Details

Autor Hamburger, Andreas
Verlag Psychosozial-Verlag
Auflage/ Erscheinungsjahr 01.2018
Format 21 × 14,8 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 403 Seiten
Gewicht 586 g
ISBN 9783837926736

Zu diesem Buch

Was erleben wir, wenn wir einen Film anschauen? Wieso und auf welche Art und Weise identifizieren wir uns mit den ProtagonistInnen? Und wie steuern Filme unsere Affekte? Andreas Hamburger untersucht aus psychoanalytischer Sicht die subjektive Filmerfahrung. Ausgehend von Alfred Lorenzers Übertragung des Szenischen Verstehens auf die Kulturanalyse entfaltet er systematisch die Methode der Filmpsychoanalyse aus der Begegnung des Betrachters mit dem Werk. Anhand zahlreicher Beispiele entwickelt er ein methodisches Vorgehen für eine psychoanalytische Filminterpretation, diskutiert Einzelaspekte des Mediums – wie Schnitt, Raum- und Zeitgestaltung etc. – und stellt Ansätze der Filmpsychoanalyse und Kinotheorie in eine systematische Perspektive.

Dabei zeigt sich: In der Praxis der Interpretation ist es oft das Verlorengehen im Text, das Chaos, das Nichtverstehen, das schließlich erst die neue und überraschende Anordnung des Materials ermöglicht, die als psychoanalytische Interpretation bezeichnet werden kann.

Aus dem Vorwort des Autors

"Dieses Buch ist aus zwei Jahrzehnten der psychoanalytischen Arbeit mit Kunstwerken entstanden - zunächst mit Literatur, dann zunehmend mit Filmen. Die Jahre über hat mich der Wunsch begleitet, den psychoanalytischen Zugang zu Kunstwerken auch methodisch besser zu verstehen.

Faszinierende Einzeldeutungen für sich genommen, mögen ein tieferes Verständnis des Werks und seiner Bedeutung für das Publikum und die Kultur eröffnen. Aber es bleibt doch die Frage - und sie beschäftigte mich seit meinen ersten Schreibversuchen (vgl. Hamburger. 1993) —. wie die Psychoanalyse als Psychoanalyse eigentlich etwas über Kunstwerke sagen kann, wie sie außerhalb des psychoanalytischen Behandlungszimmers methodisch begründete Aussagen treffen kann. Adornos Vorwurf an die Psychoanalyse von Kunstwerken, sie vergesse »die Formkategorien über der Hermeneutik der Stoffe« und übertrage »die Banausie feinsinniger Ärzte auf das untauglichste Objekt« (Adorno, 1973 [1970], S. 19) sprach mir aus der Seele.

Als Psychoanalytiker ebenso wie als Literaturwissenschaftler sollte man den archimedischen Punkt finden, von dem aus die Rede des Patienten oder der Text entzifferbar wird - und das ist seit die Psychoanalyse zur Beziehungswissenschaft geworden ist, kein isolierter Außenstandpunkt. Er ist von der therapeutischen Begegnung beziehungsweise der Erfahrung des Werks durchdrungen. Es gab und gibt eine Reihe von Ansätzen, die die psychoanalytische Kunstinterpretation reflektieren. Für meine gedankliche Entwicklung war vor allem bedeutend Alfred Lorenzers Übertragung des »szenischen Verstehens« auf die Kulturanalyse (vgl. Lorenzer. 1981,1986). Dem Wunsch, dieser Frage genauer nachzugehen und die Methode der Filmpsychoanalyse aus der Szene der Begegnung mit dem Werk zu entwickeln, folge ich mit dem vorliegenden Band.

Methode soll dabei nicht normativ, einem Manual vergleichbar, verstanden werden, sondern eher deskriptiv als Reisebericht. »Methodos« heißt wörtlich der »Durchweg«, und in der Praxis der Interpretation ist es eben oft das Verlorengehen im Text, das Chaos, das Nichtverstehen, das erst die neue und überraschende Anordnung des Materials ermöglicht, die wir psychoanalytische Interpretation nennen. Dabei greife ich zahlreiche Anregungen, Ideen und Diskussionen auf. (...)"

Andreas Hamburger

Inhalt

1. Einleitung
2. Natural Born Viewers - Zur Psychoanalyse der Spielfilmerfahrung

  1. 2.1 Lichtkörper - Warum das Kino die Psychoanalyse beerbt hat
  2. 2.1.1 Warum Freud das Kino verabscheute
  3. 2.1.2 Kinematografische und andere Illusionen
  4. 2.1.3 Freud und die Lumieres - Aufklärung und Illusion
  5. 2.2 Film und Traum - Ein aufschlussreicher, aber falscher Vergleich
  6. 2.3 Die Haut der Bilder - Zur Spezifität des Mediums Film

3. Freud in Wonderland - Wege durch den Bilderwald

  • 3.1 Traditionelle psychoanalytische Zugänge zum Film -Fortschritte oder Sackgassen?
  • 3.1.1 Explikation zugrunde liegender kultureller Mythen
  • 3.1.2 Die Benennung der im Film reflektierten Subjektivität des Filmemachers
  • 3.1.3 Die Benennung der vom Film illustrierten universalen Entwicklungsmomente bzw. -krisen
  • 3.1.4 Die Anwendung von Freuds Theorie der Traumarbeit auf den Film
  • 3.1.5 Spectatorship oder Analyse der Zuschauerreaktion?
  • 3.1.6 Die Darlegung der vom Film aufgegriffenen psychoanalytischen Konstrukte
  • 3.1.7 Die Analyse von Filmfiguren
  • 3.1.8 Zusammenfassung: Für eine reflexive, relationale Filmpsychoanalyse
  • 3.2 Szenisches Verstehen im Kino
  • 3.2.1 Methodentransfer, nicht Transfer klinischer Inhalte
  • 3.2.2 Rekursives Leseverfahren
  • 3.2.3 Teilhabe an der Szene
  • 3.2.4 Ziel ist die Veränderung des Zuschauers
  • 3.3 Schritte der Filmanalyse
  • 3.3.1 Erleben und Erinnern - Präsenz und Reminiszenz der Kinoerfahrung oder: Wie der Film den Analytiker findet
  • 3.3.2 Sichtungen
  • 3.3.3 Wiederholen - Die selbstanalytische Arbeit mit dem Film
  • 3.3.4 Durcharbeiten - Die Mühen der Ebene
  • 3.3.5 Die Arbeit mit dem Publikum

4. Filmpraxis

  • 4.1 Genre
  • 4.1.1 Freuds Witz und die Psychoanalyse der Filmkomik
  • 4.1.2 Bond auf der Couch: SKYFALL und das Genre des Agententhrillers
  • 4. 1.2.1 Männlichkeitskonstruktionen
  • 4.1.2.2 »Not quite the end«. James Bond als britischer Serienheld
  • 4.1.2.3 Das Gesetz der Serie: Spiel mit dem Genre
  • 4.2 Zur Psychoanalyse der Filmerzählung
  • 4.2.1 Drehbuch- und andere Autoren auf der Leinwand
  • 4.2.2 Dramaturgie und unbewusste Wirkung
  • 4.2.2.1 Suspense und Affektsteuerung Suspense und Affect Attunement Suspense und soziales Biofeedback Soziales Biofeedback und Spannungsdramaturgie
  • 4.2.2.2 Konstellationen
  • 4.2.2.3 Handlung und Figur
  • 4.2.2.4 Film figur und Mentalisierung
  • 4.2.2.5 Affektregulierung im Traum: Moser und Zeppelin
  • 4.2.2.6 Erzählen: Suspense und Konstellation, Handlung und Figuren im kulturellen Raum Freud: Von der zweistufigen Witzwirkung zur Interaktion
  • 4.3 Spiegel und Schnitt: Affektregulierung, Temporalität und Filmästhetik
  • 4.3.1 Selbstkonstitution im Spiegel - Von Bildern und Identitäten
  • 4.3.1.1 Vom Foto zum Film: Erfolge eines Hütchenspiels
  • 4.3.1.2 Technische Blicke: Kadrierung, Einstellungsgröße, Fokus, Motion und Kamerabewegungen Kadrierung Innen/außen Licht Einstellungsgröße Fokus, Kamerabewegung
  • 4.3.2 Zeitdramaturgie: Der Schnitt ins Auge
  • 4.3.2.1 Temporal mind
  • 4.32.2 Zeit- und Bewegungsbild - Das Erbe des Neorealismus
  • 4.32.3 Feinschnitt
  • 4.32.4 Erzählende Schnitte
  • 4.4 Es werde Lichtspiel - Zur Psychoanalyse des Kinoraums
  • 4.4.1 Soziologie des Publikums
  • 4.4.2 Zeit-Spiele
  • 4.4.3 Grundannahmengruppen
  • 4.4.4 Suture
  • 4.5 Zusammenfassung: Psychoanalyse der Wirkungsdramaturgie

5. Filmtheorie und Psychoanalyse

  • 5.1 Embodiment - Filmpsychoanalyse und Körper
  • 5.1.1 Der Körper der Physiologie
  • 5.1.2 Der Leib der Phänomenologie
  • 5.1.3 Leib und Körper in der Filmpsychoanalyse
  • 5.2 Noch einmal: Film und Traum
  • 5.2.1 Eine kleine Kulturgeschichte des Traums
  • 5.2.2 Geträumte Filme
  • 5.2.3 Gefilmte Träume
  • 5.2.4 Filme sind also keine Träume, aber sie werden als solche erlebt
  • 5.2.5 Literatur, Traum und Kino
  • 5.2.6 Der Film-Traum der Psychoanalyse
  • 5.2.7 Also doch: Film als Traum, Traum als Film?
  • 5.3 Film and Media Studies - Metz und die Folgen
  • 5.4 Filmmetaphern
  • 5.5 Frauen- und Männerbilder im Kino
  • 5.5.1 Die feministische Aufdeckung des männlichen Blicks und die Psychoanalyse
  • 5.5.2 Und der weibliche Blick?
  • 5.6 Was Sie schon immer über Hitchcock wissen wollten, von 2izek aber nur über Lacan erfahren haben
  • 5.7 Schönheit und Resonanz -Plädoyer für eine temporale Ästhetik
  • 5.8 Szene und Seduktion

6.Und die Moral von der Geschichte? Literatur Filmregister Personenregister
Sachregister.

Der Autor

Andreas Hamburger ist Professor an der International Psychoanalytic University in Berlin, Privatdozent an der Universität Kassel sowie Psychoanalytiker (DPG), Lehranalytiker und Supervisor der Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie München (DGPT). Seine Forschungsschwerpunkte sind Entwicklungspsychologie von Traum und Sprache, Soziales Trauma, Hospitalisierte Holocaustüberlebende, Szenisch-narrative Mikroanalyse von Videointerviews, Literatur- und Filmpsychoanalyse und Supervisionsforschung.

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