (Hg.)
Verlag Turia + Kant
Auflage/ Erscheinungsjahr 2. Auflage, 2004
Format Gr.-8°
Einbandart/ Medium/ Ausstattung kartoniert
Seiten/ Spieldauer 127 Seiten
Abbildungen zahlr. Tafeln
Gewicht 800 g
SFB Artikelnummer (SFB_ID) SFB-001458_AC

Wien, Berggasse 19, ein ganz gewöhnliches bürgerliches Mietshaus mit Geschäftslokalen und Wohnungen, Wohnsitz der Familie Freud und anderer Mieter. »Freuds verschwundene Nachbarn« setzt bruchstückartig die Hausgemeinschaft von 1938 zusammen und rückt sie in das Blickfeld gegenwärtiger Formen von Vergangenheitssichtungen.

Zu diesem Buch

Vom 26. März bis 28. September 2003 zeigte das Sigmund Freud-Museum Wien unter dem Titel "Freuds verschwundene Nachbarn" eine Ausstellung, die das Haus Berggasse 19 und seine Bewohner zum Thema hatte.

Hauptdarsteller der Ausstellung sind das Haus Berggasse 19 und seine Bewohner und Bewohnerinnen. Das Gebäude verweist heute auf den Namen Freud und die Entstehung der Psychoanalyse, doch jenseits seiner musealen Funktionen dient es wie zu Freuds Zeiten als Miets- und Geschäftshaus. Dieses Spannungsverhältnis zwischen einem höchst symbolträchtig aufgeladenen »Originalschauplatz« und alltäglichen Wohnsituationen nimmt sich die Ausstellung zum Ausgangspunkt.

Die Ausstellung entwirft ein Bild der einstigen Hausgemeinschaft. Es werden Einblicke in das Leben der Bewohner von Berggasse 19 gegeben, von denen fast alle durch den Nationalsozialismus vertrieben oder ermordet wurden. Der Weg durch das Haus führt in die Praxis der Psychoanalytikerin Dorothy Burlingham, die hier bis 1938 wohnte und arbeitete, oder auch in die Wohnung der Familie Humburger, denen der Schriftsteller Leo Perutz zur Flucht verhalf.

Es veranschaulicht sich an der Biographie eines Wiener Mietshauses, wie weit die Verwicklungen in die NS-Geschichte über das Jahr 1945 hinaus reichen. Es öffnen sich die Türen zu den aktuellen Debatten über die Entschädigung nationalsozialistischer Enteignungen, zu den widersprüchlichen Verbindungen von Geld und Gedächtnis, aber auch zu den Ritualen der Erinnerung, derer sich Museen bedienen.

"(...) Das Gebäude steht heute für den Namen Freud und die Entstehung der Psychoanalyse. Abseits dieser auratischen Funktion lenkt die Ausstellung den Blick in das Innere eines Wiener Mietshauses, dessen Räume ein Labyrinth aus zeitgeschichtlichen Linien bilden. In das Blickfeld rückt eine Geschichte, die beispielhaft für viele Häuser Wiens stehen kann.

Besucher des Sigmund Freud-Museums Wien stellen immer wieder die Frage, wer in den zahlreichen anderen Wohnungen der Berggasse 19 gelebt habe und was aus diesen Bewohnern geworden sei. Freuds verschwundene Nachbarn gibt eine Antwort darauf und entwirft ein Bild der einstigen Hausgemeinschaft.

Die Ausstellung ermöglicht einen Einblick in das Leben der Bewohner des Hauses Berggasse 19, von denen viele durch den Nationalsozialismus vertrieben oder ermordet wurden. Der Gang durch das Haus führt in die Praxis der Psychoanalytikerin Dorothy Burlingham, die hier bis 1938 wohnte und arbeitete, oder auch in die Wohnung von Dorothea und Emil Humburger, die der Schriftsteller Leo Perutz bei ihrer Emigration unterstützte. (...)

Der Weg der Ausstellung führt gleichsam zurück in die Geschichte einer durch den Namen Freud zufällig berühmt gewordenen Adresse wie an die Gegenwart heran: Es öffnen sich die Türen zu den derzeit laufenden Debatten über die Entschädigung nationalsozialistischer Enteignungen, zu den widersprüchlichen Verbindungen von Geld, Bürokratie und Gedächtnis und den Ritualen der Erinnerung, derer sich Museen bedienen.

Am Beispiel einzelner Wohnungen werden die Schwerpunkte Sammelwohnungen, "Arisierung", Deportation, Emigration, Remigration, Rückkehr aus dem Lager sowie Entschädigungs- und Rückstellungspraxis der Zweiten Republik gesetzt.

Im Zuge der Aufhebung des Kündigungsschutzes für Juden am 10. Mai 1939 wurden jüdische Wohnungseigentümer gesetzlich verpflichtet, jüdische Mitbürger auf Verlangen der Behörde als Mieter und Untermieter aufzunehmen. Im Sommer 1939 entstanden in kürzester Zeit ghettoähnliche Situationen in einzelnen Wiener Stadtgebieten. Besonders drastisch gestaltete sich die Situation in Berggasse 17 und Berggasse 19. Laut Aufzeichnungen des Gruppenleiters Roßau gehörten diese zu den am dichtesten belegten Gebäuden der Straße. Auch Sigmund Freuds Privatwohnung Nr. 5 diente nach der Vertreibung von Freud und seiner Familie als "Sammelwohnung". (...)

Am Beispiel der Familie Hand, die 1939 zwangsweise in die Räume von Freuds ehemaliger Praxis eingewiesen wurde, zeigt sich die schrittweise Enteignung, denen jüdische Bewohner ausgesetzt waren. Eine Station dieser Enteignung bildete der Verlust des Mietrechtes und die zwangsweise Unterbringung in Wohnungen anderer Juden. Ab 1. Jänner 1939 war Juden jegliche unternehmerische Tätigkeit untersagt, die Betriebe wurden zwangsarisiert oder liquidiert. Das als "volks- und staatsfeindlich" bezeichnete Vermögen und alle damit verbunden Rechte und Ansprüche verfielen an das Deutsche Reich. Am Ende der sukzessiven Enteignung stand die Deportation – was zu diesem Zeitpunkt noch an Vermögen, Schmuck oder auch Hausrat vorhanden war, wurde den Menschen vor dem Transport bzw. in den Konzentrationslagern abgenommen."

Quelle: http://www.hagalil.com

Über die Herausgeberin

Lydia Marinelli (1965–2008) war seit 1999 wissenschaftliche Leiterin des Sigmund-Freud-Museums in Wien. Sie kuratierte mehrere große Ausstellungen (u.a. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Meine alten und dreckigen Götter, Freuds verschwundene Nachbarn und Die Couch. Vom Denken im Liegen). Marinelli unterrichtete an der Universität Wien und war als Forscherin an mehreren Institutionen zu Gast (u.a. an der Harvard University und am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin).

Zum Erhaltungszustand

Hier der auch typografisch-buchgestalterisch herausragend gemachte Band als ein verlagsfrisches Archivexemplar in Bestzustand. - Beim Verlag vergriffen; gesuchter Titel.

Kaufoption

46,80 €

mit Rabatt für Stammkunden