Details

Autor Whitebook, Joel
Verlag Campus
Auflage/ Erscheinungsjahr 02.03.2009
Format 21,3 × 14,1 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 243 Seiten
Gewicht 310
Reihe Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie, Band 11
SFB Artikelnummer (SFB_ID) 9783593384986

Zu diesem Buch

Joel Whitebook verbindet die ›Kritische Gesellschaftstheorie‹ mit der Erforschung psychodynamischer Prozesse.

Insbesondere die sich in den USA in den Vierziger Jahren und danach dort etablierte medizinalisierte, weitgehend welt- und gesellschaftsvergessene, banalisierte Psychoanalyse nimmt der streitbare Psychoanalytiker und Philosoph in seinem lesenwerten Beitrag in den Blick und untersucht deren Ursachen und Folgen. Diese im tiefsten Sinne des Wortes re-aktionäre, verzwergte, von gesellschaftlichen Entwicklungen und Verhältnissen abgekoppelte us-amerikanischen Neo-Psychoanalyse kam alsbald im Wege eines ´Roll Back` zurück nach Europa und beeinflußte zahllose der hiesigen PsychoanalytikerInnen, welche die innovativen Konzepte aus der Neuen Welt wissbegierig aufsogen; Heinz Hartmanns Ich-Psychologie, später die Selbstpsychologie - bis zu den Mentalisierungskonzepten der jüngeren Zeit.

Es waren die vielen vor den Nazis geflüchteten und ins Exil gegangenen europäischen Psychoanalytiker, die einerseits zur rasanten Ausbreitung der Psychoanalyse in den Vereinigten Staaten ganz wesentlich beitrugen, aus Gründen der Dankbarkeit für die gewährte Aufnahme, nicht selten verknüpft mit traumatischen Ängsten, die eine - unbewußt - leisetreterische, apolitische, die realen gesellschaftlichen Verhältnisse ausblendende Variante einer überangepassten Psychoanalyse den Weg bahnten; vielfach eben jene in Wien oder Berlin gut ausgebildeten AnalytikerInnen standen für diese folgenschwere Umwertung. - Insofern hat das Nazitum selbst hier noch seine Schatten bis in die USA und wieder zurück nach Europa geworfen, wo eine von jüdischen KollegInnen weitgehend ´bereinigte` Psychoanalyse nie mehr wirklich zu der intellektuellen Tiefe der Anfänge fand. - All dies ist eingebettet in Whitebooks in diesem Buch gleichfalls nachzulesenden Überlegungen zu Marx, Kant, Freud, Adorno, Foucault und insbesondere zu Hannah Arendtu. Es bietet sowohl eine Einführung in Schlüsselthemen der Gesellschaftskritik und Psychoanalyse als in die wechselseitigen Auseinandersetzungen und Kontroversen.

Aus der Einleitung des Autors

"Jetzt, da das von ihr so genannte »schreckliche« zwanzigste Jahrhundert unter dem Zeichen von Gewalt zu Ende gegangen ist, tritt Hannah Arendt im Feld des politischen Denkens zweifelsfrei als eine seiner führenden Persönlichkeiten in Erscheinung. Zu ihren Lebzeiten wurde ihr Werk von einer kleinen und ergebenen Gruppe von Bewunderern geschätzt, niemals aber hatte es auch nur annähernd das Prestige, das es heute genießt. Das liegt nicht nur daran, dass Rezeption und Beurteilung des Werkes einer so vielschichtigen Denkerin eine gewisse Zeit benötigen, sondern ist auch dem Zusammenbruch des Kommunismus und, damit einhergehend, dem Niedergang einer bestimmten Form ideologischen Denkens sowohl im rechten wie im linken Lager zu danken. Arendts Denken war zu kompliziert und selbständig, als dass es sich in dem starren Raster der Zeit vor 1989 hätte verorten lassen. Sie ist verschiedentlich als ultralinks und als Kalte Kriegerin, als Vertreterin der liberalen Moderne und als rückwärtsblickende Klassizistin, als arrogant elitär und als radikale Demokratin beschrieben worden. Im Gegensatz zu denen, die Arendt unter ideologischen Blickwinkeln unterschiedlicher Couleur katalogisierten, sprach sie von sich selbst zutreffend als »Selbstdenker« [dt. im Original] – als jemandem, die eigenständig denkt. Das gegenwärtige Interesse an Arendt resultiert aus der Tatsache, dass die Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges nach einem Denker verlangt, der, obgleich postideologisch, uns dennoch bei der Formulierung einer umfassenden Analyse unserer Situation behilflich sein kann. In dieser Hinsicht ist Arendt genau die Richtige.

Es gibt freilich eine Frage, die mir jahrelang keine Ruhe gelassen hat: Wie könnte man ihre Brillanz als politische Denkerin und ihre tiefe und unverrückbare Feindschaft nicht nur gegen die Psychoanalyse, sondern auch die Psychologie und die innere Welt im Allgemeinen, miteinander in Einklang bringen? Diese Frage will ich hier untersuchen.

Bevor ich mich ihr zuwende, möchte ich jedoch eines feststellen: Die Paradigmenkrise in der amerikanischen Psychoanalyse hat das Feld selbst für politische Fragen weit stärker sensibilisiert und interessiert, als dies in den fünfziger und sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts der Fall war. Die alte Schule der Ich-Psychologie ist nicht selten als militant apolitisch wahrgenommen worden. Sie hat die soziopolitische Realität zum Beispiel unter Heinz Hartmanns »durchschnittlich erwartbare Umwelt« subsumiert und es dabei bewenden lassen. Außerdem ist darauf hingewiesen worden, dass die amerikanische Psychoanalyse keineswegs so wertfrei war, wie Hartmann – der übrigens bei Max Weber studiert hatte – behauptete. In den fünfziger und sechziger Jahren arbeitete sie mehr oder weniger stillschweigend mit spezifischen Wertvorstellungen, und zwar denen der amerikanischen Mittelklassekultur der Nachkriegszeit. Die Gründe, weshalb die emigrierten Psychoanalytiker kulturell konservativ und gegenüber der Politik argwöhnisch waren, sind des öfteren diskutiert worden. Unter anderem waren es die Erfahrungen mit den Nationalsozialisten in Europa und mit dem McCarthy-Komitee hier, die sie zu einer solch willigen »Anpassung« bewogen. (Wir sollten noch hinzufügen, dass Hartmann und seine Protegés einer großbürgerlichen Elite entstammten und diese Herkunft es ihnen ermöglichte, über den politischen Auseinandersetzungen zu stehen.) Auch wenn diese Haltung nachvollziehbar sein mag, nahm man sie ihnen im Amerika der Zeit nach den sechziger Jahren einfach nicht mehr ab. Die Verleugnung der soziopolitischen Realität ist einer der vielen Faktoren, die zur Krise der Ich-Psychologie geführt haben. (...)"

Inhalt

  • Vorwort von Axel Honneth
  • Psychoanalyse und Demokratie
  • Kritische Theorie und Psychoanalyse. Eine Verbindung von Marx und Freud
  • Gewichtige Objekte. Zu Adornos Interpretation von Kant und Freud
  • Allmacht und das radikal Böse. Über eine mögliche Annäherung zwischen Hannah Arendt und der Psychoanalyse
  • Hans Loewald: Ein radikaler Konservativer.
  • Freud, Foucault und der »Dialog mit der Unvernunft«
  • Wechselseitige Anerkennung und die Arbeit des Negativen
  • Langsamer Zauber. Psychoanalyse und die »Entzauberung der Welt«
  • Drucknachweise./ Literatur / Werkverzeichnis Joel Whitebook

Der Autor

Joel Whitebook ist Philosoph und praktizierender Psychoanalytiker. Er lehrt und forscht am Department für Psychiatrie sowie am Zentrum für psychoanalytische Ausbildung und Forschung an der Columbia Universität in New York.

Lieferbarkeit

Der inzwischen beim Verlag vergriffene Titel ist bei der SFB in einigen verlagsfrischen und folienverschweißten Exemplaren verfügbar

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