Details

Autor Schubert, Helga
Verlag dtv Verlagsgesellschaft
Auflage/ Erscheinungsjahr 2. Auflage; 20.08.2021
Format 19 × 11,5 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 296 Seiten
Gewicht 268
ISBN 9783423148207

„Was nicht hier ist, ist nirgends.“

Zu diesem Buch

In der Schweriner Nervenklinik werden 1941 im Rahmen nationalsozialistischer Euthanasie 179 Patienten als „lebensunwert“ ermordet. Ihre Akten bleiben auch nach dem Ende der Nazizeit unter Verschluss – im Ministerium für Staatssicherheit der DDR –, bis sie nach der Wende 1990 ins Berliner Bundesarchiv gelangen, wo Helga Schubert sie auswertet. Entstanden ist keine historische Studie, sondern ein bewegendes und einzigartiges Stück Literatur: In ›Die Welt da drinnen‹ erzählt Helga Schubert von der Innenwelt der „Wahnsinnigen“ und der wahnsinnigen Außenwelt ihrer Ärzte und Pfleger.

Aus dem Vorwort

(...) "Die Welt da drinnen ist die Welt in einer deutschen Nervenheilanstalt.

Es ist aber auch die Welt in einer geschlossenen Gesellschaft um diese Nervenheilanstalt herum, der Diktatur der Nationalsozialisten in Deutschland, außerhalb der geschlossenen Psychiatrie. Es ist die Welt, in der ich nicht lebte und die ich aus Krankenakten kennenlernte.

Unbekannt waren mir die Psychiatrie und ihre Patienten nicht, denn ich habe viele Jahre mit ihnen in meiner Arbeit zu tun gehabt. Ich habe sie festgeschnallt bei Elektroschocks gesehen, wenn sie gekrampft haben, der Narkosearzt daneben, der
ihren Kreislauf überwachte. Ich habe sie bis auf die Knochen abgemagert gesehen, wenn sie eine Magersucht hatten.

Ich habe sie halluzinieren gesehen und auf dem Boden des Wartezimmers in der Nervenklinik, wenn sie einen epileptischen Anfall hatten. Ich habe nach etwas Weichem gesucht, damit sie sich nicht auf die Zunge beißen. Die Menschen, die ich für dieses Buch in Krankenakten fand und die alle umgebracht wurden, sind mir nah. Auch mich hätten Angehörige vielleicht resigniert aufgegeben. Und die beteiligten Ärzte und Pflegerinnen? Ich hätte in der Nervenklinik ihre Kollegin sein können. Ich hätte selbst zur Täterin werden können.

Unser politischer Verstand schütze uns vor einer Schwächung der offenen Gesellschaft, vor ihrer Verhöhnung. Die offene Gesellschaft schützt uns vor allem Hasserfüllten in uns selbst. Auch vor Übergriffen des Staates und vor Übergriffen
anderer Menschen. Manchmal dauert es, aber Verbrechen kommen heraus, sie werden bestraft, und es wird darüber berichtet.

Jede Diktatur hat ein Ende. Ihre Unmenschlichkeit ist wie ein Krebs. Sie zerfrisst von innen.

Wir sind nicht ausgeliefert wie die Menschen in diesem Buch." (...)

Die Autorin

Helga Schubert, geboren 1940 in Berlin, arbeitete als Psychotherapeutin und freie Schriftstellerin in der DDR. Nach zahlreichen Buchveröffentlichungen zog sie sich aus der literarischen Öffentlichkeit zurück, bis sie 2020 mit der Geschichte ›Vom Aufstehen‹ den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann. Der gleichnamige Erzählband erschien 2021 bei dtv und war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. 

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