Details

Autor Schiller, Hans-Ernst
Verlag zu Klampen
Auflage/ Erscheinungsjahr 31.05.2017
Format 20,5 × 12,5 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 366 Seiten
Gewicht 388
ISBN 9783866745612

Zu diesem Buch

Kritische Theorie hat zu Freud ein ambivalentes Verhältnis. Sie will das Projekt der Psychoanalyse - die Selbstermächtigung des Individdums - für die Gesellschaftstheorie fruchtbar machen, kritisiert aber zugleich Freuds Überzeugungen zum ewigen Wesen des Menschen, seinen weltanschaulichen Psychologismus und seine Apologie sozialer Herrschaft. Bloch und Fromm, Horkheimer, Adorno und Marcuse haben ihre Freud-Kritik unterschiedlich akzentuiert. In jedem Fall, so zeigt die vorliegende und ausnehmend lesenswerte Untersuchung Schillers, Professor für Sozialphilosophie, ist Klarheit über die ideologischen Schwächen der Freud’schen Theorie Bedingung für ihre Fruchtbarmachung im Kontext kritischer Sozialphilosophie.

Jede Freud-Kritik, und zumal die linke, muss sich gegen den Beifall von der falschen Seite versichern. Denn Freud und die Psychoanalyse sind nach wie vor einer Feindschaft ausgesetzt, die sich auch aus den dunkelsten und gefährlichsten Quellen speisen kann. Antisemitismus und Antiintellektualismus, auch wenn er sich ins Gewand wissenschaftlicher Strenge kleidet. Sexualfeindschaft und Reflexionsverweigerung gegen das, was die Psychoanalyse die Abwehrmechanismen nennt, befeuern eine Feindseligkeit, die sich, wenn überhaupt, der notwendigen Kritik nur bedient, um sich Luft zu verschaffen und an die gesellschaftliche Herrschaft im Subjekt selbst nicht rühren zu müssen. Angesichts solcher Gegner verdient die Psychoanalyse Sympathie. Horkheimer hat dieser Sympathie in einer Notiz vom Juli 1959 einen Ausdruck gegeben, der auch heute noch Geltung beanspruchen darf. Im Vergleich von »Psychoanalyse und Daseinsanalyse« Heideggerscher Provenienz räumt er ein, daß auch die Freud'schcn Begriffe »trotz aller empirischen Bekennmisse nicht weniger spekulativ sein (mögen) als die der Daseinsanalyse«; sie hätten aber eine ganz andere Wirkung. Die Begriffe der Psychoanalyse führten »zum Verständnis der Kranken und Gesunden, zu einer menschenwürdigen Erziehung und zur Humanität. Sie bedrohen die konventionellen Lügen, die die moralische Maske der Strafjustiz und der allgemeinen Grausamkeit bilden, und stammen von einem erfahrenen Juden. Grund genug, sie coute que coute aus dem Bewusstsein wegzutun. (...)«

Inhalt

Einleitung
1. Kapitel: Trieb und Unbewusstes im Zeichen des Neuen: Ernst Bloch 27
Freud in »Geist der Utopie« 27 • Freud in »Das Prinzip Hoffnung« 35 Exkurs 1
»Das Verhängnis, das Vernunft allein nicht wenden kann«. Überlegungen zu einer philosophisch-politischen Affektenlehre 48
Affektbegriff bei Bloch und Freud 48 ■ Die Vernunft im Gefiihl: Die kognitive Dimension der Affekte 55 ■ Politische Affekte und objektive Vernunft 66
2. Kapitel: Verharmlosung oder Weiterentwicklung der Psychoanalyse?

Erich Fromm, ein Fachmann für Psychoanalyse gerät ins akademische Abseits • Ein orthodoxer Freudianer 89 • Sozialpsychologische Feldforschung am Vorabend des Dritten Reiches  Erste Ansätze der Freud-Kritik 97 • Trieb und Charakter 101 - Aggressionstheorie 110 - Gesellschafts-charakter: Autoritärer Charakter und Marketing-Orientierung 116 -Verhältnis von individuellem und Gesellschaftscharakter 124 • Änderbarkeit von Charakteren. Die funktionalistische Fragestellung 128 -Das Unbewusste und die Bewusstlosigkeit gesellschaftlicher Praxis 132 - »Freuds Größe und Grenzen« 139 • Schlussbemerkung 143
Exkurs 2
Dialektik des Unbewussten. Sprache und primitives Denken nach Freud 158
Die Grundunterscheidung von Bewusstem und Unbewusstem 159 • Unbewusstes als Arbeitsweise und System 163 ■ Sprachlosigkeit oder sprachliche Struktur des Unbewussten? 166 • Primitivität von Denken und Sprache. Die Rolle der Arbeit 169 • Biologie. Animismus und das

Unbewussie in den frühesten Phasen der individuellen Entwicklung 172
■ Die Gegenwart der Barbarei und des primitiven Denkens 178

3. Kapitel: Von der Hilfswissenschaft der Geschichte zur Anthropologie der Kultur: Max Horkheimer 189
Exkurs 3
Politische Pädagogik.
Adorno und Martha Nussbaum im Vergleich 202
4. Kapitel
Die Schule der Selbstreflexion: Adomo und Freud 214 Schwierigkeiten 214 • Erkenntnistheoretische Freud-Rezeption: Die Habilitationsschrift von 1927 2X6 ■ Charakter und Prognose: Die Psychologie des Unbewussten als Hilfswissenschaft 221 • Das Ende des inneren Kleinbetriebs, das Verschwinden des Unbewussten 226 - Eine geniale Schrift: Massenpsychologie und archaische Erbschaft 231 • Freud hatte Recht, wo er Unrecht hatte: Kritik des Revisionismus 236
■ Die objektive Unwahrheit aller Psychotherapie 243 ■ Freuds »Drang ins Totale«: Künstler sublimieren nicht 249 • Die aus der Zivilisation erwachsende Barbarei Adorno und »Das Unbehagen in der Kultur« 252 ■ Die Arbeit der Selbstbesinnung 257
Exkurs 4
Freuds Individuum und die Macht der Kollektive 271 Psychologie des Individuums 271 ■ Allgemeines und individuelles Subjekt 274 • Das arme Ich 277 • Das vorkulturelle Individuum 280
■ Die Überlagerung von Urzeit und Moderne 282 - Archaische Erbschaft 284 ■ Exkurs zur Epigenetik 288 • Ein Volkscharakter 290 • Eine unvermeidliche Kühnheit 293 • Tradition und Rasse 296
5. Kapitel
Freud-Kritik auf dem Boden der Triebtheorie. Die Möglichkeit einer Kultur ohne Repression bei Herbert Marcuse 305

Der Autor

Hans-Ernst Schiller, Jahrgang 1952, studierte Philosophie, Geschichte und Soziologie in Erlangen und Frankfurt am Main. Er promovierte über Bloch und habilitierte sich in Kassel über Wilhelm von Humboldt. 1993 übernahm er eine dreijährige Professurvertretung in Darmstadt (FH). Seit 1996 ist er Professor für Sozialphilosophie und Sozialethik an der FH Düsseldorf. Zuletzt erschien von ihm: »Das Individuum im Widerspruch« (2006) sowie bei zu Klampen: »Ethik in der Welt des Kapitals« (2011).

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