Details

Herausgeber Streeck-Fischer, Annette (Hg.)
Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Auflage/ Erscheinungsjahr 1. Aufl. 11. 2017
Format 23,2 × 15,5 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 287 Seiten
Abbildungen mit 3 Abbildungen
ISBN 9783525451380

Der von der Kinder- und Jugendpsychiaterin Annette Streeck-Fischer herausgegebene Band versammelt die wichtigsten psychoanalytischen Entwicklungspsychologien von Sigmund Freud, René Spitz, Margaret Mahler, Anna Freud, Melanie Klein, Donald W. Winnicott, Daniel Stern, Joseph D. Lichtenberg, Louis W. Sander, John Bowlby, Mary Ainsworth, Robert Emde, Rainer Krause, Györgi Gergely, Peter Fonagy, Mary Target und Allen Schore.

Aus dem Vorwort der Herausgeberin

"Seit den Anfangen der Psychoanalyse haben sich die Theorien zur Psychologie der Entwicklung erheblich verändert. Ausgehend von der Trieblehre wurde die frühe Zeit des Säuglings mit der Vogeleimetapher veranschaulicht {Freud, 1911/1964, S. 232): Danach lebt der Säugling in einem von Reizen weitgehend abgeschlossenen psychischen System, kaum etwas von seiner Umwelt wahrnehmend, lediglich auf Wärme- und Nahrungszufuhr angewiesen und nur dann eine gewisse Öffnung zur äußeren Realität zulassend, wenn die halluzinatorische Wunscherfüllung versagt. Die Auffassung, die sich in dieser Annahme widerspiegelt, hat noch bis vor etwa fünfzig Jahren auch das Laienwissen geprägt. Ich kann mich noch gut erinnern, wie meine Mutter einer Bekannten gegenüber die Bemerkung fallen ließ, dass sie in den ersten drei Lebensmonaten ihres Säuglings ganz beruhigt wegfahren könne; das mache gar nichts, weil das Baby davon nichts merke. Glücklicherweise hat sie diesen Rat bei ihrer eigenen Tochter nicht umgesetzt.

Mit dem viel beachteten Buch von Martin Dornes »Der kompetente Säugling« (1993) hat das veränderte Bild der frühen Entwicklung weite Verbreitung gefunden, was der Säugling alles kann. Verfeinerte Untersuchungsmethoden und differenzierte Beobachtungen haben die vielfältigen Fähigkeiten des Säuglings sowie die Bedeutung der frühen Pflegeperson für seine Entwicklung erkennen lassen und schließlich zu einem Paradigmenwechsel geführt, der die Psychoanalyse in erheblichem Maße beeinflusst hat. Wurde die Entwicklung ursprünglich als ein anlagebedingter, genuiner Prozess verstanden, wird darin mittlerweile ein interpersonelles Geschehen gesehen. Die damit einhergehende Modernisierungsbewegung hat nicht zuletzt zu neuen therapeutischen Konzepten geführt, die statt auf die individuelle seelische Binnenwelt auf zwischenmenschliche Bezogenheil und Intersubjektivität zentrieren. Zugleich waren und sind die modernen Entwicklungsauflassungen auch Anlass zu weit reichenden Kontroversen, zumal im Hinblick auf die fundamentale Frage, was noch oder was nicht mehr als psychoanalytisch gelten soll. So hat Andre Green (2006) die Entwicklungstheorie Daniels Sterns dahingehend kritisiert, dass sie nicht wissenschaftlich sei, sondern Science-Fiction, gründe Sterns Theorie doch in Beobachtungen von außen, erfasse aber die innere Welt eines Säuglings nicht. Gegenstand der Psychoanalyse, so Green, müsse jedoch das dynamische Unbewusste sein, das im Zentrum der psychoanalytischen Entwicklungstheorien stehe. Diese meinen, die Welt des Säuglings aus den Erfahrungen mit erwachsenen Patienten rekonstruieren zu können.

Während auf der einen Seite eine beziehungsfokussierte, relationale Orientierung in der modernen Psychoanalyse an Bedeutung gewinnt, wird von anderer Seite kritisiert, dass damit einer Oberflächlichkeit und Konformität im Dienste gesellschaftlicher Anpassung zugearbeitet werde, mit der der Reichtum, die Komplexität und die Rätselhaftigkeit eines jeden Augenblicks menschlicher Erfahrung verloren gehe. Während auf der einen Seite das Bemühen im Vordergrund steht, mit der Orientierung an wissenschaftlichen Erkenntnissen der frühen Entwicklung die Psychoanalyse anschlussfähig zu halten und auch neurobiologische Befunde des wachsenden Gehirns zu integrieren, wird auf der anderen Seite eine derartige Verwissenschaftlichung abgelehnt, weil damit der Geist der Psychoanalyse verfälscht werde. Bemühungen, konfligierende Theorien zu einem »Common Ground« zusammenzuführen, begrüßen einige, andere tun sie aber als Illusion ab. (...)"

Inhalt

Teil 1: Psychoanalytische Entwicklungstheorien

  • Samuel Bayer; Annette Streeck-Fischer: Entwicklungstheoretische Ansätze von Sigmund Freud
  • Lucie Loycke-Willerding: Rene A. Spitz: Seine Erkenntnisse und Folgerungen aus der direkten Säuglingsbeobachtung
  • Annette Streeck-Fischer: Margaret Mahler und ihr Entwicklungsmodell
  • Samuel Bayer; Charline Logé: Anna Freud: Ich-Psychologie, Abwehr und Kinderanalyse..
  • Nikolas Heim: Melanie Klein: Von der Analyse des Kindes zur Begründung der Objektbeziehungstheorie
  • Lydia Kruska: Donald W. Winnicott Good enough is good enough!

Teil 2: Säuglingsbeobachtung und daraus folgende Entwicklungstheorien

  • Anna da Coll; Lucia Röder: Daniel N. Stern: Die Entwicklungstheorie des Selbst
  • Anikó Zeisler: Robert N. Emde - von den Grundmotiven zur Selbstentwicklung
  • Adrian Kind: Joseph D. Lichtenberg: Psychoanalyse und Kleinkindforschung - Folgerungen für die Selbstentwicklung
  • Nora Martinkat: Louis Wilson Sander - Stufen der Entwicklung
  • Ulrike Mensen; Ricarda Ostermann: Bindungstheorie nach Bowlby und Ainsworth.

Teil 3: Neuere Entwicklungstheorien

  • Jenny Kaiser: Rainer Krause - Die Rolle der Affekte in der neueren analytischen Entwicklungspsychologie
  • Julius Kohlhoff: György Gergely: Die Entwicklung des affektiven Selbst
  • Peter Nyssen: Peter Eonagy mit Mary Target: Das Entwicklungskonzept der Mentalisierung
  • Tobias Becker; Annette Streeck-Fischer: Allan N. Schore - Die rechte Gehirnhemisphäre in der frühen Entwicklung.

Entwicklungstheorien im Vergleich - grafische Übersicht

Jeder Beitrag umfasst drei Abschnitte:

  • Leben und Werk des Autors,
  • seine wichtigsten Arbeiten
  • sowie seine Bedeutung für die heutige psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie.

Die Herausgeberin

Annette Streeck-Fischer, Prof. Dr. med., Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychoanalytikerin, Lehr- und Kontrollanalytikerin, Gruppenanalytikerin, war Chefärztin der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen im Asklepios Fachklinikum Tiefenbrunn. Sie lehrt an der International Psychoanalytic University Berlin.

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