Details

Autor Reuß, Roland
Verlag Wallstein
Auflage/ Erscheinungsjahr 10.07.2020
Format 17,8 × 11 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 128 Seiten
ISBN 9783835337169

»Mut und Urteilskraft - das sind heute die beiden knappsten 'Ressourcen'. Hätten wir mehr von beidem, alles andere gäbe sich von selbst.«

Zu diesem Buch

Schön, was es im Cyberspace inzwischen alles gibt: GPS-gestützte "Navis", die dem Orientierungslosen quakend, aber sicher den Weg in unbekanntes Terrain weisen, "Suchmaschinen", welche die einst mühsam in Bibliotheken oder Archiven zu leistende Recherchearbeit ersetzen durch interessen- und auftragsgeleitete Manipulation beim Ranking der Ergebnislisten; Computerhersteller, die alles so praktisch voreingestellt und installiert haben und bei der Gelegenheit zur "Qualitätssicherung" die Nutzungsgewohnheiten der User gleich permanent mitabschöpfen; dazu elektronisch gesteuerte global agierende anonyme Gigaagenturen, die sich intensivst an die Fersen der millionfach wie verzaubert zu deren Verkaufsportalen strömenden Verbraucher heften, deren Auswahlverhalten und finanzielle Potenz minutiös, aber diskret erfassen und dabei die Illusion einer persönlichen Ansprache zu erzeugen wissen ...

Dreißig Jahre nach dem Vordringen digitaler Technik in Büros, Arbeits-, Wohn- und Schlafzimmern befindet sich der zivilisierte Teil der Menschheit stärker denn je unter der kollektiven Hypnose, die Marshall McLuhan schon zu ATARI-Zeiten als absehbare Konsequenz der Heraufkunft eines neuen Mediums diagnostiziert hat.

Wer sich ihr zu entwinden versucht und Kritik am fallout der Digitalisierung übt, wird schnell als konservativ oder hinterwäldlerische Krämerseele, nicht bereit, sich auf Innovatives einzustellen, denunziert. Dabei wird allein (selbst-)kritische Reflexion ein Problembewußtsein zu dieser Materie aufkeimen lassen können, welche die brachialen Auswirkungen der um sich greifenden Folgeerscheinungen der Vercyberung für das eigene Leben und Arbeiten wohl überhaupt erst gewahr werden läßt und so womöglich den Impuls für mehr Autonomie durch Selbstbefreiung von digitalen Sachzwängen setzt. An Übergriffigkeiten mangelt es nicht: Man denke hier etwa an die weitgehend schon durchgesetzte Einebnung der Grenzen von Arbeits- und Freizeit durch die Dauerverfügbarkeit über eMail und Handy, weiters an die regiden Vorgaben der großen Digitalisierungsprofiteure wie Google, Apple, Microsoft, ebay, Amazon & Co, denen sich kaum jemand wirklich noch entziehen kann. Die ökonomischen Interessen der Giganten finden ihre Entsprechung im erfolgreich manipulierten Bewußtsein einer selbstzufriedenen, in weiten Teilen selbstentfremdeten Massenöffentlichkeit, die sich mehr oder weniger bereitwillig über das Medium instrumentalisieren und aussaugen läßt, indem es für den Erweis kleiner Belustigungen und Hilfestellungen (iPad /iPhone & Co, "Soziale" Netzwerke etc) bereit ist, sich als Person gänzlich zu entblößen und alles von sich preiszugeben ...

Dem klassischen, also gedruckten bUcH als haptischem, materiellem, dreidimensionalem Objekt und natürlich auch der Weise, wie man es sich verschafft, kommt für den Autor deshalb heute eine geradezu revolutionäre Bedeutung zu: als Aufmerksamkeit bündelnder Ort der Reflexion, als zentrale auratische Gegenmacht gegenüber den konformistischen, zerstreuenden und entindividualisierenden digitalen Techniken. Die hier vorgetragene Kritik erstreckt sich zudem auf Phänomene wie die freiwillige Unterwerfung unter die allgegenwärtigen Imperative der Werbung; die Selbstvermarktung; den Verlust sprachlicher Sensibilität und der Selbstaufgabe von Individualität und Persönlichkeit.

Über den Autor

Roland Reuß, Jahrgang 1958, Studium in Heidelberg. Dissertation mit einer Arbeit zu Hölderlin: '…/ Die eigene Rede des andern.' Hölderlins Andenken und Mnemosyne (erschienen bei Stroemfeld/Roter Stern 1990). Herausgeber der editionswissenschaftlichen Zeitschrift Text.Kritische Beiträge (Stroemfeld/Roter Stern 1995ff.)

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