Details

Herausgeber Gardiner, Muriel (Hg.)
Verlag S. FISCHER
Auflage/ Erscheinungsjahr 1972
Einbandart/ Medium/ Ausstattung gebunden mit Schutzumschlag
Seiten/ Spieldauer 420 Seiten
Abbildungen Bildteil mit 11 s/w Fotos
ISBN 3100926013

»Ich habe geträumt, daß es Nacht ist und ich in meinem Bett liege, (mein Bett stand mit dem Fußende gegen das Fenster, vo dem Fenster befand sich eine Reihe alter Nußbäume. Ich weiß, es war Winter, als ich träumte, und Nachtzeit). Plötzlich geht das Fenster von selbst auf, und ich sehe mit großem Schrecken, daß auf dem großen Nußbaum vor dem Fenster ein paar weiße Wölfe sitzen. Es waren sechs oder sieben Stück. Die Wölfe waren ganz weiß und sahen eher aus wie Füchse oder Schäferhunde, denn sie hatten große Schwänze wie Füchse und ihre Oren waren aufgestellt wie bei den Hunden, wenn sie auf etwas passen. Unter großer Angst, offenbar, von den Wölfen aufgefressen zu werden, schrie ich auf und erwachte.«

Zu diesem Buch

»Einzigartig« und »faszinierend« sind Vokabeln, die in den Rezensionen der amerikanischen Originalausgabe immer wieder auftauchen. Einzigartig und faszinierend ist dieses Buch der Erinnerungen, Berichte, Diagnosen in der Tat: Der Wolfsmann, der sein Pseudonym nicht lüften will, der wegen einer übermäßigen und unrealistischen Kindheitsangst vor Wölfen in der psychoanalytischen Literatur der »Wolfsmann« heißt, gilt als Sigmund Freuds berühmtester Fall, die Darstellung seiner Behandlung (>Aus der Geschichte einer infantilen Neurose<) als die »zweifellos wichtigste aller Krankengeschichten Freuds« (James Strachey).

Es gibt keinen anderen Patienten, der selbst den biographischen Stoff offenbart hätte, den Freud in vielen Behandlungsstunden gedeutet hat. Der Leser sieht erstmals eine überaus dramatische Lebensgeschichte aus einer großartigen und höchst aufschlußreichen Doppelperspektive. Er lernt nicht nur den »Wolfsmann«, sondern auch Freud selbst kennen, betritt gleichsam das Ordinationszimmer in der Berggasse 19.

Das Buch endet nicht mit dem Abschluß der Behandlung bei Freud. Es berichtet das gesamte spätere Leben der Hauptfigur - bis zur Gegenwart, und zwar neben des »Wolfsmanns« eigener Beschreibung in der Darstellung von Ruth Mack Brunswick, einer Schülerin Freuds, die den Patienten in der Folge behandelte, sowie derjenigen Muriel Gardiners, einer New Yorker Psychoanalytikerin die ihn seit Jahrzehnten kennt und den Band angeregt und herausgegeben hat. Wie Anna Freud in ihrem Vorwort sagt, verfolgt das Buch »den Faden der Ereignisse ohne Unterbrechung von Kindheitserinnerungen und infantiler Neurose über Jugend und Erwachsenenalter bis zum Endkapitel mit seinem überzeugenden Bild von unserem >Wolfsmann< im Alter«.

Das Buch ist aber nicht nur ein überragendes Dokument der psychoanalytischen Literatur, sondern gleichzeitig ein unvergleichliches Leseabenteuer. Wiederholt sind des »Wolfsmanns« Erinnerungen mit der großen russischen Literatur verglichen worden. Sie führen den Leser zuerst in die südliche Landschaft des zaristischen Rußland, wo das Kind 1886 als Sohn eines reichen Großgrundbesitzers zur Welt kommt und, versorgt von wechselnden Erzieherinnen, in einer exzentrischen Familie heranwächst. Der Vater und dessen Brüder, die wegen ihres »turbulenten« Wesens in der Familie >Die Brüder Karamasow< genannt werden, die hypochondrische Mutter, die rätselhafte, geschäftstüchtig-melancholische Großmutter Irina Petrowna und die grazile, wilde, glänzend begabte Schwester Anna, die, kaum zwanzigjährig, Selbstmord begeht — sie sind nur einige der vielen bunten Figuren, die des »Wolfsmanns« Kindheit bevölkern und verstören.
Die in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg unternommenen luxuriösen Reisen durch das wilhelminische Deutschland, das Österreich der Doppelmonarchie, zu den Treffpunkten der europäischen Aristokratie Paris, London, Berlin, das Jurastudium in der Stadt Petersburg mit ihrem aufwendigen gesellschaftlichen Leben bilden die äußere glanzvolle Szenerie, vor der sich die innere Not des »Wolfsmanns« zum neurotischen Elend steigert. Erst nach jahrelanger vergeblicher Hilfesuche bei den damaligen psychiatrischen Kapazitäten, nach einer Odyssee durch deutsche Sanatorien mit ihrem bizarren Klientel und ihren wirkungslosen Therapien kommt der »Wolfsmann« 1910 zu Freud nach Wien.
Später erfährt der Leser, wie der »Wolfsmann« nach seiner Genesung den Ersten Weltkrieg, die Russische Revolution, die ihn zum mittellosen Emigranten, zum Angestellten einer Wiener Versicherungsgesellschaft machte, und die Katastrophen des Zweiten Weltkriegs sowie viele persönliche Schicksalsschläge und Krisen erlebte und überwinden gelernt hat.

Aus dem Inhalt

  • Einleitung. Von Muriel Gardiner
  • Vorwort. Von Anna Freud

Die Erinnerungen des Wolfsmannes

  • Meine Kindheitserinnerungen
  • 1905 - 1908: Unbewußte Trauer
  • 1908: Schlösser in Spanien
  • 1909 - 1914: Wechselnde Entscheidungen
  • 1914 - 1919: Nach meiner Analyse
  • 1919 - 1938: Alltag
  • 1938: Die Katastrophe

Die Psychoanalyse und der Wolfsmann

  • Meine Erinnerungen an Sigmund Freud. Vom Wolfsmann
  • Aus der Geschichte einer infantilen Neurose. Von Sigmund Freud
  • Ein Nachtrag zu Freuds >Geschichte einer infantilen Neurose<. Von Ruth Mack Brunswick

Der Wolfsmann im späteren Leben. Von Muriel Gardiner

  • Begegnungen mit dem Wolfsmann (1938-1949)
  • Eine weitere Begegnung mit dem Wolfsmann (1956)
  • Der Wolfsmann wird älter
  • Diagnostische Eindrücke

Lieferbarkeitshinweis

Bei der SFB der Grundlagentitel stets in einigen wohlerhaltenen antiquarischen Exemplare der gebundenen dt. Erstausgabe verfügbar; diese ohne Anstreichungen oder Anmerkungen; der Schutzumschlag mit Läsuren /Gebrauchsspuren. - Beim Verlag vergriffen.

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