Details

Herausgeber Lange, Benjamin; Schwarz, Sascha (Hg.)
Verlag Pabst Science Publishers
Auflage/ Erscheinungsjahr 12.2014
Format 24 × 17 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Hardcover
Seiten/ Spieldauer 184 Seiten
ISBN 9783958530232

Zu diesem Buch

Ist der Mensch ein Naturwesen oder ein Kulturwesen – oder beides? Worin liegen die Ursachen für menschliches Erleben und Verhalten? Sind biologische oder eher sozio-kulturelle Wirkkräfte entscheidend? Oder bedarf es der Einsicht, dass kein Faktor ohne den jeweils anderen wirkt? Falls ja, wie sieht die Interaktion beider Einflussgrößen aus? Und wie stellt sich dieses Zusammenspiel konkret in menschlichem Verhalten dar?

Fragen dieser Art sind dauerhafte human-, sozial- und verhaltenswissenschaftliche Streitpunkte, werden jedoch teils noch immer als Grabenkämpfe abgehandelt, in denen traditionelle Befürworter der Bedeutung der Kultur für menschliches Handeln sich gegen neuere biologisch-evolutionär ausgerichtete Sichtweisen formieren und vor einem (neuen) Biologismus warnen. Derartige Differenzen scheinen einem tatsächlichen wissenschaftlichen Fortschritt jedoch eher hinderlich zu sein und sollten daher überwunden werden. Der vorliegende Band möchte dieses Spannungsfeld aus verschiedenen Perspektiven beleuchten und damit zu einer ausgewogenen Sichtweise auf menschliches Erleben und Verhalten beitragen.

Biologische Entwicklungen und die kulturelle Evolution beeinflussen einander - teils fördernd, teils begrenzend. Die menschliche Psyche hat sich im Spannungsfeld der bidirektionalen Wechselwirkungen zwischen Natur und Kultur dynamisch entfaltet. Benjamin Lange, Sascha Schwarz und KollegInnen beschreiben in einem aktuellen Reader interessante Beobachtungen aus der Evolutionspsychologie.

Zu den Beiträge

Jörg Wettlaufer erinnert an nichtmenschliche männliche Primaten, die ihre Dominanz mit dem größtmöglichen Kopulationsresultat ihrer Herde belegen. Beim Menschen wurde daraus das Anrecht des Adligen auf die "erste Nacht" der jungen Frauen ihres Einflussbereichs ("jus primae noctis") - und später eine finanzielle Heiratsabgabe, die an den adligen Herrn zu zahlen war.

Jens B. Asendorpf beschreibt das Thema Laktoseintoleranz: Ursprünglich war sie bei Erwachsenen die Regel. Doch nach der Erfindung der Milchwirtschaft vor etwa 7.500 Jahren begann eine Änderung: Menschen mit laktosetoleranten Genen wurden mehr und mehr. "Die Dauer dieser Entwicklung lässt sich abschätzen in Form der genetischen Variabilität von Kühen - je länger die Milchwirtschaft, umso unterschiedlicher die Kuhgenome. Während in Kulturen ohne Milchwirtschaft weniger als zehn Prozent der Bevölkerung laktosetolerant sind, sind inzwischen in Skandinavien über 90% der Bevölkerung laktosetolerant."

Der kulturelle Stellenwert von Milchwirtschaft in einer Population lässt sich auch anhand von Mythen zeigen: In Kulturen mit extensiver Milchwirtschaft (altgermanisch, gälisch) spielt ein milchgebendes Tier im Schöpfungsmythos eine entscheidende Rolle. In den Kulturen, in denen Frischmilch nur von Kleinkindern getrunken wurde (römisch, griechisch), handelte es sich um eine Wölfin oder eine Ziege. In Kulturen ohne Milchwirtschaft (persisch, indisch) handelte es sich um einen Ochsen. "Die Mythen waren also ein getreuer Spiegel der Lactoseintoleranz".

"Diese Korrelationen lassen den Schluss zu, dass die Erfindung der Milchwirtschaft die Verteilung der Laktosetoleranz-förderlichen Genvarianten in menschlichen Populationen extrem veränderte, von zehn Prozent zu 90 Prozent.

Schnelle Veränderungen finden sich beim Menschen erst seit Erfindung des Ackerbaus vor ca. 10.000 Jahren. Schätzungen der Schnelligkeit genetischer Veränderungen im Verlauf der Evolution des Menschen ergeben, dass die Geschwindigkeit sich seitdem mindestens verzehnfacht hat. Weitreichende kulturelle Erfindungen können also die Geschwindigkeit der genetischen Evolution verändern, indem sie deren Anpassungsbedingungen modifiziert.

Insgesamt beeinflusste also in diesem Beispiel die kulturelle Evolution die genetische Evolution. Zudem beeinflusste die genetische Evolution auch die kulturelle, indem die Verbreitung genetisch Laktosetoleranter die Milchwirtschaft förderte: Es kam zu einer bidirektionalen Wechselwirkung zwischen genetischer und kultureller Evolution.

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