Details

Autor Montaigne, Michel de
Herausgeber Hans Stilett Hans Stilett (Hg.)
Verlag AB - Die Andere Bibliothek
Auflage/ Erscheinungsjahr 10. Aufl. nach der EA 1998
Format 30,5 × 22 cm (Großformat, Folio)
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Lwd. mit geprägtem Titel
Seiten/ Spieldauer 576 Seiten
Gewicht 2153
Reihe Die Andere Bibliothek
ISBN 9783847700012

»... Daß ein solcher Mensch geschrieben hat, dadurch ist die Lust auf dieser Erde zu leben vermehrt worden.«

beigesterte sich Friedrich Nietzsche über Montaignes Essais

Zu dieser Ausgabe

Die Essais des Montaigne sind eine Textsammlung ganz eigener Art. Seit ihrem Erscheinen 1580 haben sie nicht aufgehört, Generationen von Lesern zu beschäftigen, teils Widerspruch, teils Enthusiasmus hervorrufend.

Montaigne erscheint bis in die eingestandenen Eitelkeiten hinein als vollkommen menschlich und vor allem ehrlich: er scheint nichts zu verbergen, er will sich nicht gelehrt geben, kein Philosoph sein, kein bedeutender Politiker.

Er will sein eigenes, anspruchsloses Porträt vorlegen, und - und das ist eben das Neue an diesem Unternehmen - er tut dies nicht in der Form der Memoiren, des erinnerten Lebenslaufs, sondern in der Beschäftigung mit zahllosen, scheinbar willkürlich ausgewählten Gegenständen.

Textprobe

»Ich gehöre zu denen, die am stärksten gegen diese Gemütsbewegung gefeit sind, und weder liebe noch achte ich sie, obgleich alle Welt sich wie auf Absprache in den Kopf gesetzt hat, sie vorrangig mit ihrem Wohlwollen zu beehren. Die Weisheit, die Tugend und das Gewissen werden damit drapiert – was für eine alberne und abstoßende Aufmachung! Die Italiener haben viel zutreffender auch die Erbärmlichkeit auf den Namen tristizia getauft; und in der Tat ist die Traurigkeit stets schädlich, stets abwegig, und da überdies stets feige und niedrig, verbieten die Stoiker ihren Weisen, sich ihr zu überlassen.

Freilich wird auch folgende Geschichte erzählt: Als der ägyptische König Psammetich, vom Perserkönig Kambyses geschlagen, in dessen Hände gefallen war und eines Tages seine ebenfalls in Gefangenschaft geratne Tochter auf dem Weg zum Wasserschöpfen als Dienstmagd gekleidet vorübergehen sah, blieb er im Gegensatz zu seinen Freunden, die um ihn herum zu weinen und wehklagen begannen, völlig gefaßt und hielt den Blick, ohne ein Wort zu sagen, starr zu Boden gerichtet. Selbst als man bald darauf vor seinen Augen seinen Sohn zur Hinrichtung führte, bewahrte er die gleiche Haltung. Da aber erblickte er unter den Gefangnen, die gerade weggeführt wurden, einen seiner Vertrauten, und nun erst begann er sich ans Haupt zu schlagen und äußersten Schmerz zu bekunden.

Dies ließe sich mit dem vergleichen, was man neulich bei einem unserer Fürsten beobachtet hat: Als er in Trient weilte und die Nachricht vom Tod seines ältesten Bruders erhielt, der zugleich Stütze und Ehre des ganzen Hauses war, und bald danach die vom Ableben eines jüngeren Bruders, seiner zweiten Hoffnung, ertrug er die beiden Schickalsschläge mit beispielhaftem Gleichmut. Einige Tage später jedoch starb einer von seinen Leuten, und von diesem letzten Unglück ließ sich der Fürst nun völlig überwältigen: Derart verlor er hierüber die Fassung, derart gab er sich seinem Schmerz und seiner Wehmut hin, daß einige daraus folgerten, nur die letzte Unglücksbotschaft habe ihn ins Mark getroffen. In Wahrheit verhielt es sich aber so, daß bei ihm, der von Traurigkeit bereits erfüllt, ja übervoll war, das kleinste Mehr genügte, die Grenzen des Erträglichen zu durchbrechen.

Man könnte, meine ich, unsre obige Geschichte genauso auslegen, wäre darin nicht hinzugefügt, daß Kambyses sich bei Psammetich erkundigte, warum er angesichts des Unglücks seines Sohns und seiner Tochter unbewegt geblieben sei, während er das seines Vertrauten kaum habe ertragen können. >Darum<, antwortete er, >weil nur dieses letzte Leid sich in Tränen zu offenbaren vermag, während das der ersten beiden Schicksalsschläge jedes Maß des Ausdrückbaren weit überschreitet.<«

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