Details

Autor Taureck, Bernhard H. F.; Liebsch, Burkhard
Verlag Turia + Kant
Auflage/ Erscheinungsjahr 01.2020
Format 24 × 16 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 271 Seiten
Gewicht 486
ISBN 9783851329674

›Alles war bedroht, alles unsicher geworden,
sogar die Bedrohung selber, da die Gefahr
sich gewandelt hatte, übersetzt aus der
Zone des Geschehens in die des Verharrens.‹

Hermann Broch, aud: Der Tod des Vergil

Zu diesem Buch

Alles sei »bedroht, alles unsicher geworden«, sogar die Bedrohung selber, stellte Herrmann Broch in seinem Roman »Der Tod des Vergil« Ende der 1930er Jahre fest, weil »die Gefahr sich gewandelt hatte, übersetzt aus der Zone des Geschehens in die des Verharrens«.

Man könnte heute kaum treffender beschreiben, wie es sich gegenwärtig mit der Frage verhält, ob und wie Krieg droht. Sei es in ›alten‹, sei es in viel zitierten ›neuen‹ Formen, sei es auch durch das Bevorstehen eines mit mini nukes geführten Atomkrieges, über den in der aktuellen amerikanischen Strategie »Rise to Nuclear Primacy« ebenso spekuliert wird wie in Moskau und anderswo.

Wer bedroht hier eigentlich wen, wie und mit welchen unabsehbaren Konsequenzen? Sollte das nicht eine eminente weltbürgerliche Angelegenheit sein, die sogenannten Experten nicht überlassen bleiben darf? Sechs kritische Dialoge drehen sich um diese Fragen zwischen den Autoren, die sich ein Jahr lang damit befasst haben, wie Krieg als permanente und akute Bedrohung heute zu denken ist – mit offenem Ausgang für eine neu anzufachende öffentliche Debatte.

Aus dem Vorwort

"Droht wieder Krieg – fragt man sich besorgt auch in Europa, wo man sich ungeachtet der Jahrzehnte währenden und fortbestehenden Hochrüstung auf allen Seiten der Illusion hingeben konnte, in weitgehend pazifizierten Verhältnissen zu leben. Nach der jüngst erfolgten Aufkündigung des Abkommens über Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag) fürchten viele eine neue Rüstungsspirale. Philosophisch sollten wir jedoch längst vor einer Naivität gewarnt sein, die Krieg auf zu befürchtende zukünftige, gegenwärtige oder vergangene Ereignisse reduziert. Krieg droht auch so – und nicht etwa allein deswegen, weil ein neuer auszubrechen droht; es handelt sich nach Kant um einen Zustand, der solange andauert, wie sich mächtige politische Subjekte allein schon durch ihre Rüstung gegenseitig »lädieren«. Statt aber zu erwägen, ob dieser bei Kant ausdrücklich Kriegszustand genannte Status der Herrschaft des Krieges im Modus ständiger Drohung letztlich nur durch einen ewigen Frieden im Anderen der Zeit zu beenden wäre, halten wir uns in solchen eschatologischen Fragen nicht für wirklich kompetent. An deren Stelle treiben uns konkrete Anzeichen dafür um, in zunehmend kriegsbereiter Zeit zu leben, die ungeachtet aller desaströsen Erfahrungen jegliche Kritik am Krieg in den Wind schlägt und sich ihm mehr und mehr auszuliefern beginnt – vorläufig vor allem mit bedrohlichen Worten, die wir aber nach einschlägiger historischer Erfahrung bereits als Taten auffassen müssen. Dabei liegt uns nichts an einer rhetorischen Dramatisierung einer ohnehin zunehmend bedrohlichen Lage der Welt, in der sich Millionen mit einer im Fernen Osten, zwischen Indien und Pakistan, in Russland und in Amerika unverschämt verbreiteten Kriegspropaganda konfrontiert sehen, die ihnen unabsehbare Zerstörungen verheißt. Und es geht uns nicht darum, eine fatale, seit jeher bestehende und scheinbar unabwendbare Polemokratie zu beschwören. Wir sind gegenwärtig verschärft drohendem Krieg ausgesetzt, aber nicht gänzlich Entlang dieser scheinbar geringfügigen Differenz – zwischen Ausgesetztsein und Auslieferung – bewegen sich unsere Dialoge, die vor allem den Sinn haben, Spielräume auszuloten, die in dieser Lage verbleiben.ausgeliefert. (...)

Dabei sind wir davon überzeugt, dass es auf der Basisebene der hier und dort Betroffenen in niemandes Interesse liegen kann, Krieg zu führen, direkte Profiteure ausgenommen. Was sollte Russen und Europäer, Amerikaner und Chinesen, Iraner, Israelis oder Saudis – womit wir hier einfach die jeweilige Bevölkerung meinen – je dazu bewegen, sich mit Millionen Anderer, die sie gar nicht kennen, in Krieg zu stürzen? Nichts. Gar nichts. Wer von solchen Aussichten reden macht, das sind sogenannte Eliten, die die Menschen weltweit in Geiselhaft nehmen. Milliarden müssen es ertragen, dass einige selbstherrliche Subjekte Verträge aufkündigen und Drohungen ausstoßen, als ob sie dazu auch nur im Geringsten legitimiert sein könnten, den realen Nicht-Krieg zu gefährden, der in seiner globalen Gewaltsamkeit selbst schon eine schwere Hypothek für die Zukunft darstellt. Ohne uns in vielen einzelnen, weiterer Aufklärung und Verständigung bedürftigen Punkten bereits einzig zu sein, bestreiten wir mit Nachdruck diese Legitimität; und zwar in weltürgerlicher Perspektive, um es mit Kant zu sagen. Was wir in Anspruch nehmen, ist keine militärische Expertise, sondern das weltbürgerliche Recht, den Krieg als Angelegenheit aller zu behandeln, die sich als Geiseln selbstherrlichen Agierens in Washington, Moskau, Peking, Islamabad, Neu Dehli, Teheran… behandelt sehen. Wir fordern den Krieg zurück für die Öffentlichkeit, als deren Angelegenheit. (...)"

Inhalt

  • Vorwort
  • ERSTER DIALOG
  • ZWITER DIALOG
  • DRITTER DIALOG
  • VIERTER DIALOG
  • FÜNFTER DIALOG
  • SECHSTER DIALOG
  • EPILOG
  • Literatur / Namen-Index

Die Autoren

Burkhard Liebsch wurde am 20. Januar 1959 geboren. Nach dem Studium der Psychologie, Philosophie, Pädagogik und Sozialwissenschaften an den Universitäten Heidelberg und Bochum war er 1989–1995/96 Wiss. Assistent am Lehrstuhl für Praktische Philosophie in Bochum. Ab 1992 wirkte er außerdem am Graduiertenkolleg „Phänomenologie und Hermeneutik“ mit. Nach der Habilitation 1994/95 war er Forschungsstipendiat der DFG und Privatdozent an der Universität Bochum;  2002-2003 war Burkhard Liebsch Fellow am Forschungsinstitut für Philosophie Hannover. Seit dem ist er apl. Professor für Philosophie an der Universität Bochum.

Bernhard H. F. Taureck, Jahrgang 1943, ist ein deutscher Philosoph. Er studierte Philosophie, Germanistik, Romanistik und Gräzistik in Hamburg und Tübingen. 1972 promovierte er an der Universität Tübingen mit einer Dissertation über Mathematische und transzendentale Identität. Er wurde Assistent für Philosophie an der Universität Wien. 1986 habilitierte er sich an der Universität Hamburg mit einer Arbeit über Nietzsches Alternativen zum Nihilismus. Von 1976 bis Januar 2007 unterrichtete er als Gymnasiallehtrer (!) Deutsch, Philosophie, Französisch, zudem das Fach ´Werte und Normen` am Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasium Hannover.

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