Details

Autor Küchenhoff, Joachim
Verlag Velbrück
Auflage/ Erscheinungsjahr erw. Neuauufl. 11.2021
Format 22,2 × 14 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 432 Seiten
ISBN 9783958322790

Zu diesem Buch

Lohnt es sich, die Psychoanalyse immer noch ernstzunehmen? Sie hat ohne Frage an Achtung und Einfluss eingebüßt. Ihr Bedeutungsverlust aber ist Symptom; sie ist 'veraltet', weil ihr implizites Menschenbild im Widerspruch zum Zeitgeist steht, gerade dort, wo sie auf Individualität beharrt und Lebensgeschichten als einzig und unverwechselbar betrachtet, auch in einer rückhaltlos globalisierten Welt. Zugleich ist die Psychoanalyse aber ausgesprochen modern, weil sie die Vernetzung mit anderen Wissenschaften herausfordert und so von der Interdisziplinarität lebt. Hier setzt das vorliegende Buch an.
Das Buch erkundet Netzwerke zwischen der Psychoanalyse und den Kulturwissenschaften. Es untersucht den Wert, den die Psychoanalyse für andere Wissenschaften haben kann, und lotet den Erkenntnisgewinn aus, den der Dialog mit der Philosophie, den Gesellschaftswissenschaften und den interpretierenden Kulturwissenschaften für die Psychoanalyse selbst bringt.

Die einzelnen Beiträge befassen sich u. a. mit dem Erinnerungsprozess, dem Zeitbewusstsein, mit der Dynamik seelischer Strukturen, sie widmen sich der Sinnlichkeit des Körpererlebens, aber auch gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Wandel der Familienstrukturen und den neuen Formen politischer Gewalt, sie bearbeiten Werke der Kunst, der Literatur und des Films und kehren schließlich mit gewandeltem Blick zu klinisch-psychoanalytischen Konzepten zurück. - Alle Beiträge können für sich gelesen werden. Doch in allen sind zwei Grundfragen gegenwärtig: die Frage nach den Voraussetzungen seelischer Repräsentation, also des Denkens, und die Frage nach der Anerkennung des Anderen als Anderen. Das Buch ist getragen von der Überzeugung, dass die Achtung vor dem Anderen und die Entwicklung des eigenen Denkens zusammengehören. Die Fremdheit des Nächsten zu akzeptieren gelingt nur, wenn Erfahrungen der Trennung und des Mangels verarbeitet sind. Deren Integration führt zur Symbolbildung, zum Denken. Die Entwicklung der mentalen Repräsentation ist so mit der Entwicklung des interpersonalen Verhältnisses verbunden. Dort, wo der Andere fremd wird, ohne verloren zu gehen, entsteht ein seelischer Innenraum.

Inhalt

Die Psychoanalyse an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Eine zeitgemäße Wissenschaft?

TEIL I: DER MENSCH UND SEINE MITWELT – GRENZGÄNGE ZWISCHEN PSYCHOANALYSE UND PHILOSOPHIE

  • 1. Philosophie, Psychoanalyse und Alltagspraxis. Konzepte lebensgeschichtlicher (Re-)Konstruktion und ihre praktischen Auswirkungen
  • 2. Zeit, Krankheit, Unbewusstes. Zur Bedeutung des Zeiterlebens in der Psychotherapie
  • 3. Verlorenes Objekt, Trennung und Anerkennung. Zur Fundierung psychoanalytischer Therapie und psychoanalytischer Ethik in der Trennungserfahrung
  • 4. Ulrich Sonnemanns Kritik an und mit der Psychoanalyse – heute
  • 5. In Strukturen denken. Strukturkonzepte in Philosophie, Psychiatrie und Psychoanalyse und ihre praktischen Auswirkungen.

TEIL II: DER MENSCH UND SEIN LEIB – GRENZGÄNGE ZWISCHEN PSYCHOANALYSE, MEDIZIN UND GESELLSCHAFTSWISSENSCHAFTEN

  • 6. Der Körper als Ort der Beziehungsinszenierung
  • 7. Sprache, Symptom, Unbewusstes. Die Hörwelt der Psychoanalyse
  • 8. »Ich sehe was, das du nicht siehst ...«. Gesicht und Identität im Blick des Anderen
  • 9. Öffentlichkeit und Körpererfahrung

TEIL III: DER MENSCH UND DIE GESELLSCHAFT – GRENZGÄNGE ZWISCHEN PSYCHOANALYSE UND GESELLSCHAFTSWISSENSCHAFTEN

  • 10. Neue Familienformen. Herausforderungen und Chancen
  • 11. Auf dem Weg zu einer Umwelt-Psychosomatik
  • 12. Innere und äußere Gewalt. Der Beitrag der Psychoanalyse zum Verständnis individueller Gewaltbereitschaft und Gewaltverarbeitung im gesellschaftlichen Kontext.

TEIL IV: DER MENSCH UND DIE KULTUR – GRENZGÄNGE ZWISCHEN PSYCHOANALYSE UND INTERPRETATIONSWISSENSCHAFTEN

  • 13. Selbstinterpretation, Beziehung, Deutung. Zum Interpretationsbegriff in der Psychoanalyse
  • 14. Intertextualität als Vorschein eines Neubeginns. Destruktion und Hoffnung in Jim Jarmuschs Film »Ghost Dog. The way of the Samurai«
  • 15. Edgar Degas, die Photographie und der Voyeurismus
  • 16. Ästhetische Form und unbewusster Sinn. Selbstfürsorge und Identität in »Moby Dick«.

TEIL V: DER MENSCH UND DIE KRANKHEIT – INTERDISZIPLINÄRE ERWEITERUNGEN DER PSYCHOANALYSE. DER ERTRAG DER GRENZGÄNGE FÜR DIE PSYCHOANALYTISCHE KLINIK

  • 17. Trauma, Konflikt, Repräsentation
  • 18. Suizid – Suche nach Beziehung oder Zerstörung des Dialogs?
  • 19. Das Festhalten am Leiden
  • 20. Die Sucht und der Andere. Identität und Intersubjektivität in der Sucht
  • 21. Hysterie heute. Eine Revision
  • 22. »Zur Einführung des Narzissmus«. Eine Relektüre

Stimmen zum Buch

»Joachim Küchenhoff zeigt in grossartiger Weise im vorliegenden Buch auf – mit einer umfassenden und tiefgründigen Analyse und Synthese – wie es um ›Die Achtung vor dem Anderen‹ steht. Dabei werden Grenzgänge zwischen Psychoanalyse und Philosophie beschrieben und Strukturenkonzepte angedacht.«

kulturpunkt.ch

»Küchenhoff erstaunt in seinem Werk nicht nur mit großer, bei so komplexer Thematik selten anzutreffener Klarheit des Gedankengangs, die dementsprechend auch das Lesen angenehm und erfreulich gestaltet. Angesichts der Vielfalt der Ansätze, die hier miteinander in Beziehung gesetzt werden, ohne je zu verschwimmen und ihre Eigenständigkeit einzubüßen, scheint es, dass die "Anerkennung des anderen" - theoretischer Ausgangspunkt und Titel des Buches - nicht nur Gegenstand der Ausführungen ist, sondern ein dem Text inhärentes, praktisch durchgeführtes Programm - mit dem glücklichsten Ergebnis für eine inhaltsreiche, differenzierte und im besten Sinne interdisziplinär geführte intellektuelle Debatte. Dies ist, so meint die Rezensentin, tatsächlich eines der wenigen Bücher, die nicht nur im Stande sind, das Gedankengut der Wissenschaft in eine andere hineinzutragen, sondern jene Vernetzung zwischen den Wissenschaften zu leisten vermögen, die im interdisziplinären Austausch ebenso selten wie unumgänglich ist. In diesem Sinne wäre es sehr wünschenswert, der Band fände in der Geschichtswissenschaft ebenso wie in den anderen Kulturwissenschaften und der Psychoanalyse selbst eine möglichst große Verbreitung.«

Sabine Schlüter, in: Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit. 6. Jg. 2006, Heft 1.

Der Herausgeber

Joachim Küchenhoff ist Professor für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Aktuell ist er in seiner eigenen Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie tätig und Chefredaktor des Schweizer Archivs für Neurologie und Psychiatrie. Bei Velbrück Wissenschaft erschienen: Der Sinn im Nein und die Gabe des Gesprächs (2013); veröffentlicht mit Emil Angehrn: Die Vermessung der Seele (2009), Macht und Ohnmacht der Sprache (2012), Die Arbeit des Negativen (2013), Erwartung; Selbsttäuschung; Das unerledigte Vergangene (2015), Selbsttäuschung (2017), Erwartung (2019). (Quelle: Velbrück Vlg.)

Kaufoption

29,90 €