Details

Autor Grieser, Jürgen
Verlag Brandes u. Apsel
Auflage/ Erscheinungsjahr 25.05.2021
Format 24 × 17 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 300 Seiten
Gewicht 578
ISBN 9783860993842

Zu diesem Buch

Aktualisierte und um ein Kapitel erweiterte Neuausgtabe dieses gefragten Grundlagentitels des Zürcher Autors zum Theme, in dem die Entwicklung des Vaterbildes von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter vor psychoanalytischem Hintergrund ummfassend dargestellt wird.

Wurde in den einschlägigen Diskursen noch bis in die jüngere Vergangenheit ernsthaft die Frage erörtert und debattiert, ob dem Vater neben der Mutter eine spezifische Bedeutung für die psychosexuelle Entwicklung des Kindes zukomme, hat sich die Einschätzung hierzu inzwischen deutlich verändert. Das Konzept "Vater", das für Sigmund Freuds Selbstanalyse und die Wissenschaft Psychoanalyse gleichermaßen konstituierend war, erlebt nach einer langen Periode, in der die Mutter-Kind-Beziehung im Aufmerksamkeitszentrum der psychoanalytischen Theorie und Praxis stand, eine Renaissance. In jüngerer Zeit tritt der Vater jetzt in manchen psychologischen und pädagogischen Theorien als ein wiederentdeckter oder wiederzubelebender Hoffnungsträger in Erscheinung, dessen theoretische Rehabilitierung und pädagogisch-therapeutische Aktivierung neue Perspektiven in individueller wie gesellschaftlicher Hinsicht eröffnen sollen.

Zum Inhalt: Das Vaterbild, das von der Kindheit an eine wichtige Rolle spielt, ist weit mehr als der Niederschlag der Erfahrungen mit dem realen Vater. Es enthält darüber hinaus phantasierte Anteile, die das Kind erschafft oder die die Mutter und andere Bezugspersonen beisteuern. Auch die kulturellen Vorstellungen darüber, was einen zuträglichen Vater ausmache, gehen in dieses Vaterbild ein. Diese phantasierten Anteile werden besonders deutlich, wenn der Vater abwesend war, ungelöste Konflikte vorherrschen oder auch, wie bei manchen kreativen Menschen, die innere Repräsentanz des Vaters in einer ungeklärten Position gehalten und immer wieder neu erarbeitet wird.

Aus dem Vorwort des Autors zur Neuausgabe:

"Ich hatte mich sehr gefreut, als Roland Apsel vorschlug, dieses 1998 erstmals bei edition dislcord erschienene Buch im Verlag Brandes & Apsel erneut aufzulegen und um ein zusätzliches Kapitel zu erweitern.

Obwohl es seit 1998 eine ganze Welle von psychoanalytisch orientierten Büchern zum Thema Vater gab, scheint das vorliegende Buch mit seinem Schwerpunkt auf dem phantasierten Vater noch immer gerne gelesen und zitiert zu werden. ´Der phantasierte Vater` bleibt vielleicht gerade deshalb aktuell, weil es hier nicht einfach um »den« Vater geht, sondern um die Konstruktion des Vaterbildes im Schnittpunkt von verschiedenen Perspektiven, zu denen auch der sich wandelnde kulturelle Horizont zählt, vor dem der konkrete Sohn sein individuelles Vaterbild entwirft und immer wieder zu überarbeiten hat.

Das neue, ergänzende Kapitel IX »Der phantasierte Vater im 3. Jahrtausend« stellt als Update bestimmte Aspekte heraus, die in der Zwischenzeit weiter vertieft oder neu beschrieben wurden oder aufgrund des gesellschaftlichen Wandels mehr Aufmerksamkeit verdienen. Inzwischen können die Rolle des Vaters und seine spezifischen Funktionen bereits für die frühe Kindheit differenziert beschrieben werden. Heute ist es auch ganz selbstverständlich möglich, dass Väter ihrer Vaterschaft ein großes Gewicht geben und schon von Geburt an in der Familie sehr präsent sind. Dafür ist die Generation der in den beiden letzten Jahrzehnten des letzten Jahrtausends geborenen Millennials mit ihrer Grundhaltung, nicht mehr das ganze Leben dem Beruf unterzuordnen, sondern auf die Qualität und Sinnhaftigkeit des Lebens insgesamt zu achten, prädestiniert. Die Aufweichung überkommener Vorstellungen von Vaterrolle und Männlichkeit erlaubt es heute vielen Vätern, eine auf ihre und die Bedürfnisse des Kindes und seiner Mutter abgestimmte Rolle zu übernehmen. Diese Väter dabei zu unterstützen, gute Väter für ihre Kinder zu sein, ist das Anliegen vieler Fachpersonen, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten mit der Thematik beschäftigt und dazu publiziert haben.

Auf der anderen Seite steht aber der Sachverhalt, dass es viele Kinder gibt, die aus unterschiedlichsten Gründen keine solchen idealen Väter haben. Was machen diese? Unter diesen gibt es eine große Untergruppe, die zu meinem Erstaunen in diesem Buch bisher gar nicht vorkam, allerdings zu dem Zeitpunkt, als es abgefasst wurde, auch sonst wenig Beachtung fand: die kriegsbedingt vaterlosen Kinder. Der überraschende Grund für diese Unterlassung ist, wie Hartmut Radebold (2010) aufzeigt, dass in der Gesellschaft insgesamt erst nach der Jahrtausendwende die Aufarbeitung dieses vergessenen Themas begann. Und damit rückte dann auch das Phänomen der transgenerationalen Weitergabe der unverarbeiteten Erfahrungen von den Vätern des Zweiten Weltkriegs auf ihre Söhne und von diesen auf die Generation der Enkel in die Wahrnehmung. Ein anderer Faden, der im Update-Kapitel IX immer wieder aufgenommen wird, ergibt sich aus der weiterhin zunehmenden Pluralisierung familialer Lebensmodelle — Stichworte: Co-Parenting als freigewählte Familienform, queere Familien —, der
gegenüber eine in der Vater-Sohn-Literatur anzutreffende Begrifflichkeit wie »das väterliche Prinzip« oder »das männliche Projekt« der Vater-Sohn-Beziehung eher antagonistisch wirken und hinterfragt werden müssen. Wer auf diese hier skizzierten Themen neugierig ist, kann die Lektüre problemlos auch mit dem Kapitel IX beginnen. Meine Arbeit an der Überarbeitung und Erweiterung dieses Buches ging zuerst einmal mit einem für mich selber überraschenden Widerstand einher. Zunächst dachte ich, dass mir als Vater zweier Töchter das Vater-Sohn-Thema in die Ferne gerückt sein könnte, allerdings habe ich ja unter meinen Patienten viele Väter und Söhne. Ein anderer mög-licher Grand könnte darin liegen, dass ich selber nicht nur als Vater keine Erfahrungen mit einem Sohn vorzuweisen habe, sondern auch als Sohn keine neuen Erfahrungen mit meinem früh verstorbenen Vater machen konnte. Für mich persönlich schien deshalb vielleicht auf einer unbewussten Ebene das Vater-Sohn-Thema abgehakt zu sein. Bis ich dann merkte, dass, wie jede Arbeit an einem Buch mit einem persönlichen Prozess beim Autor einhergeht, auch in dieser neuen Auseinandersetzung mit dem Thema Vater mein eigenes Vaterbild noch einmal in Bewegung kam. Und so war es vermutlich kein Zufall, dass ich mich schließlich genau an dem Tag daranmachte, dieses Vorwort zu schreiben, an dem sich der Todestag meines Vaters zum 50. Mal jährte. Wie soll ich ihn mir heute vorstellen — als den Mann mittleren Alters, der er damals war? Oder als 90-Jährigen, ganz hinfällig, kurz vor seinem, diesmal nicht plötzlich hereinbrechenden, sondern zu erwartenden Tod stehend? Was für eine Bezie-hung hätte ich wohl heute zu diesem Mann? Schon diese Phantasien sind Beispiele dafür, auf wie viele verschiedene Arten sich ein Vaterbild entwickeln kann, wenn die reale Erfahrung mit dem Vater nicht zur Verfügung steht. Eine solche Jahrestagsreaktion, wie ich sie regelmäßig auf den Todestag meines Vaters hin erlebe, ist nicht unbedingt als eine Bestätigung für Freuds Diktum zu be-trachten, der Tod des Vaters sei das bedeutsamste Ereignis, der einschneidendste Verlust im Leben eines Mannes (vgl. Kap. III), denn warum sollte der Tod der Mutter nicht mindestens so gravierend sein? Solche Jahrestagsreaktionen sind vielmehr Spuren trau-matischer Erfahrungen und Zeichen dafür, wie tief sich solche Überforderungen der Bewältigungsmöglichkeiten in den Menschen einschreiben. Ich erwähne das, weil heute die psychotraumatologische Perspektive im psychoanalytischen Denken eine viel grö-ßere Rolle spielt als vor 23 Jahren und uns ermöglicht, das, was die Menschen real erlebt haben, besser wahrzunehmen und zu würdigen. Die Traumatheorie hilft auch zu verstehen, warum sich Beziehungsmuster und Persönlichkeitsmerkmale von Generati-on zu Generation transgenerational tradieren können, sich maligne Vater-Sohn-Bezie-hungserfahrungen aus Kriegszeiten wiederholen, obwohl die äußeren Lebensumstände sich geändert haben. Ein interessanter Nebenbefund meiner Aufarbeitung der neueren Literatur zur Vater-Sohn-Beziehung ist, dass oftmals die Großmütter eine wichtige Rolle in der Vermittlung von Wissen zwischen den Generationen und damit zwischen Vätern und Söhnen spie-len, wie schon in der Dynastie Krupp, über die in Kapitel V berichtet wird. Das wirft die Frage danach auf, was eigentlich die Großväter tun. Früher hatte der rote Großvater
noch von den Kämpfen in der Arbeiterbewegung erzählt (Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, 1974: Der rote Großvater erzählt) — aber vielleicht handelt es sich dabei auch nur um einen phantasierten idealen Großvater? Heute würden dringend Großväter gebraucht, die Geschichten erzählen und brauchbare Lehren aus der Geschichte ver-mitteln würden. Die aufzeigen könnten, was die Menschen für eine bessere Welt tun können, und die darin ihren Kindern und Enkelkindern ein Vorbild sein könnten. Michael J. Diamond (2007) schreibt, dass sich die älter werdenden Männer zuneh-mend über die gesellschaftlichen Konzepte von Männlichkeit und Weiblichkeit hinweg-setzen und eigene weibliche Anteile besser annehmen können, und dass dies deren Söhne auch wahrnehmen. Falls dies zutrifft, wäre hier ein Potenzial dafür zu entdecken, den Auswüchsen eindimensionaler männlicher Denk- und Verhaltensmuster, dem gierigen immer Mehr, immer Schneller, immer Weiter, immer Größer Alternativen gegenüber-zustellen. Beispielsweise vorzuleben, dass es auch sozialer, ökologischer, achtsamer, nachhaltiger geht. Dies ist aber nur möglich, wenn sich diese Großväter nicht in den geistigen und politischen Ruhestand begeben, sondern ihre generative Verantwortung in dem erweiterten Sinn wahrnehmen, dass sie die Welt nun nicht einfach ihren Kindern überlassen, sondern sich selber darum kümmern, dass die folgenden Generationen die Voraussetzungen fair ein gutes Leben in einer intakten Umwelt vorfinden werden. Dafür braucht es auch Großväter im Unruhestand. Ein, auch diese Ansprüche berücksichtigender, kritischer Blick auf das vorliegende Buch (...)"  -
Jürgen Grieser

Inhalt

Vorwort zur 3., erweiterten Auflage 2021 / Einleitung

  • I. Das kulturelle Fundament der Vater-Sohn-Beziehung
  • II. Zur Funktion und Entwicklung der Phantasiewelt
  • III. Die Konstruktion der Vaterimago bei Freud
  • IV. Entwicklungspsychologie der Vater-Sohn-Beziehung
  • V. Das Geheimnis der Initiation
  • Vl. Söhne ohne Väter
  • VII. Die Verfremdung der Vaterimago
  • VIII. Das Vaterbild im gesellschaftlichen Kontext
  • Resümee (1998)
  • IX. Der phantasierte Vater im 3. Jahrtausend — Update 2021

Literatur

Der Autor

Jürgen Grieser, Dr. phil., Psychoanalytiker und Psychotherapeut für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Paar- und Familientherapeut, Supervisor, Dozent am Psychoanalytischen Seminar Zürich und anderen Ausbildungsinstituten für Psychotherapie. Als niedergelassener Psychotherapeut in Zürich tätig. Buchveröffentlichungen zu den Themen Vater, psychischer Raum, Triangulierung, Kreativität, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Bedeutung des Todes für das Leben.

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